2012 verarbeitete Bechdel die Beziehung zu ihrer Mutter in der Graphic Novel „Wer ist hier die Mutter? Ein Comic-Drama“ (engl.: „Are You My Mother?: A Comic Drama.“).
In sieben Kurzgeschichten rekapituliert Bechdel ihre Kindheit und Jugend im ländlichen Pennsylvania der 1960er-Jahre. Schwerpunkt ist ihr kompliziertes Verhältnis zu ihrem Vater Bruce, der das familieneigene Bestattungsunternehmen (engl.: Funeral Home, ironisch von der Familie zu Fun Home verkürzt, d. h. „Spaßhaus“) leitet. Während Alison ein rebellischer Tomboy ist, ist Bruce feminin und „bis zur Tyrannei“ perfektionistisch, was bis zu seinem frühen Tod (Verkehrsunfall, als sie 19 war) zu Spannungen zwischen ihm einerseits und Alison und ihren Brüdern Chris und John andererseits führt.
Die sieben Kapitel sind nichtlinear angeordnet: Es wird zwar chronologisch eine Zeitspanne von ca. zehn Jahren abgedeckt, aber diverse Geschehnisse werden wiederholt aufgegriffen und neu interpretiert, insbesondere auf mögliche Bedeutung für das „unmännliche“ Verhalten ihres Vaters und Alison Bechdels eigene „unweibliche“ Seite. Während der Story findet sie immer mehr Hinweise darauf, dass Bruce Bechdel insgeheim homo- oder bisexuell ist und sie selbst sich zu Frauen hingezogen fühlt. Auf dem College hat sie ihr coming out als Lesbe, worauf ihre Mutter gesteht, dass ihr Vater sie „mit diversen Männern“ betrogen habe. Kurz vor seinem Tod sprechen sich Vater und Tochter aus, und ihre Mutter leitet die Scheidung von ihm ein. Am Ende der Story kommt Bechdel zum Schluss, dass sein Tod tatsächlich Selbstmord gewesen ist: Da im Scheidungsprozess seine homosexuellen Affären ans Tageslicht gekommen wären, habe er den Freitod gewählt.
Rezeption
„Selbst wenn man es gewohnt ist, Gelesenes selbst in Bilder zu verwandeln, fühlt man sich von den detailreichen Zeichnungen nicht bevormundet. Vielmehr kann sich das Auge in den vielen eingearbeiteten Dokumenten verlieren: Tagebuchaufzeichnungen, Landkarten, Briefe und Lexikonartikel. Ein schnelles Durchblättern verbieten nicht nur die liebevollen Details, sondern auch die Querbezüge zwischen dem Haupttext und den in die Bilder integrierten Gedanken. Zum Glück geht Bechdel bei aller Belesenheit die tragische Geschichte mit einer ordentlichen Portion Komik an. Und so blättert man nach dem ersten Lesen gern zurück, um sich die eine oder andere Zeichnung noch einmal anzusehen.[1]“
„Verblüffende Memoiren eines Mädchens, welches in einer Kleinstadt mit einem reservierten, perfektionistischen Vater lebt und herausfindet, dass sie a) homosexuell ist und b) er auch. Atemberaubend clever erzählt und eloquent gezeichnet. Vergessen Sie Genre und Fragen sexueller Orientierung, dies ist ein Meisterwerk über zwei Menschen die im selben Haus, aber in verschiedenen Welten leben.[2]“
„Während der Story werden auf die unterdrückte Bisexualität und die daraus entstehenden Belastungen auf die Ehe von Bechdels Eltern hingewiesen... Bechdel hat das Talent, sowohl die kleinsten Nuancen als auch die generellen Strukturen zu erfassen, ohne dass es gezwungen wirkt.[3]“
– The Gay and Lesbian Review
Wegen des LGBT-orientierten Inhalts und der grafischen Darstellung lesbischer Szenen wurde Fun Home in den USA von konservativen Kritikern als „pornografisch und jugendgefährdend“ kritisiert.[4]
Die Off-Broadway Premiere war am 30. September 2013 im The Public Theater in New York. Die Spielzeit wurde mehrfach verlängert, so dass die Produktion bis Januar 2014 lief.[10][11] Die Regie führte Sam Gold. Die Produktion wurde als das erste Mainstream Musical über eine junge Lesbe bezeichnet.[12] Das Musical Fun Home war 2014 Finalist für den Pulitzer Prize für Drama und gewann den Lucille Lortel Award für Musical, den New York Drama Critics’ Circle Award für das beste Musical, und den Obie Award für Musiktheater.[13][14][15][16] Alison Bechdel zeichnete einen One-Page Comic über die Musical Adaptation für die Zeitung Seven Days.[17]
Die Broadway-Premiere war im April 2015 im Circle in the Square Theatre. Die Produktion gewann bei Tony Awards 2015 fünf Auszeichnungen, unter anderem die Kategorie 'bestes Musical'.[20]