Glutaminsäure
Glutaminsäure (auch α-Aminoglutarsäure, 2-Aminoglutarsäure) ist eine α-Aminosäure, die in zwei Spiegelbildisomeren (Enantiomere) vorkommt, deren eine proteinogene Form der menschliche Organismus selber herstellen kann (nicht essentielle Aminosäure). Im Dreibuchstabencode wird sie als Glu und im Einbuchstabencode als E bezeichnet. Ihre Salze und Ester werden Glutamate genannt. In Biologie und Medizin wird die Glutaminsäure meist Glutamat genannt, da die Verbindung im Körper dissoziiert vorliegt. Glutaminsäure ist ein wichtiger Baustein von Proteinen; daneben ist Glutamat einer der wichtigsten erregenden Neurotransmitter im zentralen Nervensystem (ZNS) auch des menschlichen Organismus. Als Lebensmittelzusatzstoff werden L-Glutaminsäure (E 620) sowie einige ihrer Salze (siehe Glutamate) als Geschmacksverstärker eingesetzt, besonders in der asiatischen Küche und bei Convenience-Produkten. Der Einbuchstabencode E für Glutamat wurde in alphabatischer Reihenfolge zum D für Aspartat zugeordnet, da es lediglich um eine Methylen –CH2– Gruppe größer ist.[7][8] StereochemieAminosäuren sind chirale Moleküle. In der Natur liegt im Wesentlichen nur die L-(+)-Glutaminsäure [Synonym: (S)-Glutaminsäure] vor. Wenn in diesem Text oder in der wissenschaftlichen Literatur „Glutaminsäure“ ohne weiteren Namenszusatz (Präfix) erwähnt wird, ist L-Glutaminsäure gemeint. Die D-(−)-Glutaminsäure [Synonym: (R)-Glutaminsäure] kann auf chemischem Wege erzeugt werden. Auf sie und das Racemat aus beiden Enantiomeren wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen.
VorkommenL-Glutaminsäure kommt in den meisten Proteinen in unterschiedlichen Anteilen vor und ist in jedem eiweißhaltigen Nahrungsmittel vorhanden. Die folgenden Beispiele beziehen sich jeweils auf 100 g des Lebensmittels, zusätzlich ist der prozentuale Anteil von Glutaminsäure am Gesamtprotein angegeben.[9] Besonders reich an freiem L-Glutamat sind Käse und Fleischprodukte, getrocknete Tomaten, Würzsaucen wie Sojasauce, Fischsauce, Maggi-Würze usw.
GeschichteDurch den schwefelsauren Aufschluss von Gluten gelang dem deutschen Chemiker Heinrich Ritthausen 1866 an der Landwirtschaftlichen Akademie Waldau bei Königsberg erstmals die Isolierung von Glutaminsäure.[10] An den ihm von Ritthausen übergebenen Kristallen konnte Gustav Werther, zu der Zeit Professor für Chemie in Königsberg, die Zusammensetzung der Glutaminsäure richtig bestimmen.[11] Nach dem Wechsel Ritthausens an die Landwirtschaftliche Akademie in Bonn-Poppelsdorf veranlasste er dort den Chemiker Wilhelm Dittmar mit der Strukturaufklärung, die Dittmar 1872 gelang.[12] Die Ergebnisse wurden 1890 durch Ludwig Wolff bestätigt.[13] EigenschaftenDer isoelektrische Punkt der Glutaminsäure liegt bei pH 3,24.[14] Die Dicarbonsäure löst sich nur wenig in Wasser (≈11 g·l−1 bei 25 °C) und Ethanol;[3] die Lösung reagiert stark sauer (pKCOOH 2,16, pKγ-COOH 4,32[4]). HerstellungL-Glutaminsäure wird kommerziell ausschließlich nach der Fermentationsmethode (Sojasauce, Flüssigwürze) hergestellt. Es begann damit, dass systematisch nach Wildtyp-Organismen geforscht wurde, bei denen sich L-Glutaminsäure unter Verwendung günstiger Nährmedien (Edukte) und Kulturbedingungen (Temperatur, Konzentration von Spurenelementen etc.) anreichern ließen. Durch Verwendung von Mutanten wurde die Fermentationsmethode optimiert.