Institutiones divinarum et saecularium litterarumInstitutiones divinarum et saecularium litterarum (Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften) ist eine Schrift des Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator in lateinischer Sprache. Der Autor wird meistens kurz Cassiodorus oder Cassiodor genannt. Er hatte den Plan verfolgt, eine christliche Universität nach dem Vorbild der Schule von Nisibis zu gründen, was die Zeitläufte verhinderten.[1] Anknüpfend daran schrieb er zwischen 552 und 562 n. Chr.[2] in dem von ihm gegründeten Kloster Vivarium ein Werk in zwei Büchern zur Unterrichtung der dortigen Mönche. Die beiden Bereiche Theologie und Geistes- sowie Naturwissenschaften werden aber zu einer Einheit verklammert[3]. Zum einen ist es für Cassiodorus unstrittig, dass das Wissen der antiqui aus der Bibel stammt (Buch I, XXI, 2): Buch IAufbau und InhaltBuch I gliedert sich – numerus aetati Dominicae accommodus = dem Lebensalter des Herrn angepasst (Buch II, Praefatio, 1) – in 33 Kapitel. Die meisten beschäftigen sich mit der Bibel, sowohl der Bibelexegese, als auch dem Kopieren der Texte. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Klosterleben im Vivarium. Das letzte Kapitel enthält ein Gebet. Buch I: Bibel und BibelexegeseDie Bibel liegt Cassiodorus in der lateinischen Übersetzung des heiligen Hieronymus vor, dem er überschwängliches Lob zollt (Buch I, XXI). Er unterteilt den Text in 9 Codices und behandelt jeden in einem Kapitel. Dabei beschäftigt er sich kaum inhaltlich mit dem Text, sondern empfiehlt dem Leser jeweils eine Liste von Schriften, die weitgehend in der Klosterbibliothek vorhanden sind. Die am häufigsten genannten Autoren sind Augustinus, Ambrosius und Hieronymus. In den folgenden Kapiteln ergänzt er dies um weitere hervorragende Bibelexegesen (Buch I, XVI), Historiker aus der entsprechenden Zeit, wie Flavius Josephus (Buch I, XVII), Geographen wie Claudius Ptolemäus (Buch I, XXV), den von ihm außerordentlich geschätzten Dionysius Exiguus (Buch I, XXIII) und anderes mehr. Buch I: KopistentätigkeitDas Kopieren und Pflegen der Texte scheint eine ähnliche Bedeutung wie ihr Studium gehabt zu haben und wird von Cassiodorus mehr als die körperliche Arbeit geschätzt. Jedes Wort, das im Dienste des Herren kopiert werde, schlage dem Satan eine Wunde (Buch I, XXX, 1). Er fördert auch die Übersetzung vom Griechischen ins Lateinische und erwähnt drei Männer, anscheinend keine Mönche, sondern Freunde, Presbyter, gelehrte Männer, die solche Übertragungen für ihn vornehmen (u. a. Buch I, VI, 6). Buch I: Kloster und KlosterregelIn Buch I, XXVIIII entwirft Cassiodorus ein schönes Bild des Klosters Vivarium, nahe dem Meer eingebettet zwischen Mühlen, Fischteichen und Gärten. Den mit der Gartenpflege beschäftigten Mönchen empfiehlt er die Fachschriftsteller Lucius Iunius Moderatus Columella, Gargilius Martialis und Palladius Rutilius Taurus Aemilianus. Insbesondere von den Werken der beiden letzteren, sagt er, habe er Abschriften zur Verfügung gestellt (Buch I, XXVIII, 6). Zur Bequemlichkeit der Mönche gibt es eine Sonnenuhr, eine Wasseruhr und mechanische Öllampen (Buch I, XXX, 4 und 5). Buch IIIn Buch II behandelt Cassiodorus die weltlichen Wissenschaften. Er gliedert sie in die 7 Kapitel Grammatik, Rhetorik, Logik oder Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Den Grund für diese Aufteilung nennt er in seinem Proömium nicht. Möglicherweise ist er von Marcus Terentius Varro beeinflusst, der ebendiese Wissenschaften mit 2 zusätzlichen in seiner disciplinae aufführt[4]. Ebenfalls diese 7 Wissenschaften behandelt Martianus Capella, den Cassiodorus erwähnt (Buch II, III, 20). Mehrfach diskutiert er auch die Frage, ob man von disciplinae = Wissenschaften oder artes = Künste sprechen sollte (u. a. Buch II, II, 17). Die 7 Kapitel haben sehr unterschiedliches Gewicht. Die Dialektik ist das bei weitem umfangreichste. Geometrie und Astronomie sind nur kurze Skizzen. Buch II: GrammatikCassiodorus verweist in diesem knappen Kapitel auf die beiden Bücher Ars minor und Ars maior des Aelius Donatus, die sich in der Klosterbibliothek befinden. Einiges daraus zitiert er wörtlich, von der Definition des Buchstaben bis zur Definition der Redefigur. Buch II: RhetorikDie Rhetorik ist die Lehre der weltlichen Wissenschaften die