Biow war der Sohn des jüdischen Malers Raphael Biow[3] und der Rahel (Resel), genannt Rosalie[4] Biow, geb. Scholin.[5] Über seinen Ausbildungsgang ist wenig bekannt; dass er „keine biografischen Nachschriften von sich mittheilen“ wollte, konstatiert bereits kurz nach seinem Tod das Lexikon der hamburgischen Schriftsteller von 1851.[6]
Biow arbeitete zunächst als Maler[7][8] und Schriftsteller.[9] Er hatte vermutlich schon eine Weile in Hamburg gelebt, bevor er sich der Daguerreotypie zuwandte. 1836 lebte er als Maler und Lithograph in Berlin. Im Juli 1837 traf er aus Breslau in Hamburg ein.[10] 1838 veröffentlichte er eine biografische Skizze über den Geiger Ole Bull in Altona.[11][12] Zwei weitere Texte wurden im gleichen Jahr von der „Herold‘schen Buchhandlung“ herausgebracht, deren Inhaber wie Biow aus Breslau stammten.[13] Biow schrieb ebenso anonyme Theaterkritiken in den „Originalien“.[14] Es waren die letzten Jahre des über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannten Friedrich Ludwig Schmidt als Theaterdirektor am Stadt-Theater.
Einen Monat nach der Veröffentlichung des Patentes von Daguerre im August 1839 wurde in den Ausgaben Nr. 29 des Allgemeinen Polytechnischen Journals vom 14. September[15] und Nr. 30 vom 21. September 1839[16] in einem Artikel unter dem Titel: „Das Daguerrotyp und Liepmann’s Oelbilderdruck“ das Verfahren ausführlich dargestellt. Herausgeber und Hauptredakteur war der in Hamburg lebende Johannes Andreas Romberg (1806–1868), der 1835 einen Entwurf für eine polytechnische Schule vorgelegt hatte. Romberg ließ bei Ludwig Wilhelm Anthes in Hamburg drucken. Bereits zwei Monate später, im Oktober 1839, gelang es in Hamburg dem Mechaniker Rudolph Koppel,[17] Daguerreotypien herzustellen. Interessanterweise stellte Wilhelm Weimar in seinem Aufsatz „Die Daguerreotypie in Hamburg“ keinerlei Überlegungen oder Vermutungen an, wo und wie Hermann Biow mit der Handhabung der Daguerreotypie vertraut gemacht wurde.[18] Gegen Ende des Jahres 1839 werden in der Kunsthandlung der Gebrüder Spiro in der Bleichenbrücke und bei dem Optiker Edmund Gabory die ersten Daguerreotypien aus Paris ausgestellt.
Hermann Biow eröffnete am 15. September 1841 sein Atelier in Altona.[19] Ab Mai 1843 war Biows Atelier im Neuen Wall 24 (später 52).[20] In dem Bericht von Wilhelm Weimar über Hermann Biow sind nur sehr spärliche Informationen zu den Räumlichkeiten seines Ateliers im Neuen Wall/Ecke Bleichenbrücke zu entdecken. Weimar erwähnte zwar Biows Anzeige vom 12. Mai 1843 von der Eröffnung „meines neuerbauten Daguerreotyp-Ateliers“,[21] machte aber keine Ausführungen, welche baulichen Maßnahmen vorgenommen worden waren. Rüdiger Articus verwies auf eine zeitgenössische Lithographie von Charles Fuchs, die das neuerrichtete vier geschossige Gebäude mit einem flachen Dach abbildete.[22] Auch die Örtlichkeit, an der die Aufnahmen durchgeführt werden sollten, wurde von Weimar an keiner Stelle beschrieben. Eine gelungene Daguerreotypie setzte voraus, dass hinreichend viel Tageslicht von konstanter Intensität über eine Dauer von ca. 3 min zur Verfügung stand. Derartige Verhältnisse konnte man auf dem Dach eines Hauses oder im Freien (Garten) am ehesten finden. Articus vermutete, es handele sich dem Aussehen nach um ein „Glas- und Gewächshaus“. Der Hinweis in einer Anzeige, „an kälteren Nebeltagen sei die Lichtwirkung besser als klarer Sonnenschein“, kann darauf hindeuten, dass auf dem Dach daguerreotypisiert wurde. Als Dekoration reichten ein Vorhang als Hintergrund und ein Stuhl mit Tisch aus. Mit dem Begriff „Atelier“ könnten daher zunächst die Räumlichkeiten benannt worden sein, in denen alle weiteren notwendigen Arbeiten stattgefunden hatten (Zitat: „Das Atelier ist unverändert;… über dem optischen Laden der Herren Campbell’s Nachfolger.“)
