Henri Fazy entstammte der Familie Fazy[1] und war der Sohn von Louis-Philippe Fazy (* 3. Dezember 1808 in Genf; † 9. Juli 1867)[2], Lehrer für französische Sprache und Literatur an der bürgerlichen Mädchenschule in Bern[3], und dessen Ehefrau Hélène (geb. Meyer; * 1811; † 11. März 1875); sein Bruder war der Jurist George Fazy (1846–1924)[4], der mit Marie[5] (* 1821), der Tochter von Michel Margaritesco (* 1821), verheiratet war.
Er legte im Archäologischen Museum von Genf die Sammlung Musée épigraphique, in der sich in Genf gefundene römische und mittelalterlichen Inschriften befanden, an und war darauf von 1862 bis 1864 als Konservator am Archäologischen Museum tätig.
Seit 1863 war er auch Lehrer für Schweizer Geschichte am Genfer Collège industriel et commercial (Industrie- und Handelsschule) und von 1864 bis 1866 Archivar im Staatsarchiv[9] sowie von 1885 bis zu seinem Tod Direktor des Staatsarchivs in Genf.
Er wurde 1869 von der RepublikUruguay zum Vizekonsul ernannt und ihm wurde das Exequatur erteilt[10]; 1876 wurde ihm das Exequatur als Konsul der Republik Peru erteilt.[11][12]
1890[13] wurde er ausserordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Genf und lehrte dort bis 1898.
Er veröffentlichte zahlreiche Werke und Artikel über Genf im 16. Jahrhundert, unter anderem über die Neutralität von Savoyen und die Verfassung.
Politisches und gesellschaftliches Wirken
Henri Fazy war von 1868 bis 1875 sowie von 1886 bis 1920 radikaler Genfer Grossrat; 1870[14] wurde er zum Sekretär des Grossrats und 1878[15], 1879[16] und 1899[17] zum Vizepräsidenten gewählt. Von 1870 bis 1875 und von 1897 bis 1920 war er Staatsrat und leitete das Departement der Finanzen[18]; seine Leitung des Finanzdepartements, insbesondere die Einführung der Vermögenssteuer[19], gab Anlass zu Kritik, vor allem von Seiten von Gustave Ador. 1918 sprach er sich gegen die Einführung einer Direkten Bundessteuer aus, weil dies eine dauerhafte Steuer sei, die die Kantone entmündigen würde.[20]
Im Staatsrat war er innerhalb von achtundzwanzig Jahren neunmal Präsident[21], unter anderem 1899 Vizepräsident[22], 1901[23] Vizepräsident, 1902[24] Präsident, 1903 Präsident[25], 1905[26] Präsident, 1906[27] Vizepräsident, 1908[28] Präsident und darauf[29] Vizepräsident, 1909[30] Präsident, 1910[31] Vizepräsident, 1911[32] Präsident, 1912[33] Vizepräsident, 1913 Präsident[34], 1914 Vizepräsident[35], 1918[36] Präsident.
Er war vom 7. Dezember 1896 bis zum 3. Dezember 1899 und, als Nachfolger des verstorbenen Georges Favon[37], vom 1. Dezember 1902 bis zum 1. September 1918 Nationalrat sowie vom 16. September 1918 bis zu seinem Tod, als Nachfolger von Adrien Lachenal, Ständerat; im Ständerat wurde er in die Kommission zur Prüfung der Frage betreffend des Eintritts der Schweiz in den Völkerbund berufen.[38] Nach seinem Tod folgte ihm Jean Sigg in den Ständerat.
Gemeinsam mit seinem Bruder Georges Fazy und weiteren Freunden, unter anderem Jacques-François Ormond (1832–1877)[39] und Michel Chauvet (1823–1891)[40] gründete er 1868 die Bewegung La Jeune République (Junge Republik) oder gouvernementale Partei genannt, die sich auf den Freisinn von 1847 berief und mit ihrem Presseorgan Chronique radicale, deren Redakteur er einige Jahre war, in Opposition zur antiklerikalen Politik von Antonie Carteret ging.
