Die Gartentherapie „...umfasst den zielgerichteten Einsatz der Natur zur Steigerung des psychischen und physischen Wohlbefindens der Menschen“[1] und bietet einen ganzheitlichen und kostengünstigen Ansatz für verschiedene Klienten, zu denen, neben Kindern und Jugendlichen, psychosomatisch und psychiatrisch Erkrankte, sowie geriatrische oder demenziell veränderte Menschen zählen.[2] Dabei wird Gartentherapie sowohl in Therapieeinrichtungen, als auch ambulant als wirksame Ergänzung oder Alternative zu den herkömmlichen therapeutischen Strategien eingesetzt.
In der Gartentherapie werden pflanzen- und gartenbezogene Aktivitäten und Erlebnisse durch aus- bzw. weitergebildete Fachkräfte eingesetzt, um die mannigfaltigen positiven Wirkungen der Natur therapeutisch zu nutzen. So wird u. a. die Entfaltung der sensorischen Wahrnehmung[3] sowie sozialer Fähigkeiten gefördert.[2]
Das Projekt für Europäische, territoriale Zusammenarbeit ETZ, definiert Gartentherapie wie folgt:
„Gartentherapie ist ein teilnehmerzentrierter Prozess, bei dem ausgebildete ExpertInnen individuelle Ziele definieren und überprüfen und garten- oder pflanzenbezogene Aktivitäten als therapeutische Mittel planen und einsetzen, um gesundheitsrelevante Aspekte der Teilnehmenden zu fördern.“
Definition der Internationalen Gesellschaft GartenTherapie (IGGT)
„Gartentherapie ist eine fachliche Maßnahme, bei welcher pflanzen- und gartenorientierte Aktivitäten und Erlebnisse genutzt werden, um zielgerichtet Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt zu initiieren und zu unterstützen, mit dem Ziel der Förderung von Lebensqualität und der Erhaltung und Wiederherstellung funktionaler Gesundheit. Dieses beinhaltet:
• Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert
• Erhaltung und Förderung von selbstbestimmter gesellschaftlicher Teilhabe und Aktivitäten
• Fördernde Einwirkung auf den Lebenshintergrund"“
– Internationale Gesellschaft GartenTherapie (IGGT)[4]
Die Definition des Vereins Gesellschaft für Gartenbau und Therapie (GGuT) lautet:
„Gartentherapie ist eine aktivierende Therapieform, bei der kranke oder behinderte Menschen von Fachleuten gärtnerisch und therapeutisch begleitet werden, um Schwierigkeiten und Probleme, Wünsche und Ziele durch Gartentätigkeit zu klären und ein eigenständiges Leben zu ermöglichen.“
Häufig wird Gartentherapie im Rahmen der Ergotherapie angewendet, sowohl im psychiatrischen Bereich als auch bei der Behandlung von Störungen des Bewegungsapparates (z. B. als Teil einer Rehabilitation) und zur ergänzenden Behandlung von Suchterkrankungen.[6]
Im Rahmen von Green Care sind Gartentherapie und naturnahe Aktivitäten in einigen Ländern verordnungsfähig, im angelsächsischen Raum nennt man die entsprechenden Rezepte „Green Prescriptions“. Die Verbreitung ärztlicher Verordnungen nahm zu, nachdem empirische Forschung die positive psychophysische Wirkung von Gartentherapie belegen konnte. „Gartentherapie ist … eine Mischung aus Ergo- und Physiotherapie, bei der aber auch soziale, physische und psychische Faktoren beteiligt sind.“[7]
Mögliche Ziele der gartentherapeutischen Behandlung werden in der Regel individuell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Klienten abgestimmt (Auswahl):[2][8][9]
Bei der Umsetzung sollte die anleitende Unterstützung den Klienten möglichst viel Freiraum für eigene Möglichkeiten bieten. Der gärtnerische Erfolg ist zwar nicht unbedeutend, steht aber bei Gartentherapie nicht im Zentrum der therapeutischen Intervention. Entscheidend ist, dass die gestellten Aufgaben von den Klienten zu bewältigen sind und der Ort (je nach Zielgruppe) barrierefrei und gut erreichbar ist. Ergänzend zu externen Therapiegärten gibt es deshalb mittlerweile auch mobile Möglichkeiten, beispielsweise mit speziellen Hochbeeten, die beweglich sind und so bei ungünstigen Witterungsbedingungen auch in überdachte Bereiche verschoben werden können.[2][8]
Je nachdem welches Krankheitsbild durch Gartentherapie behandelt wird, ist im psychiatrischen Bereich, beispielsweise bei Demenz und Angststörungen, oftmals eine Verringerung oder ein Absetzen von Medikamenten möglich. Nach Angaben des ärztlichen Leiters der Gerontopsychiatrie des Herzberge-Krankenhauses in Berlin-Lichtenberg nahmen Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität oder Verwirrtheitszustände durch gartentherapeutische Unterstützung erkennbar ab. Patienten mit Depressionen zeigten dagegen vielfach eine deutliche Aufhellung der Stimmung.[9]
Indikationen
Bei den hier aufgeführten Krankheitsbildern und Zuständen konnte durch Studien belegt werden, dass durch Gartentherapie eine Verbesserung, Linderung oder Verlangsamung der Einschränkungen erzielt werden konnte:
