Das Geburtsjahr Gregor Aichingers ist aus seinem Epitaph im Augsburger Domkreuzgang abzuleiten, wonach er 1628 im Alter von 63 Jahren starb.[2][3] Gregor Aichinger ging 1577 im Knabenalter nach München, als Schüler Orlando di Lassos. Er studierte ab 1578 an der Universität Ingolstadt, dort trat er in Kontakt mit seinem Studienkollegen Jakob Fugger, dem späteren Fürstbischof von Konstanz. Aichinger erhielt durch diese Begegnung Kontakte zu weiteren Mitgliedern der Familie Fugger, denen er später zahlreiche seiner Werke widmete. Ein wichtiger Mäzen Aichingers war Jakob III. Fugger (1542–1598), der ihn 1584 zum Organisten, an der von ihm vier Jahre zuvor gestifteten Orgel[4] an der Augsburger Basilika St. Ulrich und Afra bestimmte, sowie Aichinger zu seinem Hauskomponisten und Leiter seiner Kammermusik machte. Fugger ermöglichte Aichinger mehrere Reisen nach Italien. In Venedig wurde er einer der ersten Schüler Giovanni Gabrielis und konvertierte wohl auch in dieser Zeit vom protestantischen zum katholischen Glauben.
Einen erneuten Urlaub bewilligte ihm Fugger 1588, um an der Universität Ingolstadt philosophischen und theologischen Studien nachzugehen. 1600 unternahm Aichinger eine Reise nach Rom, auf der er wahrscheinlich zum Priester geweiht wurde. In Augsburg erhielt eine Anstellung als Kanoniker und Domchorvikar an St. Gertrud, eine Stelle die mit zahlreichen reichen Pfründen dotiert war. Ein Epitaph im Augsburger Domkreuzgang, würdigt ihn als einen Mann, der„neben seiner Frömmigkeit und anderer Tugenden, außerordentlich beliebt war sowohl wegen seiner Kenntnis der Musik und Liebenswürdigkeit, als auch wegen seiner feinen Umgangsformen und seiner Umgänglichkeit“. Die vollständige Grabinschrift lautet:[2]
†
LEGE . VIATOR . ET . LVGE
HIC . TVMVLATVS . EST . PERREVERENDVS . ET . ERVDITUS
DOMINVS . GREGORIVS . AICHINGER
RATISBONENSIS . BOIVS . APVD . HANC . CATHEDRALEM
CHORI . VICARIVS . ET . CANONICVS . AD . D[IVAE] . GERTRVDIS
VIR . PRAETER . PIETATEM . ET . CAETERAS . VIRTVTES
TVM . MUSICAE . ARTIS . PERITIA . ET . SUAVITATE
TVM . MORVM . ELEGANTIA . ET . FACILITATE
MIRIFICE . GRATVS
QVI . CVM . VIXISSET . ANNOS . SEXAGINTA . TRES . VERSA.
IN . LVCTVM . MORTIS . CITHARA . EIVS . NATVRAE . CONCESSIT
XII CALENDAS FEBRVARIAS
ANNO . CHRISTIANO CIↃ . IↃCXXVIII
CIVIS . ANIMA . AETERNA . SYMPHONIA . LAETETVR
Sein Todesdatum ist im Epitaph falsch als 12. Februar 1628 angegeben, doch ist belegt, dass noch an seinem Sterbetag, den 21. Januar, sich seine Nachfolger um seine Ämter beworben haben.[5] Aichinger starb möglicherweise an der Pest, die 1628 in Augsburg grassierte,[5] oder aber an einem „Steinleiden“, wegen dem er noch am 2. Januar erfolglos operiert worden war.[6]
Seine umfangreiche Bibliothek, bestehend aus musikwissenschaftlichen, aber auch aus geographischen, theologischen und botanischen Werken berühmter Autoren bestand, kam an das Domkapitel und später zu Teilen an die Staatsbibliotheken Augsburg und München.[7]
Werk
Aichinger schrieb zahlreiche Werke für den kirchlichen Gebrauch, vor allem aber vokale Werke in lateinischer Sprache, auch setzte er als Gabrielischüler die venezianische Mehrchörigkeit ein. (u. a. seine erste Veröffentlichung die vier- bis zehnstimmigen Sacrae cantiones Venedig, 1590). Später komponierte er auch Werke mit Generalbass, sie tritt erstmals 1607 in seinen Cantiones Ecclesiasticae und 1609 in der Divina laudes auf. Aichinger trug erheblich dazu bei, diesen Stil, damals Nuovo musiche genannt, im deutschen Sprachraum zu etablieren.
