HandelsvertreterrechtDas Recht der Handelsvertreter in § 84 bis § 92 Handelsgesetzbuch (HGB) regelt die Rechtsverhältnisse des Handelsstandes der Handelsvertreter durch spezielle Bestimmungen. Inhalt sind überwiegend Schutzbestimmungen für Handelsvertreter, vergleichbar mit der Intention des Mietrechtes, den wirtschaftlich schwächeren Marktteilnehmer gegenüber dem überwiegend stärkeren Vertragspartner zu schützen. RegelungsinhalteDie einzelnen Abschnitte des Handelsvertretergesetzes gliedern im siebenten Abschnitt des ersten Buchs des HGB im Kern die Bestimmungen über unentgeltliche Musterüberlassung, Inkassovergütung, Bucheinsicht des Vertreters beim Anbieter, besondere Rechte und Pflichten der Durchführung sowie den Vergütungsanspruch des Vertreters nach Höhe und Fälligkeit (hier: die Provision) sowie die Kündigungs- und Ausgleichsregelungen bei einseitiger Beendigung der Vertretung. Wesentliche Pflichten des Handelsvertreters
Wesentliche Rechte des Handelsvertreters
VertretungsbefugnisseDie verschieden ausgestalteten Handlungsvollmachten der Handelsvertreter schlagen sich in einer einheitlichen Begriffsbestimmung für die Aufgabenbeschreibung eines Handelsvertreters nieder: Im Regelfall, wenn der Hersteller oder Importeur selbst vor Ort präsent ist, werden mittlere Kompetenz- und Verantwortungsvereinbarungen geschlossen. Die Vielfalt der Möglichkeiten ist oft dem Unternehmer selbst nicht bekannt, so dass ein Zurückgreifen auf sog. „Musterverträge“ höchst fahrlässig ist. VermittlungsvertreterBesorgung von Aufforderungen zur Abgabe eines Angebotes aus dem Markt (Kundenanfragen) mit dem Recht des Anbieters unter Verlust der Provision für den Vertreter diese Aufträge abzulehnen und selbst oder durch Dritte mit dem Kunden andere, für den Vermittlungsvertreter nicht provisionspflichtige Verträge abzuschließen. Der Handelsvertreter darf nicht rechtsgültig abschließen, also keine Willenserklärung für den Anbieter abgeben. Der Kundenschutz gem. § 87 Satz 1 HGB wird häufig umgangen, indem die Mitwirkungspflicht besonders umfassend geregelt wird. Solche Verträge werden von vielen Unternehmen ihren „selbständigen“ Handelsvertretern in Musterverträgen von der IHK oder dem Justiziar des Anbieters vorgelegt. AbschlussvertreterAbgabe von rechtsgültigen Willenserklärungen für den Anbieter, mit der Folge, dass der Anbieter die Vertragserfüllung nur im Ausnahmefall ablehnen kann, z. B. bei mangelnder Solvenz des vermittelten Kunden oder Lieferengpässen, die dem Vertreter rechtzeitig bekannt waren. Da der Vertreter hier allerdings keinen Bezirksschutz genießt, kann der Anbieter jederzeit unter Verlust der Provision für den Vertreter selbst oder durch Dritte mit den Kunden ähnliche oder andere Verträge sowie Folgeaufträge abschließen (lassen). Diese Vertragsform ist mehr theoretischer Natur und lebenspraktisch von eher untergeordneter Bedeutung. Bezirksvertreter als VermittlungsvertreterBesorgung von Aufforderungen zur Abgabe eines Angebotes aus dem Markt (Kundenanfragen) mit dem Recht des Vertreters auf Provision, selbst oder durch Dritte mit Kunden im bestimmten Bezirksschutz zu verhandeln. Der Handelsvertreter erhält so eine für ihn betriebswirtschaftlich günstige Stellung, da er für alle direkten und indirekten Aufträge aus seinem Bezirk Provision erhält, unabhängig davon, ob er an dem Auftrag mitgewirkt hat oder nicht. Dem Unternehmer verbleibt jedoch das Recht angebotene Aufträge z. B. bei Lieferengpässen abzulehnen oder die Konditionen nachzuverhandeln. In der Praxis werden für gut eingeführte Bezirke Ablösesummen bezahlt, die sich der Höhe nach an dem Betrag orientieren, die dem Vorgänger im Bezirk als Ausgleich nach § 89 b HGB bezahlt wurden. Im Gegenzug werden die vom Vorgängervertreter geworbenen Neukunden dem Nachfolger der die Ablösesumme zu zahlen hat, als dessen Neukunden vertraglich garantiert (sog. Neukundenklauseln). Bezirksvertreter als AbschlussvertreterBesorgung von Aufforderungen zur Abgabe