Isan ist die Erstsprache der laostämmigen Mehrheitsbevölkerung in den meisten Provinzen der Nordostregion (die Ausnahmen sind Nakhon Ratchasima, deren lokaler Dialekt Khorat-Thai dem Zentral-Thai näher steht, sowie Surin und die südlichen Teile von Buri Ram und Si Sa Ket, wo die Mehrheitsbevölkerung Khmer spricht).
Es hat jedoch keinen offiziellen Status, vonseiten der thailändischen Regierung wird es als Dialekt des Thailändischen betrachtet. Kommunikation mit Behörden findet ausschließlich auf Standard-Thai statt, das auch einzige Unterrichtssprache an staatlichen Schulen und Hochschulen ist. Es gibt kaum Massenmedien, die auf Isan erscheinen bzw. senden. Infolgedessen verbinden viele Zentralthailänder, aber auch einige Isan-Sprecher selbst, Isan mit einem geringen Sozialprestige. Wer nur Isan und nicht auch Standard-Thai spricht, gilt oft als ungebildet und rückständig. Insbesondere jüngere, besser gebildete, in Großstädten oder außerhalb der eigenen Region lebende Nordostthailänder vermeiden es, in der Öffentlichkeit oder in Gegenwart von Thailändern aus anderen Regionen, ihre Heimatsprache zu sprechen.[4]
Fast alle Isan-Sprecher praktizieren eine Diglossie: Standard-Thai in offiziellen Zusammenhängen (als „hohe“ Varietät), Heimatdialekt in privaten und informellen Situationen („niedere“ Varietät).[5][6] Auch Code-Switching, das heißt das Hin- und Herwechseln zwischen beiden Sprachen, teilweise sogar innerhalb eines Satzes, ist weit verbreitet.[4]
Andererseits verwenden Minderheitengruppen in Nordostthailand – etwa Phu Thai und nördliche Khmer – Isan als Zweitsprache und lingua franca zur Kommunikation mit Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung oder anderen Minderheiten als der eigenen.[7][8][9]
Klassifikation
Viele Linguisten betrachten Isan als eigene Sprache, auch wenn allgemein anerkannt ist, dass (Zentral-)Thai, Isan und Lao ein Dialektkontinuum bilden, also ohne scharfe Grenzen ineinander übergehen. Andererseits wird auch vertreten, dass Isan nur ein Dialekt bzw. eine Dialektgruppe, entweder des Laotischen oder des Thailändischen sei. Dem auf Sprachen Südostasiens spezialisierten Linguisten Nick Enfield zufolge, erfolgt die Abgrenzung von „Lao“, „Thai“ und „Isan“ eher aus subjektiven, politischen, historischen und sozialen Gründen als anhand linguistischer Merkmale. Daher sei es unmöglich, allein mit sprachwissenschaftlichen Methoden die Thesen, dass Isan eine eigene Sprache sei, dass Isan und Lao unterschiedliche Sprachen oder dieselbe Sprache oder dass Thai, Lao und Isan Dialekte einer einzigen Sprache seien, zu be- oder zu widerlegen.[10]