Von September 1842 bis Ende März 1843 arbeitete Biow mit dem Fotografen Carl Ferdinand Stelzner in dem Dagurreotypie-Atelier Caffamacherreihe 32 zusammen.[23] Ab 1845 lernte er seine Schwester Jenny Bossard-Biow als Daguerreotypistin an. Ab 1846 begab er sich auf Deutschlandreise. Im Juli zeigte er seine Rückkehr an. Während seiner Abwesenheit übernahm seine Schwester die Leitung des Ateliers.[24] Während der Frankfurter Nationalversammlung portätierte Biow zahlreiche Parlamentarier.[25] Diese Porträts, die größtenteils auch lithografiert wurden, wurden im Herbst 1848 in Leipzig und ab April 1849 im sächsischen Kunstverein in Dresden ausgestellt. Während des Dresdner Maiaufstandes (3. bis 9. Mai 1849) wurde Biows neu gegründetes Atelier teilweise zerstört.[26]
1850 starb Hermann Biow im Alter von 40 oder 45 Jahren in Dresden an einem Leberleiden, das möglicherweise auf das Einatmen von Quecksilberdämpfen bei der Herstellung der Daguerreotypien zurückzuführen ist.[27]
Nach dem Tod Hermann Biows reklamierte laut Adressbucheintrag der „Daguerreotypist“ Peter Wilhelm Drenckhahn, „Biow’s Nachfolger“ zu sein. Es blieb bei einem Eintrag. Im Oktober 1852 hatte der ehemalige Offizier der schleswig-holsteinischen ArmeeAugust Mencke die Räumlichkeiten übernommen und zeigte als „Photographisches Institut“ an.[28] 1856 übernahm der ehemalige Hauptmann Carl von Zeska für einige Jahre das Atelier. Bis zum Jahr 1898 lassen sich durchgehend Fotografen unter der Anschrift „Neuer Wall 52“ nachweisen.
Heute wird Biow als Begründer der deutschen Dokumentarfotografie angesehen. Nach dem großen Hamburger Brand im Mai 1842 hatte er 46 Daguerreotypien[32] von den Brandruinen angefertigt.[33] Er bot sie dem Verein für Hamburgische Geschichte zum Kauf an, der allerdings die Kosten für zu hoch hielt. Bis auf drei Platten in Hamburger Museen ist der Verbleib heute unbekannt.[27]
Anders als viele Zeitgenossen experimentierte Biow auch mit großformatigen Bildern (bis zu 32 × 26 cm).
Rüdiger Articus: Der Hamburger Daguerreotypist Hermann Biow. In: Photo Antiquaria, Nr. 134, März 2018 (Teil 1, S. 35 ff.) und Nr. 135, Juni (Teil 2, S. 11 ff.), Mitgliederzeitschrift des „Club Daguerre“ (Darmstadt).
Rüdiger Articus: Aus der Frühgeschichte der Photographie in Altona, in Schriften der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, Bd. 18, Heide/Holst. 1994. S. 43–48, (online, SUB Hamburg).
Enno Kaufhold: Hermann Biow und Carl Ferdinand Stelzer in Hamburg. Legenden, Fakten, Umschreibungen, Wahrscheinlichkeiten. In: Agfa Foto Historama (Hg.), Bodo von Dewitz, Reinhard Matz: Silber und Salz. Zur Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839–1860. Edition Braus, Köln, 1989, ISBN 3-925835-65-2, S. 352–403.
Fritz Kempe: Vor der Camera. Zur Geschichte der Photographie in Hamburg, Christians Verlag, Hamburg, 1976.
Reimar F. Lacher (Hg.): Die Macht des Porträts: Hermann Biow – Günter Linke – Thomas Peters. Positionen der Menschenfotografie. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2018. ISBN 978-3-95462-972-5.
Reimar F. Lacher: Hermann Biow und seine Sammlung „hervorragenden Persönlichkeiten“, in: Reimar F. Lacher (Hg.): Die Macht des Porträts, mdv Mitteldeutscher Verlag, Halle/S. 2017, S. 27–30, ISBN 978-3-95462-972-5 (erschienen anlässlich einer Ausstellung im Gleimhaus vom 30. September 2017 bis 7. Januar 2018).
315. Biow, (Hermann), in: Hans Schröder: Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, Band 1, Abatz – Dassovius, Hamburg 1851, S. 261 f. (Digitalisat).
Cephir (Pseudonym): Der Daguerreotypen-Krieg in Hamburg 1843 oder Saphir, der Humorist und Biow, der Daguerreotypist vor dem Richterstuhl des Momus, B.S. Berendsohn, Hamburg 1843.
Einzelnachweise
↑Seine evangelische Taufe fand am 23. April 1836 im Alter von 33 Jahren in Berlin statt, wobei der König von Preußen gestattete, dass er den Namen des Vaters erhält. Da seine Schwester Bluma Biow, spätere Berta Marie Elisabeth Zimmerlich, am 4. März 1804 geboren wurde († 26. Dezember 1870 in Hannover), kann seine Geburt nur 1803 erfolgt sein.