eines Angebotes aus dem Markt und Abgabe von rechtsgültigen Willenserklärungen für den Anbieter, ohne dessen Recht selbst mit Kunden im bestimmten Gebiet verhandeln zu dürfen. Dieser Handelsvertreter genießt also sowohl einen Gebietsschutz, als auch das Privileg für den Anbieter gültige Willenserklärungen (Zusagen) gegenüber dem Kunden treffen zu können. Häufig handelt es sich bei diesen Handelsvertretungen um juristische Personen mit eigenen, schlechter gestellten Untervertretern. Diese Konstellation wird ein Anbieter wählen, wenn der Markt nicht genug qualifizierte Handelsvertreter hergibt, die bereit sind beispielsweise ein größeres Gebiet auf eigene Kosten ohne entsprechende Sicherheiten zu erschließen oder wenn ein ausländisches Unternehmern mit einem Handelsvertreter enormen Vertrauens auf die vollkommene Neuentwicklung eines ihm unbekannten Marktes angewiesen ist und der Handelsvertreter erhebliche Mittel in Werbung und Marktforschung für den Vertrieb seines Herstellers oder Importeurs investiert. Manchmal werden auch laufende Gebühren für die Anzahl der potentiellen Kunden (Branchenteilnehmer) im Vertretungsgebiet vereinbart (z. B. bei Softwareanbietern). In diesem Fall ist der Handelsvertreter als juristische Person der eigentliche Anbieter und der Hersteller stellt beispielsweise das Produkt (z. B. Software) ohne weitere Bezugskosten zur Verfügung. Auch hochqualifizierte Vertreter mit Sachverständigenfunktion oder Vertreter, die eigene Patente vermarkten lassen sich vom Anbieter selten die Abschlussvollmacht nehmen. Der Anbieter darf zwar selbst auch verkäuferisch tätig sein, muss dem Vertreter jedoch für jedes Geschäft in seinem Gebiet die Provision zahlen. In solchen Fällen können auch die Provisionen enorm nach oben abweichen. Diese Vereinbarung ist im regulären Vertriebsgeschäft eher selten und setzt zwingend voraus, dass der Handelsvertreter sein Gebiet gepachtet oder erworben hat und der Anbieter jederzeit lieferfähig ist. Häufig werden solche Bezirke, ähnlich dem Bezirksvertreter als Vermittlungsvertreter als immaterieller Unternehmenswert gehandelt und bei der Betriebsbewertung der Handelsvertretung gesondert bilanziert. Normalerweise werden zumindest die Marktforschung und Imagewerbung vom Hersteller oder Importeur betrieben. Dieser Vertreter trägt auch derartige Kosten überwiegend selbst. Ein solcher Handelsvertreter wird es sich verbieten, dass der Hersteller oder Importeur (ggf. sogar ohne hinreichende Marktkenntnis) selbst oder durch Dritte mit Kunden in Kontakt tritt. Bedeutung eines neutralen VertragswerkesHandelsvertreterverträge bedürfen einer noch sorgfältigeren Planung als Dienstverträge, da sich hier zwei selbständige Unternehmer gegenüberstehen, die z. T. gegenläufige Interessen unter den Schutzbestimmungen des Gesetzgebers für eine der beiden Parteien, den Handelsvertreter zu beachten haben. Oftmals sind sich handelseinig gewordene KMU-Parteien jedoch gar nicht bewusst, dass sie einen Handelsvertretervertrag geschlossen haben, weil sie entweder keine Schriftform wählen oder aber davon ausgehen, dass eine einfache freie Mitarbeit keiner besonderen Regelung bedürfe. Tatsächlich regelt jedoch § 84 Abs. 2 HGB:
Der Gesetzgeber kennt schlichtweg keine Arbeitsvereinbarungen, die nicht entweder im besonderen Schuldrecht (§ 433 bis § 853 BGB mit den Bestimmungen für Angestellte unter §§ 611 ff. BGB) oder eben im Handelsrecht als spezielles Gebiet des Privat-(Zivil)rechts geregelt sind (hier gem. §§ 84 ff. HGB). Mustertexte von Interessenvertretungen der Industrie, welche kein Interesse an breiten Schutzbestimmungen der Handelsvertreter haben, legen die gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Vertragswerkes hierbei i. d. R. zum Nachteil des Vertreters aus. Es ist keinesfalls so, dass ein Handelsvertreter die bequemste Lösung für einen Anbieter darstellt. Die landläufige Meinung, dass Anbieter mit der Beschäftigung von Handelsvertretern ihr Geschäft ohne