Fishers Vater war Lehrer und Gemeindepfarrer und erzog seinen Sohn zu dem Glauben, dass er ein nützliches Mitglied der Gesellschaft sein müsse. Irving Fisher zeigte früh eine mathematische Begabung und eine Neigung zum Erfinden. Eine Woche nachdem er an der Yale-Universität zugelassen wurde, starb sein Vater im Alter von 53 Jahren. Trotzdem begann Fisher sein Studium und unterstützte seine Mutter und seinen Bruder finanziell aus seiner Lehrtätigkeit als Tutor.
Fishers stärkstes Fach war Mathematik, aber Volkswirtschaftslehre entsprach mehr seinen Vorstellungen davon, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Für seine Karriere und seine Dissertation entschied er sich, beides zu verbinden, und arbeitete auf dem Gebiet der mathematischen VWL. 1891 erhielt er den ersten Doktorgrad in Ökonomie, der an der Yale University verliehen wurde. Seine Doktorväter waren der Physiker Josiah Willard Gibbs und der Ökonom William Graham Sumner. Als Fisher mit seinen Arbeiten begann, war ihm nicht klar, dass es bereits substantielle Beiträge auf dem Gebiet der mathematischen Ökonomie gab. Allerdings erreichten seine Arbeiten sehr schnell ein hohes Niveau, und seine Beiträge wurden auch von europäischen Ökonomen als erstklassig aufgefasst.
1898 – Fisher war bereits Professor an der Yale University und verheiratet – wurde bei Fisher Tuberkulose diagnostiziert. Nach einem dreijährigen Sanatoriumsaufenthalt kehrte er zu seiner Arbeit zurück. In der Öffentlichkeit wurde er durch ein Buch bekannt, das sich mit Fragen von Gesundheit und Hygiene beschäftigt. Fisher war außerdem ein überzeugter Eugeniker.
Durch den großen Börsenkrach von 1929 und die sich anschließende Weltwirtschaftskrise verlor Fisher sein Vermögen, das er sich mit seiner Kartenindex-Erfindung, einem Vorläufer von Rolodex, erarbeitet hatte. Wenige Tage vor dem Börsenkrach machte Fisher – der auch ein Unterstützer des damaligen Präsidenten Herbert Hoover war – seine berühmte Aussage, dass „Aktienkurse ein – wie es scheint – dauerhaft hohes Niveau erreicht haben.“[3] Selbst in den Monaten nach dem Börsencrash fuhr er fort, Investoren zu versichern, dass eine Erholung bald kommen würde. Als die Weltwirtschaftskrise auf ihrem Höhepunkt war, begann er vor den wirtschaftlichen Gefahren der Deflation zu warnen. Das Preisniveau blieb zentral in seinem Denken, aber seine Schulden-Deflationstheorie betonte die steigende reale Last von Schulden bei fallendem Preisniveau. Die Analyse konnte nicht überzeugen, und diejenigen, die nach neuen Ideen suchten, wandten sich stattdessen den Ideen von Keynes zu.
In den 1930er Jahren befürwortete Fisher die Idee eines Vollreserve-Systems. Nachdem der Chicago Plan nicht umgesetzt wurde, verbrachte er den Rest seines Lebens damit, als Lobbyist den Kongress und die Öffentlichkeit von „100%-Money“[4] zu überzeugen.[5] In den Jahren 1932/33 unterstützte er die Idee des umlaufgesicherten Geldes von Silvio Gesell. Nach erfolglosen Bemühungen, die Roosevelt-Administration davon zu überzeugen,[6] verfasste er unter dem Titel „Stamp Scrip“[7] ein Handbuch zur lokalen Einführung des Klebemarkengeldes.
Fisher war immer sehr darum besorgt, Leben in seine Analysen zu bringen. Obwohl seine Bücher und Artikel von für seine Zeit ungewöhnlicher mathematischer Natur waren, gelang es ihm doch, seine Theorie einleuchtend zu präsentieren. Sein Nachlass befindet sich in der Bibliothek der Yale University.[8]
Forschung
Geldtheorie
Seine Forschungsarbeiten zur Grundlagentheorie berührten noch nicht die sozialen Fragen seiner Zeit. Dies änderte sich jedoch, als sich Fisher Fragen der Geldtheorie zuwandte, die zum Mittelpunkt seines Werkes wurden. Zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es in den USA Uneinigkeit über die Frage des Geldstandards: sollte der Wert des Dollars den Marktkräften überlassen bleiben oder an den Wert einer bestimmten Menge von Silber oder Gold gebunden werden, oder eine Kombination aus beidem? Eine Bindung an Silber (oder Gold) ohne Begrenzung der Prägungsmenge war insbesondere im Interesse von Minenbesitzern im Westen der USA sowie von Farmern, die sich von einer Geldexpansion eine Steigerung der Preise von Farmerzeugnissen versprachen. Ebenso erhofften sich Schuldner eine reale Entlastung im Zuge einer Geldmengenexpansion (Freisilberbewegung).
Phillips-Kurve vorweggenommen
Fisher beschäftigte sich darüber hinaus mit einer abstrakten Analyse des Verhaltens von Zinssätzen bei sich veränderndem Preisniveau und nahm damit die Erkenntnisse der Phillips-Kurve vorweg. Während mehr als vierzig Jahren arbeitete Fisher an seiner Vorstellung von den schadhaften Wirkungen eines „Tanz des Dollars“ und entwarf Wege, um das Preisniveau zu stabilisieren. Statistische Analysen spielten eine entscheidende Rolle, um zu begründen, warum das Preisniveau einer Stabilisierung bedurfte. Fisher war einer der Pioniere in der Anwendung der Korrelationsanalyse in der VWL, und in den 1920er Jahren führte er die Technik der „distributed lag analysis“ ein. Einer seiner Artikel über den statistischen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Änderungen des Preisniveaus wurde 1973 wiederaufgelegt und im Journal of Political Economy unter dem Titel „I discovered the Phillips curve“ (Ich entdeckte die Phillips-Kurve) veröffentlicht.
