Die Galliarde oder Gaillarde (zu französischgaillard, ‚fröhlich‘, ‚munter‘; bzw. als italienischGagliarda, eingedeutscht Gagliarde, zu italienisch gagliardo, ‚kraftvoll‘; spanischGallarda, englischGalliard)[1] war ein im 16. Jahrhundert in weiten Teilen Europas verbreiteter Tanz im schnelleren Dreiertakt. Meist als eigenständige Tanzform ausgeführt, wurde sie aber auch häufig als lebhafter Nachtanz[2] nach einer Pavane in geradem Takt[3] getanzt. Als Tanzpaar Pavane – Galliarde ein Kernsatz der frühen instrumentalen Suite (im 16. Jahrhundert), wurde sie im 17. Jahrhundert von der Courante dort abgelöst.
Die Galliarde wird erstmals Ende des 15. Jahrhunderts in einer Schrift des Dichters Vincenzo Calmeta erwähnt[4]. Im Laufe des 16. Jahrhunderts verbreitete sie sich in Italien, Frankreich, England, Deutschland und anderen Regionen. In Musikquellen taucht die Gaillarde erstmals in unveröffentlichten italienischen Lautentabulaturen um 1520 auf[4]. In den nächsten Jahrzehnten erschienen zahlreiche Sammlungen von Instrumentalstücken, die Gaillarden enthalten, z. B. bei Pierre Attaingnant (1529),[5][6]Pierre Phalèse (Hortulus Cytharae. Löwen 1570),[7][8]Anthony Holborne und Alonso de Mudarra (Sevilla, 1546)[9][10] oder John Dowland.
Grundschritt ist der cinque-pas oder cinque passi, (deutsch: fünf Schritte), bestehend aus vier kleinen Sprüngen, abwechselnd vom linken auf den rechten Fuß, wobei der jeweils andere Fuß in der Luft nach vorn geführt wird. Der fünfte Abschlussschritt ist ein größerer Sprung, bei dem man den vorderen Fuß nach hinten führt und auf beiden Beinen landet (italienisch cadenza, französisch: sault majeur). Die Galliarde wurde sowohl solistisch als auch mit Partner getanzt. Charakteristisch für die Gaillarde sind die ausführlichen Variationen des Grundschritts, die improvisatorisch vor dem Partner bzw. dem Publikum gezeigt wurden. In den Tanzbüchern des 16. Jahrhunderts, insbesondere den Büchern von Compasso, Negri, Santucci, Lutij und Lupi werden hunderte solcher Schrittvariationen (im Italienischen mutanze genannt) beschrieben[11].
1589: Prospero Lutij: Opera Bellissima nella quale si contengono molte partite, et passeggi di Gagliarda, Perugia.
1600: Livio Lupi: Mutanze di Gagliarda, Tordiglione, Passo e Mezzo, Canari..., Palermo, (erweiterte Neuauflage unter verändertem Titel: Libro di Gagliarda, Tordiglione..., 1607).
1602: Cesare Negri: Le Gratie d'Amore, Mailand (Neuausgabe unter verändertem Titel: Nuove Inventioni di Balli, Mailand 1604).
1614: Ercole Santucci: Mastro da Ballo; Manuskript. Faksimile-Edition: Georg Olms Verlag, Hildesheim, 2004
Von Königin Elisabeth I. von England wird berichtet, dass sie noch in fortgeschrittenem Alter als regelmäßige morgendliche Übung sechs bis sieben Galliarden getanzt habe.[12][13] Der spanische Feldherr Don Juan de Austria soll während der Schlacht von Lepanto im Angesicht des Feindes mit zwei anderen Nobelherrn eine Galliarde getanzt haben.[14]
Literatur
Mareike Greb: Die Gaillarde und ihr Erbe : ein Palimpsest eines Renaissancetanzes. VDM, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-8223-3.
↑Adalbert Quadt: Lautenmusik aus der Renaissance. Nach Tabulaturen hrsg. von Adalbert Quadt. Band 1 ff. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1967 ff.; 4. Auflage ebenda 1968, Band 2, Einführung.
↑Hans Dagobert Bruger (Hrsg.): Pierre Attaingnant, Zwei- und dreistimmige Solostücke für die Laute. Möseler Verlag, Wolfenbüttel/Zürich 1926, S. 32.
↑ abBarbara Sparti: Lutio Compasso: Ballo della Gagliarda. "fa-gisis" Musik- und Tanzedition Uwe. W. Schlottermüller, Freiburg 1995, ISBN 3-931344-00-2, S.Einführung, S. 7.
↑Hubert Zanoskar (Hrsg.): Gitarrenspiel alter Meister. Original-Musik des 16. und 17. Jahrhunderts. Band 1 (= Edition Schott. Band 4620). B. Schott’s Söhne, Mainz 1955, S. 8 f.
↑Hans Dagobert Bruger (Hrsg.): Pierre Attaingnant, Zwei- und dreistimmige Solostücke für die Laute. Möseler Verlag, Wolfenbüttel/Zürich 1926, S. 2, 16, 20 f., 27, 32 und 34 f.
↑Heinz Teuchert (Hrsg.): Meister der Renaissance (= Meine ersten Gitarrenstücke. Heft 3 = Ricordi. Sy. 2201). G. Ricordi & Co. Bühnen- und Musikverlag, München 1971, ISBN 3-931788-33-4, S. 9.
↑Adalbert Quadt (Hrsg.): Gitarrenmusik des 16.–18. Jahrhunderts. Nach Tabulaturen hrsg. von Adalbert Quadt. Band 1–4. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1970 ff.; 2. Auflage ebenda 1975–1984, Band 1, S. 5 (Gagliarde als Nachtanz zur Pavane des bouffons), 6 (2 Gagliarden) und 58.
↑Frederick Noad: The Renaissance Guitar (= The Frederick Noad Guitar Anthology. Teil 1). Ariel Publications, New York 1974; Neudruck: Amsco Publications, New York / London / Sydney, UK ISBN 0-7119-0958-X, US ISBN 0-8256-9950-9, S. 51 und 84.
↑Siegfried Behrend (Hrsg.): Altspanische Lautenmusik für Gitarre (= Alte Europäische Lautenmusik für Gitarre. Heft 5 = Edition Sikorski. Nr. 527). Musikverlag Hans Sikorski, Hamburg 1959, S. 3 f.
↑Barbara Sparti: Ercole Santucci Perugino: Mastro da Ballo 1614. Georg Olms Verlag, Hildesheim / Zürich / New York 2004, ISBN 3-487-12683-4, S.Einführung, S. 6ff.
↑Das schrieb ein Höfling um Weihnachten 1589. Siehe: John E. Neale: Elisabeth I. – Königin von England. Diederichs, München 1994, ISBN 3-424-01226-2, S. 361.