Risiko unternehmen können und nur zahlen müssen, wenn der Kunde auch zahlt, ist beispielsweise so nicht korrekt. Werden Verträge geschlossen, die Handelsvertreterrechte ausschließen sollen, kann in der Regel von sittenwidrigen und somit ungültigen Klauseln ausgegangen werden. In diesen Fällen kommt regelmäßig die Vereinbarung zum Tragen, die als verkehrsüblich angesehen wird. Das lebenspraktische Ergebnis bei Empfehlungen der IHKs richtet sich regelmäßig nach den Interessen der sie tragenden Industriebetriebe und eben nicht nach dem Geist des vom Gesetzgeber als Schutzrecht geschaffenen Handelsvertreterrechtes. Das Phänomen ist auch im Wohnungsmarkt bekannt, in dem Musterverträge des Vereines „Grund und Boden“ bis an den Rand der juristisch vertretbaren Zumutung für den Mieter gehen und die „Mietervereine“ entsprechend versuchen, ausgleichende Texte im Sinne des vom Gesetzgeber gedachten Mieterschutzes zu publizieren. Von Maklern, die in der Regel auf die Auftragsbereitschaft der Wohnungswirtschaft angewiesen sind, werden denn auch in Folge fast ausnahmslos ebensolche „vermieterfreundliche“ Entwürfe verwendet, genauso, wie von IHKs häufig „herstellerfreundliche“ Handelsvertreterverträge publiziert werden. AnbieterinteressenDie gesetzliche Provisionspflicht wird vor allem bei attraktiven Investitionsgüterkunden lebenspraktisch in der Art umgangen, dass der Hersteller die vom Vermittlungsvertreter vorgeschlagenen Aufträge einmalig annimmt und dann mit eigenen Kräften (z. B. Callcenter, Sekretärin, Geschäftsführer) über andere Leistungen neu verhandelt. Da es sich hierbei nicht mehr um sog. gleichartige Geschäfte handelt, muss keine Provision mehr gezahlt werden – der Vertreter soll nur mehr immer neue Kunden gewinnen und wird zum Beispiel für die Akquisition von Analysewerkzeug eingesetzt und der Hersteller spricht den so gewonnenen Kunden dann auf Rationalisierungsinvestitionen an, die nicht im Vertrag des Vertreters stehen. Im Versicherungsgewerbe sind derartige Vertretungsregelungen allerdings die Regel und werden die schutzbedürftigen Vertreter z. B. dadurch belastet, dass ihnen hohe Fixkosten für Bürokostenbeteiligung, Schulungen oder Werbegeschenke sowie überhöhte Stornoreserven in Rechnung gestellt werden (siehe z. B. AWD). VertreterinteressenAuch der Handelsvertreter kann, zumal bei vorteilhaften Verträgen mit Gebietsschutz durch mäßiges Bemühen versuchen seinen (Zeit-)Gewinn zu maximieren. Da sämtliche Geschäfte im geschützten Gebiet provisoniert werden, gleichgültig ob und wie intensiv die Kunden angesprochen werden, besuchen manche Bezirksvertreter Kunden kaum mehr um Folgeaufträge zu akquirieren, sondern sind ihrerseits an neuen Kunden interessiert, um an zahlreichen Folgeaufträgen zu partizipieren. Dies entspricht im Grunde auch dem Geiste des Handelsvertretergesetz, das keine Betreuungsaufgaben und Servicearbeit vorsieht, sondern die Auftragsgewinnung zur zentralen Tätigkeit macht. Häufig sind jedoch lebenspraktisch nur Folgeaufträge zu gewinnen, wenn der Kunde von seinem Vertreter auch betreut und bei Problemen beraten wird. Hier muss ein fairer Interessenausgleich zwischen Vertreter und Anbieter stattfinden, in der Art, dass geschulte Innendienstkräfte via Callcenter oder Servicetechniker im Außendienst die Kundenbetreuung sicherstellen. Dennoch ist regelmäßig festzustellen, dass Bezirksvertreter auch diese Aufgaben wahrnehmen und dem Anbieter dafür sogenannte „Kostenpauschalen“ in Rechnung stellen. Dies stellt arbeitsrechtlich grundsätzlich ein Problem dar und führt faktisch auch ohne das Wissen der beteiligten Parteien grundsätzlich zu zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverträgen zwischen Anbieter und Vertreter, sofern diese Leistungen mehr als geringfügig und nicht nur administrativer Natur sind (z. B. reine Serverbetriebskosten für eine Knowledge-Datenbank des Vertreters). Weblinks
Literatur
Einzelnachweise
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