Harald Weyel

Harald Weyel, 2022

Harald Weyel (* 30. August 1959 in Herborn) ist ein deutscher Ökonom und Politiker (AfD, zuvor Freie Wähler). Er ist seit der Bundestagswahl 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Seit Juni 2022 gehört er als stellvertretender Bundesschatzmeister dem Bundesvorstand der AfD an.

Leben und beruflicher Werdegang

Weyel ist Sohn eines afroamerikanischen GIs und einer Köchin aus dem Westerwald. Ein Jahr nach seiner Geburt verließ der Vater die Familie und kehrte nach Raleigh in North Carolina zurück.[1]

Weyel wuchs in Herborn auf, begann eine Mechanikerlehre und legte dann das Abitur in Marburg an der Lahn ab. Er studierte in West-Berlin, Marburg und Oldenburg Geographie, Romanistik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. 1987 schloss er sein Studium als Diplom-Ökonom ab und arbeitete dann im Öffentlichen Dienst. 1993 wurde er mit einer Dissertation über die Dekolonisierung Belizes[2] an der Universität Oldenburg zum Dr. rer. pol. promoviert und vertrat von 1997 bis 2000 eine Professur für „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Außenwirtschaft und englische Fachsprache“ an der FH Köln. Dort erhielt er anschließend eine Professur für Betriebswirtschaft.[3]

Weyel wurde vorgeworfen, in Lehrveranstaltungen EU-feindliche Positionen vertreten, die Bedeutung des Holocausts relativiert und politisch einseitige Lösungsvorschläge zur Bewältigung der Eurokrise dargestellt zu haben; die Hochschule kam zu dem Ergebnis, Aussagen und zur Aufklärung herangezogene Materialien hätten „teilweise Auffälligkeiten“ bestätigt, aber kein Dienstvergehen. Weyel gab an, er sehe sich bestärkt, „junge Menschen durch das Aufzeigen von alternativen Sichtweisen zum selbstständigen Denken zu erziehen“.[4]

Harald Weyel ist geschieden und hat ein Kind.[1]

Politik und Mitgliedschaften

Vor der Europawahl 2009 trat er in die Partei „Freie Wähler“ ein, deren Landesvorstand in Nordrhein-Westfalen er von 2011 bis 2012 angehörte und für die er bei der NRW-Landtagswahl 2012 kandidierte.[5] 2013 trat er zur AfD über.[3]

Weyel zog bei der Bundestagswahl 2017 über die AfD-Landesliste NRW (Listenplatz Nr. 3) in den 19. Deutschen Bundestag ein.[6] Als seine Politikfelder nannte er beim WDR für die kommende Legislaturperiode die „Außenwirtschaftspolitik, inklusive EU und Entwicklungshilfe“.[7] Weyel ist Obmann und Ordentliches Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union sowie Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des 19. Deutschen Bundestages.[5] Er ist Stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA im Deutschen Bundestag.[8] Seit 2019 ist Harald Weyel Mitglied der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung.

Nach seiner Wahl in den Deutschen Bundestag 2017 schrieb die Wochenzeitung Die Zeit: „Innerhalb der AfD ist Harald Weyel bislang kaum aufgefallen. Umso drastischer inszeniert er sich bei Facebook.“ Er teile sexistische Beiträge, in denen Frauen ein genetisch bedingter Mangel an Intelligenz unterstellt wird. Die Betonbarrieren, mit denen Veranstaltungen vor Terroranschlägen geschützt werden sollen, nannte Weyel ein „Mahnmal für noch nicht getötete Deutsche und ihre Freunde“.[9]

Weyel wurde im Januar 2018[10] und erneut im November 2018[11] die Immunität entzogen, um die Durchführung eines Disziplinarverfahrens zu ermöglichen, das im Juni 2020 eingestellt wurde.[12]

Weyels Mitarbeiter Erik Lehnert ist Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik, einer Denkfabrik der Neuen Rechten, und Kuratoriumsmitglied der neurechten Titurel-Stiftung, deren Geldgeber ein Haus für die Identitären in Halle erworben hat.[13]

Harald Weyel ist Mitglied im Kuratorium der Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Von der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag wurde er am 13. November 2020 für die Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten vorgeschlagen.[14] Jedoch erreichte er im ersten Wahlgang am 26. November 2020 mit 104 nicht die erforderliche Anzahl an Stimmen der Abgeordneten.[15]

Im Juni 2022 gründete Weyel gemeinsam mit aktiven und ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten in Chemnitz die „Vereinigung zur Abwehr der Diskriminierung und der Ausgrenzung Russlanddeutscher sowie russischsprachiger Mitbürger in Deutschland“ (Vadar e.V.). Zu den Gründungsmitgliedern von Vadar gehören laut Vereinsregister der Berliner AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann, der AfD-Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme sowie Wladimir Sergijenko und Olga Petersen. Der Verein finanzierte laut eigenen Angaben die rechtliche Vertretung der pro-russischen Influencerin Alina Lipp und wendet sich gegen das deutsche Verbot des Z-Symbols.[16][17] Der Verein leugnet auf Telegram die von russischer Seite begangenen Kriegsverbrechen im Russisch-Ukrainischen Krieg.[18][19]

Auf dem 13. Bundesparteitag der AfD im Juni 2022 wurde Weyel in der Rolle als stellvertretender Bundesschatzmeister in den Bundesvorstand der Partei gewählt.[20]