Erhalt der allgemeinen körperlichen und geistigen Gesundheit und Beweglichkeit[10][11]
Innerhalb der Organisation existiert eine Arbeitsgruppe zum Thema Gartentherapie, die internationale Veranstaltungen wie das International Symposium on Horticultural Therapies: Past, Present and Future (dt. Internationale Gartentherapie-Tagung: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) organisiert, das 2021 in Taiwan stattfand.[23]
Europa
Deutschland: 1989 wurde der Arbeitskreis Gartenbau und Therapie gegründet, aus dem 2001 die Gesellschaft für Gartenbau und Therapie e. V. wurde. Aus dieser Gruppierung entstand 2011 die „Internationale Gesellschaft GartenTherapie“ (IGGT). Der Verein ist beim Amtsgericht Gießen eingetragen und hat sich zum Ziel gesetzt, die weitere Entwicklung der Gartentherapie im deutschen Sprachraum qualitativ zu begleiten.[24]
Italien: 2014 wurde die Associazione Italiana Ortoterapia (AssIort) gegründet.[25]
Frankreich: 2018 wurde die Fédération Française Jardins Nature et Santé. Jardins thérapeutiques, hortithérapie et écothérapie (engl. French Federation Gardens Nature & Health) gegründet.[26]
Spanien: Asociación Española de Horticultura y Jardinería Social y Terapéutica (engl. Spanish Association in Social and Therapeutic Horticulture) wurde als NPO im Rahmen eines EU-Projektes gegründet.[27]
Schweiz: 2010 wurde die Schweizerische Gesellschaft Gartentherapie (SGGT) gegründet. Seit 2017 heißt sie „Schweizerische Gesellschaft Gartentherapie und Gartenagogik“. Damit wird der Differenzierung zwischen der medizinisch-therapeutischen Gartentherapie und der agogisch ausgerichteten Gartenagogik Rechnung getragen.[29]
Englischsprachige Länder
Im englischsprachigen Raum wird Gartentherapie mehrheitlich als Horticultural Therapy bezeichnet und hat eine längere Tradition als in Europa. Es gibt mehrere etablierte Berufs- bzw. Interessenverbande sowie universitäre Studiengänge und Forschungsgruppen:
USA: American Horticultural Therapy Association (AHTA), 1973 als NPO gegründet[30]
Österreich: Die im deutschsprachigen Raum aktuell umfangreichste Weiterbildung im Bereich Gartentherapie bietet die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien an. Wer den berufsbegleitenden Kurs (Dauer: vier Semester) erfolgreich abschließt, darf danach den Titel Akademische Expertin bzw. Akademischer Experte für Gartentherapie führen.[37]
In der Schweiz wird, seit 2013, ein berufsbegleitender, 18-tägiger Zertifikatslehrgang (CAS) in Gartentherapie angeboten[38]
In Deutschland werden gartentherapeutische Weiterbildungen überwiegend als berufsbegleitende Lehrgänge mit fünf bis zehn mal drei Tagen Modulunterricht für den Preis von 2.000 bis 3.000 Euro angeboten. Bisher gibt es keine universitären Studiengänge oder eine mehrjährige Ausbildung in Vollzeit (Stand: Dez. 2022). Qualifizierte Weiterbildungskurse bieten beispielsweise die Europäische Akademie für biopsychosoziale Gesundheit in Hückeswagen (seit 2010)[39], das Institut für Naturheilkunde Erfurt[40] und das Institut für Garten und Therapie Gärten helfen Leben in Köln[41] an.
Literatur
C. Callo, A. Hein, C. Plahl (Hrsg.): Mensch und Garten, Ein Dialog zwischen Sozialer Arbeit und Gartenbau. Books on Demand, Norderstedt 2004
Gartentherapie (Hrsg.: Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.): mit Beiträgen von Christa Berting-Hüneke, Sandra Jung, Gabriele Kellner, Konrad Neuberger, Fritz Neuhauser, Andreas Niepel, Maria Putz, Winfried Schmidt, Stefan Scholz, Andrea Sieber, Gerhard Strohmeier, Anke Weiß. DVE, Schulz-Kirchner Verlag, 2. erw. Auflage 2010
Birgit Gallistl: Gartentherapie, Bestandsaufnahme und berufliche Wiederintegration. Linz 2007. PDF
Christian Haslinger: Gartentherapie in der Langzeitpflege. Fachbereichsarbeit an der Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege am Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe, Wien 2001. PDF
Konrad Neuberger: Ansätze zu einer Integrativen Gartentherapie – Zur Geschichte, Verbreitung, integrativem Gedankengut, Methoden, Praxis und Literatur. in: Integrative Therapie Vol. 37, 4-2011, S. 407–464, Krammer Verlag, Wien, ISSN0342-6831
Andreas Niepel, Thomas Pfister: Praxisbuch Gartentherapie. Schulz-Kirchner Verlag, 2010, ISBN 3-8248-0651-7, 237 Seiten
Renata Schneiter-Ulmann (Hrsg.): Lehrbuch Gartentherapie. Unter Mitarbeit von Trudi Beck, Martina Föhn, Jürgen Georg, Karin Höchli, Regina Hoffmann, Susanne Karn, Renata Schneiter-Ulmann, Gabriele Vef-Georg und Martin Verra. Huber, Bern 2010, ISBN 978-3-456-84784-9, E-Book ISBN 978-3-456-94784-6.