1871 wurde er in die vom Grossen Rat gebildete Kommission gewählt, die sich mit dem Verbot der Kloster- und Mönchsschulen, der Einsetzung einer permanenten Schulkommission und der Unentgeltlichkeit des Unterrichts beschäftigen sollte.[41][42]
1878 brachte er die von Charles Page (1847–1910)[44] vorgeschlagene Verfassungsrevision zu Fall, bekämpfte 1889 die Unvereinbarkeiten zwischen verschiedenen Ämtern und 1892 den Proporz.
1900 wurde er Präsident der Pensionskasse der Genfer Universitätsprofessoren[46] sowie 1903 Präsident der Versorgungskasse für Beamte im Schulwesen und der Pensionskasse für Staatsbeamte.
In Bern behauptete er sich als überzeugter Föderalist.
Er wurde 1913[51]Alterspräsident im Nationalrat und seine im Dezember 1914 als Alterspräsident gehaltene Rede, in der er die Verletzung der belgischen Neutralität durch die deutsche Armee verurteilte, erregte grosses Aufsehen.
1919 wurde er Präsident der Kommission, die sich mit der savoyardischen Zonenfrage beschäftigte.[52][53][54][55][56]
Er war von 1873 bis 1902 Generalsekretär des Institut national genevois[61] an und von 1903 bis zu seinem Tod deren Präsident.[62] James Fazy hatte 1852 dem Staatsrat seinen Gesetzentwurf Relatif à la création d'un institut national genevois vorgelegt und begründet, eine dem Institut de France ähnliche Körperschaft zu gründen, die durch ihre Abteilungen die notwendige Korrelation zwischen den verschiedenen Zweigen des menschlichen Wissens sicherstellen und so die Äußerungen der Intelligenz fördern sollte.
Er wurde Mitglied des von Frédéric de Rabours im Juni 1919 gegründeten Komitees, das sich mit dem Anschluss des Vorarlberg an die Schweiz beschäftigen sollte.
Antiquités découvertes en 1741 à Lunneren, Canton de Zurich. In: Anzeiger für schweizerische Geschichte und Alterthumskunde, Band 2. 1861–1866. S. 66–67 (Digitalisat).
Le Livre du Recteur étude historique sur l'Académie de Genève. Lausanne, 1862 (Digitalisat).
↑Henri Duchosal: La genèse de l’enseignement public féminin à Genève. In: Annuaire de l’instruction publique en Suisse. Band13, 1922, S.59, doi:10.5169/seals-110891 (e-periodica.ch [abgerufen am 27. März 2024]).
↑Eidgenossenschaft. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern 15. Juli 1869. Abgerufen am 26. März 2024.
↑Eidgenossenschaft. In: Neue Zürcher Zeitung 5. Dezember 1876. Abgerufen am 26. März 2024.
↑Zur amtlichen Kenntnis gelangte überseeische Auswanderung von Schweizerbürgern aus 20 Kantonen der Schweiz im Jahr ...: 1875. 1875 (google.de [abgerufen am 27. März 2024]).
↑M. Henry Fazy. In: La tribune de Genève 4. Mai 1890 Ausgabe 04. Abgerufen am 27. März 2024.
↑Genf. In: Der Bund 22. November 1870. Abgerufen am 26. März 2024.
↑Genf. In: Die Ostschweiz 21. November 1878. Abgerufen am 26. März 2024.
↑Genf. In: Die Ostschweiz 4. Dezember 1879. Abgerufen am 27. März 2024.
↑Genf. In: Der Bund 26. November 1899. Abgerufen am 27. März 2024.
↑Schweiz: Genf. In: Zürcherische Freitagszeitung 30. Dezember 1870. Abgerufen am 26. März 2024.