Vergleich mit dem Thailändischen und Laotischen
Einer der größten Unterschiede zwischen Thai und Isan ist die Behandlung des Konsonanten รR. Entweder wird der Konsonant nicht gesprochen oder aber als ฮH oder als ลL. Im Gegensatz zu Laotisch wird der Konsonant aber oft geschrieben, wenn Isan mit Thai-Schrift geschrieben wird. Das Wort Auto รถrot wird wie 'lot' ausgesprochen aber รถ geschrieben. Im Laotischen aber mit Lລົດ. Aus tanzen รำram wird lam aber es wird auch so geschrieben ลำ. aus รักrak, lieben wird hak, geschrieben als ฮัก, aus ร้อน,heiß roon wird hoon geschrieben ฮ้อน. Wörter die in Thai mit 'CH' gesprochen werden, werden im Isan mit 'S'
gesprochen. Beispiele sind ช้างchaang, Elefant in Isan saang. Aus ชาติchaat, Nation wird saat. Aus ฉบับchabap Kopie wird sabap. Aus ชื่อchüü wird süü was mit Vorname übersetzt werden kann. Geschrieben in Isan als ซื่อ. Man beachte den kleinen Unterschied zwischen dem Zeichen ช und ซ. In Laotisch wird Name im Übrigen ຊື່ geschrieben. Man beachte die Vereinfachung: der fehlende stimmlose Konsonant อ. Allgemein kann man sagen, dass Konsonanten-Kombinationen (Englisch: consonant clusters) seltener in der Isan Sprache auftauchen wie im Standard Thai. So wird aus dem thailändischen กลับบ้านglap baangap kun baan. Der zweite Konsonant L wird nicht gesprochen und im Laotischen auch nicht geschrieben ກັບຄືນບ້ານ. Also กับ statt กลับ Laotisch: ກັບ
Identische Wörter (abgesehen vom z. T. unterschiedlichen Ton)
Deutsch
Isan
Laotisch
Thailändisch
Sprache
ภาษา, pʰáː sǎː
ພາສາ, pʰáː sǎː
ภาษา, pʰaː sǎː
Stadt
เมือง, mɯ´ːaŋ
ເມືອງ, mɯ´ːaŋ
เมือง, mɯːaŋ
Religion
ศาสนา, sȁːt sáʔ nǎː
ສາສນາ, sȁːt sáʔ nǎː
ศาสนา sàːt sàʔ nǎː
Regierung
รัฐบาล, lāt tʰáʔ bàːn
ຣັຖບາລ, rāt tʰáʔ bàːn
รัฐบาล, rát tʰàʔ baːn
Himmel
สวรรค์, sáʔ vǎn
ສວັຣຄ໌, sáʔ vǎn
สวรรค์, sàʔ wǎn
gut gehen
สบาย, sáʔ bàːj
ສະບາຽ, sáʔ bàːj
สบาย, sàʔ baːj
Kind
เด็ก, dék
ເດັກ, dék
เด็ก, dèk
glücklich sein
ดีใจ dìː t͡ɕàːj
ດີໃຈ, dìː t͡ɕàːj
ดีใจ, di: tɕaːj
Straße
ถนน, tʰáʔ nǒn
ຖນົນ, tʰáʔ nǒn
ถนน, tʰàʔ nǒn
Sonne
อาทิตย์, ʔaː tʰīt
ອາທິຕຍ໌, ʔaː tʰīt
อาทิตย์, ʔa: tʰít
Identische Wörter im Laotischen und Isan, unterschiedlich im Thai
Deutsch
Isan
Laotisch
Thailändisch
nein
บ่ (บ่อ), bɔː
ບໍ່, bɔː
ไม่, mâj
ja
แมน, män
ແມ່ນ, män
ใช่, chai
Fragewort (?)
บ๊อ bɔː´
ບໍ bɔː´
ไทย ma´j
sprechen
เว้า, vâw
ເວົ້າ, vâw
พูด, pʰûːt
wie viel
ท่อใด, tʰɔ̄ː dàj
ທໍ່ໃດ, tʰɔ̄ː dàj
เท่าไหร่, tʰâw ràj
zu tun
เฮ็ด, hēt*
ເຮັດ, hēt
ทำ, tʰam
lernen
เฮียน, hían
ຮຽນ, hían
เรียน, rian
Glass
จอก, t͡ʃɔ̏ːk
ຈອກ, t͡ʃɔ̏ːk
แก้ว, kɛ̂ːw
dort drüben
พู้น, pʰûn
ພຸ້ນ, pʰûn
โน่น, nôːn
Obst
หมากไม้, mȁːk mâj
