Haldun Tanerİbrahim Haldun Taner (* 16. März 1915 in Istanbul; † 7. Mai 1986 ebenda) war einer der bekanntesten türkischen Schriftsteller. Er schrieb Kurzgeschichten und Erzählungen und war Dramatiker, Bühnenautor, Journalist und Hochschullehrer. Er gilt als Wegbereiter des epischen Theaters und des Kabaretts in der Türkei. LebenHaldun Taners Vater war der frühere osmanische Abgeordnete und Universitätsprofessor Ahmed Selâhattin. Als Haldun fünf Jahre alt war, starb sein Vater. Taner besuchte das Galatasaray-Gymnasium in Istanbul. Für seinen Schulbesuch konnte er eine finanzielle Unterstützung des Hıdemât-ı Vataniye Fonds erhalten.[1] Aus diesem Fonds wurden Kinder unterstützt, deren Eltern als Soldaten, Politiker, Wissenschaftler, Geistlichen wichtige Dienste für das Land erbracht hatten.[2] Nach Abschluss des Gymnasiums wurde Taner im Jahr 1935 mit einem staatlichen Stipendium nach Deutschland delegiert, um an der Universität Heidelberg Politikwissenschaften und Germanistik zu studieren. 1938 erkrankte er an einer schweren Tuberkulose und brach sein Studium ab. Er kehrte nach Istanbul zurück und wurde von 1938 bis 1942 im Sanatorium Erenköy behandelt. Während dieser Zeit und in den sich anschließenden Istanbuler Studienjahren begann er, Kurzgeschichten zu schreiben. Ab 1943 studierte er an die Fakultät für Literatur der Universität Istanbul. Als erste veröffentlichte Geschichte erschien 1946 im Magazin Yedigün seine Geschichte Töhmet unter dem Pseudonym Haldun Yağcıoğlu. 1950 schloss Taner sein Studium an der Fakultät für Literatur ab. Er blieb an der Universität und arbeitete bis 1954 als Assistent am Institut für Kunstgeschichte. 1954 beendete Taner seine Tätigkeit als Assistent und ging nach Wien. Von 1955 bis 1957 studierte er an der Max Reinhardt Theaterakademie. Er nahm auch Unterricht bei Heinz Kindermann und arbeitete als Regieassistent an mehreren Wiener Theatern. 1957 kehrte er in die Türkei zurück. Er lehrte Literatur- und Kunstgeschichte am Institut für Journalismus der Universität Istanbul, an der Fakultät für Sprache und Geschichte und Geographie der Universität Ankara, an der Fakultät für Literatur der Universität Istanbul sowie am LCC Istanbul. Zwischen 1955 und 1960 schrieb er Kolumnen unter dem Titel Devekuşuna Mektuplar (Briefe an den Vogel Strauß) für die Istanbuler Zeitung Tercüman. In den 1960er-Jahren war er vorwiegend als Autor von Theaterstücken tätig. Das Schreiben von Sonntagskolumnen nahm er im März 1974 in der Zeitung Milliyet wieder auf und setzte sie bis Mai 1986 fort.[3] 1980 folgte er einer Einladung des Berliner Senats, um Dramaturgie und Theatergeschichte zu unterrichten. Während seines einjährigen Aufenthalts in Berlin verfasste er mehrere Artikel für Die Zeit und Merian.[1] Taner starb am 7. Mai 1986 an einem Herzinfarkt.[3] Sein Grab befindet sich auf dem Küplüce Friedhof in Istanbul-Üsküdar.[4] WirkenTaner schrieb Erzählungen, Kurzgeschichten sowie Theaterstücke und Sketche für das Kabaretttheater. Er ist für seine ironischen Gesellschaftserzählungen und seine sozialkritischen Dramen bekannt. Das Stück Der Mann des Tages, das er 1949 während seiner Assistentenzeit schrieb, wurde bereits vor einer Aufführung im Istanbuler Stadttheater verboten. Das Stück handelt von einem angesehenen Professor, der sich auf Drängen einer Partei für deren Wahlkampf engagieren soll und im politischen Alltag zerrieben wird.