↑Meldung (Dresden, 21. Febr.) im Deutsches Kunstblatt, Leipzig, (Ausgabe von) Montag, den 4. März 1850, S. 70
↑Aron Heppner: Zur Jahrhundertfeier der Storch-Synagoge am 23. April (20. Nissan) 1929. In: Breslauer Jüdisches Gemeindeblatt. Amtliches Blatt der Synagogengemeinde zu Breslau, Jg. 6 (1929), Nr. 5 (April), S. 59–61 (Web-Ressource).
↑Vgl. die Angaben in dem bei FamilySearch ausgewerteten Sterbeeintrag seiner Schwester Berta Zimmerlich (Web-Ressource, nach Anmeldung entgeltfrei zugänglich).
↑315. Biow, (Hermann), in: Hans Schröder: Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, Band 1, Abatz – Dassovius, Hamburg 1851, S. 261 (Web-Ressource).
↑Neuerwall Nr. 23, Herr H. Biow v. Breslau (Angekommene Fremde In: Hamburger Nachrichten vom 6. Juli 1837, Seite 5
↑Ole Bull, eine biografische Skizze. J.C.H. Witt Hamburg (o. J.), (Verfasser und Zeichner: H. Biow, Digitalisat).
↑Meldung unter der Überschrift „Ole Bull's Büste.“ vom 16. Januar 1838 in den Hamburger Nachrichten: Biow habe eine Büste von Bull nach dem Vorbild von Jean-Pierre Dantan (Academy Collections Nr. Object No: 2003.1836. In: Royal Academy of Music, Digitalisat) in mehreren Exemplaren angefertigt, die in einigen Kunsthandlungen käuflich erworben werden konnte.
↑1567. Herold (Johann Heinrich), in: Hans Schröder (Hg.): Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, Bd. 3, S. 207
↑Der vollständige Titel der Zeitschrift lautete Originalien aus dem Gebiete der Wahrheit, Kunst, Laune und Phantasie. Sie wurde von 1817 bis 1849 von Hans Georg Lotz in Hamburg herausgegeben, siehe s:ADB:Lotz, Hans Georg.
↑Jürgen Sielemann: Koppel, Rudolph. In: Das Jüdische Hamburg. Institut für die Geschichte der deutschen Juden, abgerufen am 13. Juni 2018.
↑Ein Fotograf „H. Romberg“ übernahm 1862 das Atelier von Carl Ferdinand Stelzner. Es ist nicht bekannt, ob es Verbindungen zu Johannes Andreas Romberg gegeben hat.
↑Altonaisches Address-Buch für 1842 (Eintrag im Personenverzeichnis): „Biow, Hermann, Portraitmaler, heliographische Portraits, Königstr. 27“; für 1843: „Portraitmaler, heliographische Portraits, Königstr. 27, dessen Atelier auf dem Belvedere des Baumhauses in Hamburg“.
↑Blatt 11. Neuer Wall Blatt 6. Federlithographie von L. Stammel, ca.17,0 x 35,0 cm. Zeigt die Häuser mit den Hausnummern 50 bis 60 (alte Nummerierung) mit folgenden Firmen: (Tonhalle), Tavernier (Gaststätte), Navigation Warehouse Campbel & Co. (Successors), Gebr. Bing & Co., Buch- und Landkartenhandlung v. H. Gobert, H.M. Polack. In: Hamburgs Neubau. „Sammlung sämmtlicher Facaden der Gebäude an den neubebauten Strassen (u.) Details der Facaden von den vorzüglichsten Gebäuden aus Hamburgs Neubau“ als Anschluss und Erläuterung des Werks „Hamburgs Neubau Sammlung sämmtlicher Facaden etc.“ für Architecten, Bauhandwerker etc., so wie für alle welche sich für den Wiederaufbau Hamburg's (nach dem großen Brand von 1842) und den herrschenden Geschmack in den verschiedenen Baustylen interessiren. 2 Teile in 1 Bd, Hamburg, Verlag des Lithographischen Instituts und der Kunsthandlung v. Charles Fuchs, (1844–1848)
↑Ergibt sich aus Anzeigen in den Hamburger Nachrichten, (siehe Disk)
↑Das später erschienene Werk trug den Titel „Die Männer des deutschen Volkes“ oder „Deutsche National-Gallerie“ und wurde in mehreren Bänden im Frankfurter Verlag S. Schmerber'sche Buchhandlung hergestellt.
↑Wissenschaft und Kunst. Die Dresdner Kunstsammlungen in den Schreckenstagen. In: Dresdner Journal und Anzeiger. 21. Mai 1849, S. 5
↑ abMatthias Gretzschel: Das erste Foto von Hamburg. Hamburger Abendblatt, 24. Dezember 2002, abgerufen am 29. März 2017.