Zinstheorie
Er unterstrich die Trennung von realen und nominalen Zinssätzen, eine Trennung, die heutzutage fundamental ist für die Analyse von Inflation.
Geldillusion
Fisher glaubte, dass Menschen in unterschiedlicher Weise der Geldillusion unterlägen: Sie haben Schwierigkeiten damit, hinter das Geld und auf die Güter zu schauen, die sich mit Geld kaufen lassen. In einer Idealwelt würden sich Veränderungen im Preisniveau nicht auf Produktion und Beschäftigung auswirken, aber in der Realität der Geldillusion konnten Inflation und Deflation ernsthaften Schaden anrichten.
Indexzahlen
Indexzahlen spielten eine bedeutende Rolle in seinen Techniken als Geldtheoretiker, und sein Buch The Making of Index Numbers war ein einflussreicher Beitrag.
Klassiker der Volkswirtschaftslehre
Fisher war ein sehr produktiver Autor, der theoretische Abhandlungen verfasste und gleichzeitig in journalistischen Beiträgen die Probleme des Ersten Weltkriegs, der goldenen zwanziger Jahre und der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren aufgriff. Sein bekanntestes Buch The Purchasing Power of Money (1911) legte die Quantitätstheorie aus – seine Erklärung der Bestimmungsgründe des Preisniveaus – und sein immer noch beachtetes Buch „Theory of Interest“ (1930) fasste seine Sichtweise der Effekte von Preisniveau auf den Zinssatz ebenso zusammen wie die realen Kräfte unter den nominalen Größen.
Einsatz für Gesundheitskampagnen und Eugenik
Gesundheitskampagnen
1898 wurde bei Fisher Tuberkulose festgestellt, an der schon sein Vater gestorben war. Die drei Jahre, die er zur Gesundung in einer Heilanstalt verbrachte, führten ihn dazu, sich aktiv für einen gesunden Lebensstil der Bevölkerung einzusetzen. Er wurde zum Mitbegründer des Instituts zur Verlängerung des Lebens (Life Extension Institute), unter dessen Schirmherrschaft er 1915 seinen Bestseller How to Live: Rules for Healthful Living Based on Modern Science veröffentlichte. Er befürwortete unter anderem regelmäßige körperliche Betätigung und die Vermeidung von rotem Fleisch, Tabak und Alkohol.
Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens
Die hier dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnisse gegen das Rauchen stellte er erneut 1924 in einem Artikel des Reader’s Digest dar. Fischer verglich die Wirkung des Nikotins mit anderen Drogen und stellte Tier-Experimente dar, die die arteriosklerotische und toxische Wirkung des Rauchens bewiesen hatten. Aufgrund seiner statistischen Forschungen war ihm auch der Zusammenhang zwischen Nikotinmissbrauch und erhöhter Sterblichkeit bekannt. Außerdem stellte er Untersuchungen zur sportlichen Leistung an und stellte fest, dass Leistungsfähigkeit und Lungenkapazität durch das Rauchen gemindert wurden.[9]
Unterstützung des Alkoholverbots
Fisher unterstützte das gesetzliche Alkoholverbot und verteidigte es in mehreren Broschüren mit dem Hinweise auf die Folgen für die Volksgesundheit und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.[10]
Eugenik
Er verteidigte auch die Prinzipien der Eugenik und wirkte im wissenschaftlichen Rat der offiziellen Behörde für Eugenik mit. Er war auch der erste Präsident der Amerikanischen Gesellschaft für Eugenik.[11]
Schizophreniebehandlung
Als seine Tochter Margaret an Schizophrenie erkrankte, ließ Fischer sie im New Jersey State Hospital at Trenton behandeln. Direktor dieser Einrichtung war der Psychiater Henry Cotton. Cotton vertrat die „focal Sepsis“- Theorie, die Geisteskrankheiten auf Infekte in den Zahnwurzeln, im Darm und anderen Organen zurückführte. Cotton befürwortete die chirurgische Entfernung des infizierten Gewebes. Margaret Fisher wurden dementsprechend Teile ihres Darms entfernt, was zu ihrem Tode führte. Irving Fisher blieb jedoch weiterhin von der Richtigkeit der Behandlung überzeugt.[12]
Veröffentlichungen
Mathematical Investigations in the Theory of Value and Prices. 1892 (Digitalisierte 2. Auflage von 1926 unter: urn:nbn:de:s2w-12372)
Appreciation and interest. Macmillan, New York 1896
A brief introduction to the infinitesimal calculus, designed especially to aid in reading mathematical economics and statistics. Macmillan, New York / London 1897
Kurze Einleitung in die Differential und Integralrechnung (Infinitesimalrechnung). B. G. Teubner, Leipzig 1904
The Nature of Capital and Income. Macmillan, New York / London 1906
The Rate of Interest. Macmillan, New York 1907 (PDF; 14,86 MB (PDF; 14,9 MB) )
Introduction to Economic Science. Macmillan, New York 1910
↑Irving Fisher, Prohibition at Its Worst (New York: Macmillan, 1926); Prohibition Still at Its Worst (New York: Alcohol Information Committee, 1928); The Noble Experiment (New York: Alcohol Information Committee, 1930).
↑Ruth C. Engs: The Progressive Era’s Health Reform Movement: A Historical Dictionary. Greenwood Publishing Group, 2003, ISBN 978-0-275-97932-4, S.121.