1284 ernannte ihn der Bischof von Tréguier zu seinem Offizial. Dieses kirchliche Richteramt, das damals weit ins bürgerliche Leben hineinwirkte, übte er mit Mut und Unbestechlichkeit aus und erwarb sich den Ruf eines „Anwalts der Armen“.[1]
Seine Heiligsprechung ist nach Clausdieter Schott auch unter dem Gesichtspunkt des Konfliktes zwischen der Kirche und dem französischen Königtum zu sehen. So gilt der heilige Ivo als Verteidiger der libertas ecclesiae, da er sich einem Gesandten des Königs, der ausgeschickt worden war, Eigentum des Bischofs zu pfänden, widersetzt hatte. Die juristische Betätigung des Heiligen wurde dabei zunächst noch nicht in den Vordergung gestellt. Die Wirkung von Ivos Handeln auf seine Verehrung ging jedoch schnell über die Bedeutung als Verteidiger der libertas ecclesiae hinaus. So wurde der heilige Ivo zur „bretonischen Integrationsfigur“ und ersetzte damit den namensgleichen Landespatron aus dem 7. Jahrhundert. In der Tätigkeit des Heiligen wurde ein „Gerechtigkeitsengagement“ gesehen, was dazu führte, dass er in Frankreich angerufen wurde, wenn man sich in einer rechtlichen Not befand. Unter diesem Aspekt entwickelte sich eine Wallfahrtstradition zu Saint Yves de Vérité. Die dritte Entwicklung war die Verehrung als Patron von Juristen. In Frankreich bildeten sich Confrèries de Saint Yves, die sich verschrieben Armen unentgeltlich in Rechtsangelegenheiten beizustehen.[2]
St. Ivo gilt auch in vielen europäischen Ländern als Schutzheiliger der Juristen. In Deutschland wurde der Heilige nie zu einem allgemein viel verehrten Heiligen, seine Verehrung war auf die akademischen Fakultäten beschränkt. Als wohl erste Fakultät führte die Prager Fakultät Ivo als ihren Patron. Dies geschah bereits einige Zeit nach der Heiligsprechung des Juristen. Auch die anderen Fakultäten des Alten Reiches folgten dieser Praxis und fast alle Fakultäten wählten Ivo als ihren Patron. Viele der Fakultäten nutzen das Antlitz des Heiligen in ihren Siegeln, wie die Universitäten Freiburg i.Br., Wittenberg und Trier. Der Gedenktag des Heiligen wurde dabei meist mit einer Messe, einer Lobrede und einem Festessen begangen. In diesem Kontext wurden auch vielfach der Wechsel im Dekanat begangen.[2] In Trier wurde beispielsweise von 1473 bis 1798 am 19. Mai feierlich der Dekan der juristischen Fakultät gewählt.[4] Durch die Verehrung im akademischen Kontext wurde der Heilige stärker als Gelehrter wahrgenommen. In dieser Wahrnehmung sei aber auch eine Beeinflussung durch den Kult um Ivo von Chartres möglich. Mit dem Aufkommen der Reformation beschränkt sich die Verehrung auf die katholischen Universitäten. Dort endete die Verehrung dann im 18. Jahrhundert. Die Tradition des Siegels wurde jedoch manchmal, so in Freiburg im Breisgau fortgeführt, oder, wie im Fall der Universität Trier, später wieder aufgegriffen.[2] Das am heutigen Trierer Fachbereich Rechtswissenschaft fortgeführte Siegel der alten Jura-Fakultät zeigt St. Ivo als Gelehrten am Bücherpult mit der Unterzeile „S. Ivo“.[4]
Seit 2016 gilt St. Ivo zumindest informell auch als Schutzpatron der Datenschützer. Der Heilige ziert das Siegel des Katholischen Datenschutzzentrums in Dortmund. Für Witwen oder Waisen trat Ivo Hélory unentgeltlich vor Gericht und bot sich, mitunter auch ungefragt, zu deren Verteidigung an. Er ist Patron der Armen und Waisen.[4]
Werner Beaumont: Ivo, der Schutzpatron der Rechtsanwälte, Anwaltsblatt 1985, S. 223f.
Karl Heinz Burmeister: Der hl. Ivo und seine Verehrung an den deutschen Rechtsfakultäten. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung 92 (1975), S. 60–88
Joseph Müller: Sankt Ivo, Schutzpatron der Advokaten. In: Jahrbuch für Kunst und Poesie 1843, S. 271–273 (Google Books), Gedicht.