[15][16] DerivateBeim Erhitzen einer Mischung aus gleichen Gewichtsteilen Glutaminsäure und Wasser in einem Autoklaven erhält man unter Wasserabspaltung bei Reaktionstemperaturen von 135–143 °C Pyroglutaminsäure, ein cyclisches Carbonsäureamid (Lactam). Physiologische BedeutungWie bei allen anderen Aminosäuren wird auch bei Glutamat nur das L-Isomer im Stoffwechsel des menschlichen Körpers als Baustein verwendet. Als proteinogene α-Aminosäure ist L-Glutaminsäure Bestandteil von Proteinen. Daneben spielt sie im Zellstoffwechsel insofern eine wesentliche Rolle, als sie über den Citratzyklus in Verbindung zum Kohlenhydratstoffwechsel steht. Darüber hinaus wird L-Glutaminsäure für die Bildung anderer Aminosäuren herangezogen. L-Glutaminsäure bindet das beim Protein- und Aminosäureabbau freiwerdende Zellgift Ammoniak unter Bildung von Glutamin durch folgende Reaktion:
L-Glutamat ist der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter im zentralen Nervensystem der Wirbeltiere. Es wird präsynaptisch freigesetzt und bindet postsynaptisch an spezifische Glutamat-Rezeptoren. Im Zentralnervensystem kann L-Glutaminsäure durch das Enzym L-Glutaminsäuredecarboxylase zu γ-Aminobuttersäure (GABA) decarboxyliert werden, die als Neurotransmitter an inhibitorischen Synapsen wirkt. L-Glutaminsäure ist die einzige Aminosäure, welche im Gehirn oxidiert, transaminiert, aminiert und decarboxyliert wird. Bedeutung im CitratzyklusL-Glutamat entsteht im Citratzyklus aus α-Ketoglutarat (αKG) und einem Ammoniumion durch die Reaktion des Enzyms Glutamatdehydrogenase (GDH) (1). Ein weiteres Ammoniumion kann über die Reaktion der Glutamin-Synthetase (GlnS) abgefangen werden, wobei Glutamin entsteht (3). Beide Reaktionen dienen der spontanen Entgiftung aller Gewebe und sind im Hirn von besonderer Bedeutung. Für die endgültige Entgiftung müssen Ammoniumionen dem Harnstoffzyklus zugeführt werden. Dies erfolgt sowohl durch Übertragung (Transaminierung) auf Oxalacetat (OA) (2), als auch über die Glutamat-Dehydrogenase-Reaktion (1). Glutamin kann mit α-Ketoglutarat in Pflanzen zu zwei Molekülen L-Glutaminsäure umgesetzt (3) und damit der GDH-Reaktion zugeführt werden. Diese Reaktion wird durch Glutamat-Synthase (GluS) katalysiert. Bei der Aminosäuresynthese ist L-Glutaminsäure der NH2-Donor in einer Transaminierungsreaktion. Diese überführt α-Ketosäuren in die homologen α-Aminosäuren. Beispiele sind Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) (2) und Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT). Coenzym ist Pyridoxalphosphat. Für nahezu alle anderen Aminogruppen, die im Stoffwechsel benötigt werden, ist Glutamin der Donor. Glutaminsäure (Glutamat) im Blutbefund (Aminosäurenkonzentrationen)Die Referenzbereiche (Normalwerte) für Glutaminsäure im Blutbefund sind in µmol/ml bei Säuglingen 20–107, bei Kindern 18–65 und bei Erwachsenen 28–92.[17] Als Therapie bei sehr hohen Glutaminsäurewerten (Glutamat) im Blutbefund, wie sie z. B. beim Chinarestaurant-Syndrom oder bei Ekzemen und/oder Histamin-Intoleranz vorkommen können, empfiehlt Reinhart Jarisch[18] eine Vitamin-B6-Gabe in der Größenordnung von 0,5 mg/kg Körpergewicht je Tag. Dies fördert auch die körpereigene Synthese von Diaminooxidase (DAO) und bekämpft so ursächlich die Auswirkungen der Histamin-Intoleranz. SalzeDie verschiedenen Salze der Glutaminsäure sind als Lebensmittelzusatzstoffe bekannt. Es kommen verschiedene Salze der Glutaminsäure mit der Bezeichnung Geschmacksverstärker E 621 bis E 625 zum Einsatz.[19] Siehe auchWeblinksCommons: Glutaminsäure – Sammlung von Bildern und Videos
Wikibooks: Biosynthese und Abbau von L-Glutaminsäure – Lern- und Lehrmaterialien
Einzelnachweise
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