Fähigkeiten zur wohlgesetzten Rede in staatsbürgerlichen Fragen. Cassiodorus zitiert Marcus Fabius Quintilianus, Atilius Fortunationus (einen Rhetoriker des 4ten Jahrh. n. Chr. ?) und einige Schriften des Marcus Tullius Cicero. Das Sachgebiet wird in mehrerer Weise unterteilt und erörtert, nach den Anforderungen an den Redner (Stofffindung, Stoffanordnung, Stilisierung, Auswendiglernen, Vortrag) (Buch II, II, 2), nach der praktischen Situation (u. a. Beschuldigung, Rechtfertigung, Gnadengesuch) (Buch II, II, 5), nach den Teilen der Rede (Einleitung, Darlegung, Gliederung, Begründung, Widerlegung und Schluss) (Buch II, II, 9) und weitere. In Abschnitt 16 leitet Cassiodorus wieder auf die Situation der Mönche über: auswendig gelernt wird auch die Heilige Schrift; die Kunst des Vortrags lernt er beim laut Lesen der Heiligen Schrift; das Singen der Psalmen wird seine Sprechweise fördern. Buch II: DialektikDieses Kapitel bildet schon rein mengenmäßig den Schwerpunkt von Buch II, da es etwa 1/3 ausmacht. Cassiodorus räumt der Dialektik oder Disputierkunst den größten heuristischen Wert ein; sie ist für ihn "spekulative Philosophie"[5]. Als Quellen nennt er hauptsächlich Marius Victorinus, die Werke des Aristoteles, auch durch die Vermittlung des Boethius und die Schriften Ciceros, insbesondere Topica. Buch II: ArithmetikCassiodorus bettet die Arithmetik, also die fachspezifischen Definitionen, in 2 spekulative Komplexe der Arithmologie ein[10]. Zu Beginn des Kapitels bringt er Pythagoras in Einklang mit einem Prophetenwort. Am Ende ab Abschnitt 7 preist er die Zahl als hilfreiche Ordnungsmacht, die Gott dem Menschen gespendet habe. Er entfaltet dann als erster christlicher Autor in einer Schrift zu wissenschaftlichen Themen eine Mystik der Zahlen 1 bis 7[11], die sich an der Bibel orientieren, wie 1 = Dominus unus (der Eine Gott), 5 = die 5 Bücher Moses etc. In den Abschnitten 3 bis 6 entfaltet Cassiodorus die griechische Arithmetik. Er folgt dabei weitgehend, wie er selbst angibt, dem Werk des Anicius Manlius Severinus Boethius (De institutione arithmetica), das er als Übersetzung des Nikomachos von Gerasa kennt. Definitionen, die Natürliche Zahlen betreffend, wie par/impar (gerade/ungerade Zahl), perfectus (vollkommene Zahl), primus/simplex (Primzahl), superpartitionalis (Überlegungen zur rationalen Zahl) usw. werden sachlich und knapp dargestellt. Allerdings ist Boethius in Buch I bis Buch II, 3 wesentlich ausführlicher. Die folgenden geometrischen Erörterungen (Abschnitt 6) werden von Cassiodorus sehr ungenau wiedergegeben. Es entspricht zwar der superficialis numerus, der durch Länge und Breite definiert ist, also die Fläche, der plana superficies bei Boethius (Buch II, 4). Dessen ausführliche Beschreibung der Polygonalzahlen verkümmern aber zu wenigen Zeichnungen. Von der ausführlichen Erörterung des solidus numerus (Körper) bleibt nur die Nennung von Pyramide und Kubus. Buch II: MusikAuch in diesem Kapitel rahmt Cassiodorus die fachwissenschaftlichen Inhalte durch allgemeine Ausführungen ein, die christliche/biblische Vorstellungen und Ereignisse mit antiken, hauptsächlich Pythagoräischen mischen. Buch II: GeometrieIm 1ten Teil verweist Cassiodorus kurz auf die Landvermessung. Die umfangreiche lateinische Literatur der Agrimensoren liegt ihm anscheinend nicht vor. Buch II: AstronomieDer Autor trägt Textstellen zusammen, die in der Bibel von Sonne und Gestirnen handeln (Buch II, VII, 1), so etwa der Stern der Magier, der nach Bethlehem führt[14]. Überleben und ÜberlieferungObwohl Isidor von Sevilla den Autor nicht nennt, ist es wahrscheinlich, dass er diese Schrift kannte und in seiner Etymologiae benutzte[16]. Auch Hrabanus Maurus las und benutzte Buch II der Institutiones, nicht aber Buch I, das insgesamt wenig Einfluss auf das theologische Studium des frühen Mittelalters hatte[17]. Während Buch I durch das Kopieren nur wenig verändert wurde, liegt Buch II in drei stark abweichenden Fassungen vor. Dies legt die Möglichkeit einer späteren Überarbeitung durch Cassiodor selbst oder einen anderen Autor nahe. Auch der Titel des Buches II variiert. Jacques Paul Migne nahm es als De artibus ac disciplinis liberalium litterarum in die Patrologia Latina auf. Ausgaben und Übersetzungen
Literatur
Anmerkungen
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