ໝາກໄມ້, mȁːk mâj
ผลไม้, pʰǒn láʔ máːj
zu viel
โพด, pʰôːt
ໂພດ, pʰôːt
เกินไป, kɤn paj
rufen
เอิ้น, ʔɤˆːn
ເອີ້ນ, ʔɤˆːn
เรียก, rîːak
ein bisschen
หน่อยนึง, nɔ̄ːy nɯ¯ŋ
ໜ່ອຽນຶ່ງ, nɔ̄ːj nɯ¯ŋ
นิดหน่อย, nít nɔ`ːj
Haus, Zuhause
เฮือน, hɯ´ːan
ເຮືອນ, hɯ´ːan
บ้าน, bâːn
absenken
หลุด, lút
ຫຼຸດ (ຫລຸດ), lút
ลด, lót
Wurst
ไส้อั่ว, sȁj ʔua
ໄສ້ອ່ົວ, sȁj ʔūa
ไส้กรอก, sâj krɔ̀ːk
laufen
ย่าง, ɲāːŋ
ຍ່າງ, ɲāːŋ
เดิน, dɤːn
älteres Kind
ลูกกก, lûːk kók
ລູກກົກ, lûːk kók
ลูกคนโต, lûːk kʰon toː
Frangipani
ดอกจำปา, dɔ̏ːk t͡ʃam paː
ດອກຈຳປາ, dɔ̏ːk t͡ʃam paː
ดอกลั่นทม, dɔ`ːk lân tʰom
Tomate
หมากเล่น, mȁːk lēːn
ໝາກເລັ່ນ, mȁːk lēːn
มะเขือเทศ, mâʔ kʰɯ̌ːa tʰêːt
viel
หลาย, lǎːj
ຫຼາຍ, lǎːj
มาก, mâːk
Schwiegervater
พ่อเฒ่า, pʰɔ̄ː tʰȁw
ພໍ່ເຖົ້າ, pʰɔ̄ː tʰȁw
พ่อตา, pʰɔ̑ː taː
aufhören,stopp
เซา, sáw
ເຊົາ, sáw
พอ
mögen
มัก, māk
ມັກ, māk
ชอบ, tɕʰɔ̂ːp
viel Glück
โซกดี, sôːk diː
ໂຊຄດີ, sôːk diː
โชคดี, tɕʰôːk diː
lecker
แซบ, sɛ̂ːp
ແຊບ, sɛ̂ːp
อร่อย, ʔàʔ rɔ`j
Spaß
ม่วน, mūan
ມ່ວນ, mūan
สนุก, sàʔ nùk
wirklich
อิหลี, ʔīː lǐː
ອີ່ຫຼີ, ʔīː lǐː
จริง, tɕiŋ
elegant
โก้, kôː
ໂກ້, kôː
หรูหรา, rǔː rǎː
Kuh, Ochse
งัว, ŋúaː
ງົວ, ŋúaː
วัว, wua
Pronomen
Wie im Thailändischen unterscheidet man zwischen formellen, allgemeinen und vulgären Pronomen. Vulgäre Pronomen sollten nur im engsten Kreis verwendet werden. Das formelle Ich ist
ข้าน้อย [kʰâːnɔ̑ːj]. Es setzt sich aus Wörtern Diener und Klein zusammen. Das allgemeine Ich lautet ข้อย [kʰɔ̂j]. Zuhause im engsten Kreis กู [ku:] (guu). Im Plural verwendet man oft das Wort หมู่ [mù:]. Das formelle Wir heißt auf Isan หมู่ข้าน้อย, im Alltag หมู่เฮา [mùːhȃw] oder schlicht เฮา. Einige Sprecher verwenden พวก [phuak] anstelle von หมู่ , also พวกข้าน้อย oder พวกเฮา. Das formelle Ihr ist dasselbe wie in Thai ท่าน [tʰâːn], plural also หมู่ท่าน. Im Allgemeinen verwendet man เจ้า [tɕȃw], was man mit Prinz übersetzen kann. Mit หมู่เจ้า oder พวกเจ้า werden also mehrere Personen adressiert. Mit มึง [mɯ́ŋ] (müng) sollten nur enge Freunde adressiert werden. Für Er Sie und Es wird im Isan das Wort เพิ่น [pʰɤ̄n] (pön) verwendet, wenn man achtungsvoll von einer Person redet. Für mehrere Personen wird ขะเจ้า [kʰáʔtɕȃo] (kadjau) verwendet. Normalerweise aber verwendet man wie im Thai das Wort เขา [kʰăo] (kau). Alternativ kann man aber auch ลาว [láːo] verwenden. Als nicht höflich gilt มัน [mán]. Normalerweise werden damit Sachen bezeichnet, aber man kann schon hören, dass damit z. B. Ausländer verächtlich bezeichnet werden. หมู่เขา und หมู่ลาว wird für mehrere Personen verwendet, aber auch พวกเขา und พวกลาว. Während im Thai Pronomen oft weggelassen werden können, ist das in Isan nicht üblich.