Sacrae Cantiones, quatuor, quinque, sex, octo et decem vocum, Angelus Gardanus, Venedig, 1590 RISMID: 990000518
Liber secundus sacrarum cantionum, Angelus Gardanus, Venedig, 1595 RISMID: 990000519
Tricinia Mariana, quibus antiphonae, hymni, Magnificat, litaniae, et variae laudes ex officio Beatiss. Virginis suavissimis modulis decantantur, 1598 RISMID: 990000522
Liturgica sive sacra officia, ad omnes dies festos Magnae Dei Matris per annum celebrari solitos, quarternis vocibus ad modos musicos fact, Johann Praetorius, Augsburg, 1603 RISMID: 990000529
Vespertinum Virginis canticum sive Magnificat quinis vocibus varie modulatur. Augsburg, 1603 RISMID: 990000530
Ghirlanda di canzonette spirituali a tre voci, Augsburg, 1603 RISMID: 990000531
Lacrimae de Virginis et Ioannis in Christum à cruce depositum, modis musicis expressæ, Johann Praetorius, Augsburg, 1604 RISMID: 990000532
Psalmus L., Miserere mei deus, musicis modis ad IIX, IX, X, XI, XII voces variè compositus, Nicolaus Henricus, München, 1605 RISMID: 990000533
Solennia Augustissimi Corporis Christi, in sanctissimo sacrificio missae & in eusdem festi officijs, ac publicis supplicationibus seu processionibus cantari solita, Johann Praetorius, Augsburg, 1606 RISMID: 990000534
Literatur
Karl Batz: Gregor Aichinger, Komponist im Umfeld der Gegenreformation unter besonderer Berücksichtigung seiner Ingolstädter Jahre. In: Musik in Bayern. Band81, 2016, S.23–49, doi:10.15463/gfbm-mib-2016-143 (gfbm-online.de).
James H. Glenn: Gregor Aichinger 1564–1628. Performance editions of selected motets. UMI, Ann Arbor, Mich. 1982; OCLC157048573, OCLC633564752.
William E. Hettrick: The thorough-bass in the works of Gregor Aichinger (1564–1628). UMI, Ann Arbor, Mich. 1969; OCLC634826. Mikrofilmausgabe 1971, OCLC923277256.
Thomas Röder, Theodor Wohnhaas: Gregor Aichinger (1564–1628). In: Manfred Weitlauff (Hrsg.): Lebensbilder aus dem Bistum Augsburg (= Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte. 39. ISSN0341-9916). 2005, S. 77–90.
Ernst Fritz Schmid: Gregor Aichinger. In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. 1, 1952, S. 246–276.
↑Aichinger starb in der Nacht vom 20. auf den 21. Januar 1628, und nicht, wie fälschlich auf seinem Epitaph angegeben, am 12. Februar. Siehe: Thomas Röder, Theodor Wohnhaas: Gregor Aichinger (1564–1628). In: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte. 39, 2005, ISSN0341-9916, S. 77–90, hier S. 77 u. 84; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
↑ abJohannes Hoyer: Inschriftepitaph für Gregor Aichinger (1564–1628). In: Melanie Thierbach (Hrsg.): Der Augsburger Dom in der Barockzeit. Katalog zur Sonderausstellung im Diözesanmuseum St. Afra, 29. April – 26. Juli 2009. Diözesanmuseum St. Afra, Augsburg 2009, ISBN 978-3-00-027557-9, S. 268.
↑ abTheodor Kroyer: Gregor Aichingers Leben und Werke. In: ders. (Hrsg.): Ausgewählte Werke von Gregor Aichinger (1564–1628). Erster Teil. (= Denkmäler der Tonkunst in Bayern. 18, Jahrgang X). Breitkopf & Härtel, Leipzig 1909, S. IX–CXLI, hier: S. XC und CXXI.
↑Thomas Röder, Theodor Wohnhaas: Gregor Aichinger (1564–1628). In: Manfred Weitlauff (Hrsg.): Lebensbilder aus dem Bistum Augsburg (= Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte. 39. 2005, S. 77–90, hier: S. 84.