Im September 2022 erregte eine Äußerung Weyels Aufsehen, die er im Glauben getan hatte, sein Mikrofon wäre bereits ausgeschaltet. Bei einer Diskussionsrunde zur drohenden Gaskrise im Winter 2022/23 hatte Weyel auf die Meinung, die Lage werde dramatisch werden, erwidert: „Man muss sagen hoffentlich. Wenn’s nicht dramatisch genug wird, geht’s so weiter wie immer.“ Dies wurde von dem CDU-Abgeordneten Johannes Steiniger auf Twitter als Beleg für den mangelnden Patriotismus der AfD gewertet. Weyel dagegen wollte diese Äußerung lediglich als Ausdruck seiner „Befürchtung“ verstanden wissen.[21]

Schriften (Auswahl)

  • Weltmarkt und Dekolonisierung, das Beispiel Belize. Eine Analyse der Möglichkeiten nationaler und regionaler ökonomischer Emanzipation auf dissoziativen und integrativen Wegen im postsozialistischen Zeitalter, 1993 (= Oldenburg, Univ., Diss., 1993).
  • Internationale Betriebswirtschaftslehre und kulturelle Evolution. Internationalität, Wirtschaft und Kultur im 21. Jahrhundert, Lohmar/Köln: Josef Eul Verlag 2003.
  • Gemeinsam mit Helmut Bujard, Lothar Cerny und Walter Gutzeit: Wirtschaft und Kultur, Berlin/Boston: de Gruyter 2011.
  • Die Verdammten Europas. Bemerkungen zur deutschen Lage, Lüdinghausen/Neuruppin: Manuscriptum 2021.
Commons: Harald Weyel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Mariam Lau: Zurück ins Kaiserreich (Memento vom 21. November 2017 im Webarchiv archive.today), Zeit Online, 15. November 2017; erschienen in: Die Zeit 47/2017 vom 16. November 2017.
  2. Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Abgerufen am 20. Januar 2019.
  3. a b Prof. Dr. Harald Weyel - Alternative für Deutschland. Abgerufen am 3. Oktober 2017.
  4. „Hochschule stellt Disziplinarverfahren gegen Weyel ein“, welt.de, 5. Juni 2020, abgerufen am 13. November 2020
  5. a b Deutscher Bundestag - Prof. Dr. Harald Weyel. In: Deutscher Bundestag. Abgerufen am 22. Februar 2018.
  6. Der Bundeswahlleiter: Gewählte auf Landeslisten der Parteien in Nordrhein-Westfalen - Der Bundeswahlleiter. Abgerufen am 8. November 2017.
  7. Kandidat Harald Weyel (AfD), Landesliste. In: Westdeutscher Rundfunk. 25. September 2017, abgerufen am 3. Oktober 2017.
  8. Deutscher Bundestag - Weltweit vernetzt - die Parlamentariergruppen. Abgerufen am 15. Juni 2020.
  9. Kai Biermann, Astrid Geisler, Christina Holzinger, Paul Middelhoff, Karsten Polke-Majewski: AfD-Fraktion: Rechts bis extrem im Bundestag. In: Die Zeit. 26. September 2017, abgerufen am 4. Oktober 2017.
  10. Immunität zweier Abgeordneter aufgehoben. In: Deutscher Bundestag. 18. Januar 2018, abgerufen am 18. Januar 2018.
  11. Beschlussempfehlung zum Antrag auf Aufhebung der Immunität vom 22.11.2018. In: Deutscher Bundestag. 22. November 2018, abgerufen am 23. November 2018.
  12. Süddeutsche Zeitung: Hochschule stellt Disziplinarverfahren gegen Weyel ein. Abgerufen am 15. Juni 2020.
  13. Kai Biermann, Astrid Geisler, Johannes Radke, Tilman Steffen: AfD-Abgeordnete beschäftigen Rechtsextreme und Verfassungsfeinde. In: Zeit online. 21. März 2018.
  14. Bundestag.de
  15. Dagmar Ziegler zur neuen Bundestags-Vize gewählt. 26. November 2020, abgerufen am 26. November 2020 (deutsch).
  16. Verein mit AfD-Bezügen: Gemeinsam für Russland auf tagesschau.de vom 16. Dezember 2022.
  17. Lara Schultz: Ein dubioser Verein beansprucht, für russigsprachige Menschen einzutreten auf Jungle.world vom 22. Dezember 2022.
  18. Maik Baumgärtner, Alexander Chernyshev, Roman Lehberger, Ann-Katrin Müller, Roman Höfner, Wolf Wiedmann-Schmidt: Moskaus Mann im Bundestag, in Der Spiegel 29/2023 und auf Spiegel.de vom 13. Juli 2023.
  19. Maik Baumgärtner, Christo Grozev, Roman Höfner, Roman Dobrokhotov, Roman Lehberger, Ann-Katrin Müller, Fidelius Schmid, Wolf Wiedmann-Schmidt: (S+) AfD: Kremlfreund im Bundestag – Geheime Nachrichten dokumentieren Kontakte nach Moskau. In: Der Spiegel. 4. August 2023 (spiegel.de [abgerufen am 4. August 2023]).
  20. AfD-Parteitag: Chrupalla und Weidel neue Doppelspitze. 18. Juni 2022, abgerufen am 10. August 2023.
  21. Gareth Joswig: AfD-Vorstand hofft auf Gaskrise. In: taz vom 8. September 2022, S. 6.