Beispiele
Deutsch
Isan
Laotisch
Thailändisch
Ich liebe dich
ข่อยฮักเจ้า koi hak djau
ຂ້ອຍຮັກເຈົ້າ koi hak djau
ฉันรักคุณ chan rak kun
Hast du bereits gegessen?
เจ้ากินข้าวล่ะบ่อ djau gin khao la bo
ເຈົ້າກິນເຂົ້າແລ້ວບໍ djau gin khao läo bo
คุณกินแล้วหรือยัง khun gin khao rü yang
Das schmeckt sehr gut
แซ่บหลาย säp lai
ແຊບຫຼາຍ säp lai
อร่อยมาก aroi mak
Ich vermisse dich
ข่อยคิดฮอดเจ้า koi kit hod djau
ຂ້ອຍຄິດຮອດເຈົ້າ koi kit hod djau
ฉันคิดถึงคุณ chan kit tüng khun
Woher kommst du?
เจ้ามาแต่ไส djau ma dtä sai
ເຈົ້າມາແຕ່ໃສ djau ma dtä sai
คุณมาจากไหน khun ma djak nai
Wohin gehst du?
เจ้าสิไปไส djau si bai sai
ເຈົ້າກໍາລັງຈະໄປໃສ djau gamlang dja baai sai
คุณกำลังจะไปไหน khun gamlang dja bai nai
Macht nichts!
บ่อเป็นหยัง bo bpen jang
ບໍ່ເປັນຫຍັງ bo bpen jang
ไม่เป็นไร mai bpen rai
Wie alt bist du?
เจ้าอายุเท่าใด djau aju tau dai
ເຈົ້າອາຍຸຈັກປີ djau aju djak bpi
คุณอายุเท่าไร khun aju tau rai
Ich verstehe nicht
ข่อยบ่ฮู่เรื่องดอก koi bo hu lüang dok
ຂ້ອຍບໍ່ຮູ້ເລື່ອງ koi bo hu lüang
ฉันไม่รู้เรื่อง chan mai ru rüang
Wie heißt du?
เจ้าซื่อหยัง djau sü jang
ເຈົ້າຊື່ຫຍັງ djau sü jang
คุณชื่ออะไร khun djü arai
Hast du Spaß?
มวนบ๊อ muan bo
ມັນມ່ວນບໍ man muan bo
สนุกไหม sanuk mai
Ich gehe nach Hause zurück
ข่อยกำลังจะกับบ้าน koi gamlang gap baan
ຂ້ອຍກຳລັງກັບບ້ານ koi gamlang gap baan
ฉันกำลังจะกลับบ้าน djan gamlang dja glap baan
Literatur
James R. Chamberlain: Review of: Isan-Thai-English dictionary, by Preecha Phinthong, compiler. In: Mon-Khmer Studies. Bd. 21, 1992, ISSN0147-5207, S. 247–249.
John Draper: Isan. The planning context for language maintenance and revitalization. In: Second Language Learning & Teaching. Band 4, wce.wwu.edu (PDF; 142 kB)
↑David Bradley: Languages of Mainland South-East Asia. In: The Vanishing Languages of the Pacific Rim. Oxford University Press, Oxford/New York 2007, S. 301–336, auf S. 312.
↑Saowanee T. Alexander, Duncan McCargo: Diglossia and identity in Northeast Thailand: Linguistic, social, and political hierarchy. In: Journal of Sociolinguistics, Band 18, Nr. 1, Februar 2014, S. 60–86.
↑S. Premsrirat: Thailand. Language Situation. In: Encyclopedia of language & linguistics. 2. Auflage. Band 1. Elsevier, Amsterdam u. a. 2006, S. 643.
↑William A. Smalley: Linguistic Diversity and National Unity. Language Ecology in Thailand. University of Chicago Press, Chicago 1994, S. 200.
↑Barbara Grimes: East Mon-Khmer Languages. In: William J. Frawley: International Encyclopedia of Linguistics. 2. Auflage. Band 1. Oxford University Press, Oxford / New York 2003, S. 488.