Martina Föhn & Christina Dietrich (Hrsg.): Garten und Demenz, Gestaltung und Nutzung von Aussenanlagen für Menschen mit Demenz. Unter Mitarbeit von Trudi Beck, Sabrina Eberhart, Susanne Karn, Claudia Leu, Renata Schneiter-Ulmann. Verlag Hans Huber, Bern 2013, ISBN 978-3-456-85168-6.
Martina Föhn (Hrsg.): Gestalterische Innenraumbegrünung, Ratgeber für Alterszentren. Unter Mitarbeit von Nadja Lang, Renata Schneiter-Ulmann, Michel Aebi. vdf Verlag, Zürich 2016. ISBN 978-3-7281-3723-4.
Gartentherapie – Theorie-Wissenschaft-Praxis; EUROPEAN UNION, European Regional Development Fund; als PDF: unter Weblinks
Lebensraum Natur – Gartentherapie für SeniorInnen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen; EUROPEAN UNION European Regional Development Fund 2014 (erstellt von Maria Putz)
Therapieraum Garten – Kinder fördern in und mit der Natur; EUROPEAN UNION European Regional Development Fund 2014
↑ abAndreas Niepel und Gabriele Vef-Georg: Praxishandbuch Gartentherapie: Gartentherapie für Ergo- und Gartentherapeuten, Pflegende und Gärtner. Hogrefe, Göttingen 2020, ISBN 978-3-456-85927-9, S.360.
↑T. Buru, É. Kállay, L. E. Olar et al. (2021): Studies regarding the influence of therapeutic horticulture on the human-nature relationship and the increase of well-being. Acta Hortic. 1330, 75-86 doi:10.17660/ActaHortic.2021.1330.10
↑A. E. van den Berg, M. van Winsum-Westra, S. de Vries et al. (2010): Allotment gardening and health: a comparative survey among allotment gardeners and their neighbors without an allotment. Environ Health 9, 74 (2010). doi:10.1186/1476-069X-9-74
↑M. L. Verra, F. Angst, T. Beck et al. (2012): Horticultural therapy for patients with chronic musculoskeletal pain: results of a pilot study. Altern Ther Health Med. 2012 Mar-Apr;18(2):44-50. Erratum in: Altern Ther Health Med. 2012 Nov-Dec;18(6):79. PMID 22516884
↑A-Y. Lee, S-A., Park, H-G. Park & K-C. Son (2018): Determining the Effects of a Horticultural Therapy Program for Improving the Upper Limb Function and Balance Ability of Stroke Patients. Horticultural Science Vol. 53: Iss. 1 doi:10.21273/HORTSCI12639-17
↑Hung-Ming Tu (2022): Effect of horticultural therapy on mental health: A meta-analysis of randomized controlled trials. Journal of Psych & Mental Health Nursing, Vol. 29, Iss. 4, August 2022, Pages 603-615 doi:10.1111/jpm.12818
↑J. Cipriani, A. Benz, A. Holmgren et al. (2017): A Systematic Review of the Effects of Horticultural Therapy on Persons with Mental Health Conditions. Occupational Therapy in Mental Health, 33:1, 47-69 doi:10.1080/0164212X.2016.1231602
↑T. Eriksson, Y. Westerberg & H. Jonsson (2011): Experiences of women with stress-related ill health in a therapeutic gardening program . Can J Occup Ther 2011 Dec; 78(5):273-81. doi:10.2182/cjot.2011.78.5.2
↑H. Y. Chan, R. CM. Ho, R. Mahendran et al (2017): Effects of horticultural therapy on elderly’ health: protocol of a randomized controlled trial. BMC Geriatr 17, 192 (2017) doi:10.1186/s12877-017-0588-z
↑Y. W. Zhang, J. W. & T. H. Fang (2022): The effect of horticultural therapy on depressive symptoms among the elderly: A systematic review and meta-analysis. Front. Public Health, 24 August 2022, Sec. Public Mental Health doi:10.3389/fpubh.2022.953363
↑Martin Trautmann, Präsident SGGTA: Schweizerische Gesellschaft Gartentherapie und Gartenagogik. In: Gartentherapie und Gartenagogik Schweiz. Schweizerische Gesellschaft Gartentherapie und Gartenagogik SGGTA, 2022, abgerufen am 13. Dezember 2022 (deutsch, unbekannte Sprache, französisch).