[5] 1952 gab Taner gemeinsam mit Semih Tuğrul, Adnan Benk und Adli Moran eine Zeitschrift namens Küçük Dergi heraus. 1954 gründete er das Theatermagazin Oyun. In den 1950er-Jahren zählte Taner mit Sait Faik und Orhan Kemal zu den bekanntesten türkischen Schriftstellern. Seine Erzählungen erschienen in zahlreichen Zeitschriften und Zeitungen. Dabei entwickelte Taner in seinen Kurzgeschichten einen einzigartigen und unverwechselbaren Stil. Sie stehen in der literarischen Tradition von Ahmet Midhat, Hüseyin Rahmi Gürpınar, Ahmet Rasim und Memduh Şevket Esendal.[1] Seit den 1960er-Jahren beeinflusste Taner maßgeblich die Entwicklung des Theatergenres sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. 1966 veröffentlichte die Gesellschaft für türkische Sprache TDK Tiyatro Terimleri Sözlüğü, ein Wörterbuch der Theaterbegriffe, das Taner gemeinsam mit Metin And und Özdemir Nutku erstellt hatte.[6] Mit seinen Arbeiten ermutigte er die nachfolgende Generation türkischer Bühnenautoren. Sein Theaterstück Keşanlı Ali Destanı (Die Ballade von Ali aus Keşan) war beispielgebend für die Entwicklung des epischen Theaters in der Türkei. Dieses Stück wurde in verschiedenen Städten in der Türkei, in Deutschland, England, in der Tschechoslowakei und in Jugoslawien aufgeführt und 1964 von Atıf Yılmaz verfilmt. Seine deutsche Premiere hatte das Stück am 30. November 1980 an der Schaubühne Berlin.[7] Er gründete im Jahr 1967 gemeinsam mit Zeki Alasya, Metin Akpınar und Ahmet das Kabarett Devekuşu und 1969 gemeinsam mit Münir Özkul das Bizim-Theater. In späteren Zeiten schrieb Taner Stücke, in denen er Themen aus dem Zeitgeschehen in politisch-sozialen Satiren verarbeitete. In diesen Stücken verwendete er auch Tuluat[8]-Elemente aus dem traditionellen türkischen Improvisationstheater. Seine Werke im Bereich des epischen Theaters und Kabaretts wurden zu Klassikern des modernen türkischen Theaters. Taner war Mitglied der UNESCO-Kulturkommission der Vereinten Nationen[1] und gehörte zu den führenden Autoren der türkischen Literatur und des zeitgenössischen Theaters in der Türkei.[3] Werke (Auswahl)
Auf Deutsch erschienen:
Auszeichnungen
EhrungenSeit 1987 wird von der Zeitung Milliyet jährlich der Haldun-Taner-Preis für Kurzgeschichten verliehen.[11] Im Stadtteil Kadıköy befindet sich in der Nähe der Schiffsanlegestellen seit 1989 die Haldun-Taner-Bühne der Städtischen Theater Istanbuls.[12] Ein Denkmal für Haldun Taner steht in Kadıköy in der Moda-Mühürdar-Straße (Moda Mühürdar Caddesi). Nachdem die ursprüngliche Büste, geschaffen vom inzwischen verstorbenen Bildhauer Haluk Tezonar, im Oktober 2016 von Unbekannten zerstört worden war, wurde im Dezember eine neue Büste, die von Ümit Öztürk angefertigt wurde, aufgestellt.[13] Im März 2018 wurde ebenfalls in Kadıköy in der Dr.-Faruk-Ayanoğlu-Straße 10 (Dr. Faruk Ayanoğlu Caddesi No. 10) das Haldun-Taner-Museum anlässlich des Geburtstags des Schriftstellers eröffnet.[14] Weblinks
Einzelnachweise
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