Frühe HilfenFrühe Hilfen als Leitbild des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) sind koordinierte Hilfsangebote an (werdende) Familien und ihre Kinder ab der Schwangerschaft bis in die ersten Lebensjahre, vor allem bis zum dritten Lebensjahr der Kinder.[1] Eine erste Begriffsbestimmung „Frühe Hilfen“ wurde in Deutschland im Jahr 2006 vom NZFH entwickelt; das Konzept wurde in Modellprojekten in der Praxis erprobt, 2009 in Form einer Begriffsbestimmung weiterentwickelt und 2014 in Form eines von Leitsätzen formulierten Leitbildes gefasst.[2] KonzeptHintergrundIn den ersten Lebensjahren sind Kinder besonders schutzbedürftig. Gleichzeitig sind Mütter und Väter in dieser Zeit relativ offen für Rat und praktische Hilfe. Über niedrigschwellige Zugänge können Eltern frühzeitig erreicht und ihre Kompetenzen im Umgang mit dem Kind gestärkt werden. Frühe Hilfen beinhalten, dass familiäre Belastungen und Risiken für das Wohl des Kindes so früh wie möglich erkannt und passende, bedarfsgerechte Unterstützungsangebote zur Verfügung gestellt werden. Dazu zählen primär Angebote aus der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitssystem, der Frühförderung und der Schwangerenberatung. Die Frühen Hilfen umfassen sowohl Angebote im Sinne der Gesundheitsförderung (universelle/primäre Prävention) als auch Angebote an Familien in Problemlagen (selektive/sekundäre Prävention).[2] LeitsätzeDas 2014 vom NZFH veröffentlichte Leitbild ist in 14 Leitsätzen formuliert:[3][4]
ZielgruppenFrühe Hilfen stehen allen Familien und werdenden Eltern offen; richten sich aber insbesondere an Familien in belastenden Lebenslagen.[5] Belastende Faktoren wie niedriger Bildungsstand, Anzeichen einer Depression und Erfahrungen harter Bestrafungen in der Kindheit sind in Familien mit Migrationshintergrund häufiger als in Familien ohne Migrationshintergrund. Deutlich höheren Belastungen sind oft Flüchtlinge ausgesetzt.[5] Angebote der Kinder- und Jugendhilfe stehen allen Kindern zu, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, und sind nicht vom Aufenthaltsstatus abhängig. Das schließt Kinder im Asylverfahren und geduldete Kinder mit ein.[6] Entwicklung und Umsetzung in DeutschlandAktionsprogramm des BundesIm Jahr 2006 richtete das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Aktionsprogramms „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ ein Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) ein, dessen zentrale Aufgabe unter anderem die Initiierung und Unterstützung von Vernetzungsprozessen war. In Deutschland gab es bereits davor ein Angebot von Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder und Familien, einzelne Modelle für sich allein konnten jedoch keine gute Versorgung von Familien mit Unterstützungsangeboten gewährleisten. Gravierende Fälle von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung hatten jedoch 2006 Anlass zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte zum Kinderschutz in Deutschland gegeben. Hinzu kamen gestiegene Kosten in der Kinder- und Jugendhilfe sowie veränderte Krankheitsbilder bei Jugendlichen, mit mehr chronischen und psychischen Erkrankungen.[7] Das Aktionsprogramm wurde eingerichtet, um eine bessere Vernetzung zu erreichen und um Hilfen anzubieten, die passgenau auf Eltern und Kinder ausgerichtet sind.[8] Das Bundes-Aktionsprogramme „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ zielte auf die Prävention von Vernachlässigung und Misshandlung bei Säuglingen und Kleinkindern beginnend mit der Schwangerschaft bis zum Ende des dritten Lebensjahres. Vorrangige Zielgruppe waren Familien mit Kindern vom vorgeburtlichen Alter bis zum Alter von etwa drei Jahren, deren Lebenssituation durch hohe Belastungen und vielfältige und/oder schwerwiegende Risiken (etwa Armut, Gewalt oder Drogenkonsum im Elternhaus) gekennzeichnet war. Die Förderung der Bundesregierung war vorwiegend auf die wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung konzentriert. Dauerhafte Strukturen für frühe Hilfen und ein Frühwarnsystems waren in der Regel von den Trägern bzw. den Kommunen zu finanzieren.[9] Das Aktionsprogramm des Bundes formulierte sechs Anforderungen an Frühe Hilfen und soziale Frühwarnsysteme, die auch für die Zusammenarbeit des NZFH mit unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren aus der Fachpraxis und Forschung als Qualitätsdimensionen maßgeblich sind: (1.) systematischer und umfassender Zugang zur Zielgruppe, (2.) systematische und objektivierte Risikoerkennung, (3.) Motivierung der Familien zur aktiven Teilnahme an Hilfen, (4.) Anpassung der Hilfen an den Bedarf der Familie, (5.) Monitoring des Verlaufs der Hilfeerbringung und (6.) Verankerung der Hilfe im Regelsystem. Von 2007 bis 2011 wurden im Rahmen des Aktionsprogramms insgesamt zehn Modellprojekte umgesetzt.[10][11] 1. Januar 2012: Verankerung im Gesetz zur Kooperation und Information im KinderschutzZum 1. Januar 2012 trat das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) als Teil des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG) in Kraft. Nach § 1 Abs. 3 KKG hat die staatliche Gemeinschaft Eltern ausreichend bei der Ausübung ihrer Erziehungsverantwortung zu unterstützen. In Bezug auf Frühe Hilfen bedeutet dies, dass werdende Eltern bereits während der frühen Schwangerschaft bedarfsgerecht durch Anleitung und Hilfestellung bei der Versorgung des Säuglings und beim Aufbau einer Beziehung zum Kind zu unterstützen sind.[12] Das Gesetz sah für 2012 bis 2015 eine „Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen“ (§ 3 Abs. 4 KKG) – kurz: Bundesinitiative Frühe Hilfen – vor. Diese wurde später bis 2017 verlängert. Die Bundesinitiative wurde vom BMFSFJ mit insgesamt 279 Millionen Euro gefördert. Es handelte sich um eine gezielte Förderung von regionalen Netzwerken mit Zuständigkeit für Frühe Hilfen, des Einsatzes von Familienhebammen und vergleichbarer Berufsgruppen aus dem Gesundheitsbereich, von Ehrenamtsstrukturen und in diese Strukturen eingebundener Ehrenamtlicher sowie weiterer zusätzlicher Maßnahmen, beispielsweise Gruppenangebote für Eltern und Kinder.[13] Bundesstiftung Frühe HilfenIm Januar 2018 nahm die Bundesstiftung Frühe Hilfen ihre Arbeit auf. Sie fördert dauerhaft die Netzwerke Frühe Hilfen und stellt die Unterstützung von Familien mit Säuglingen und Kleinkindern sicher und setzt damit die Arbeit der Bundesinitiative Frühe Hilfen fort. Ihre Tätigkeit beruht auf dem Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG). Die Ziele der Stiftung sind die Stärkung der Elternkompetenz und Eltern-Kind-Bindung, der präventive Schutz von Kindern vor Missbrauch und Misshandlung sowie die Schaffung eines Netzwerks für Eltern und Kinder.[14] Die Stiftung soll sicherstellen, dass bestehende, in der Bundesinitiative Frühe Hilfen aufgebaute Strukturen und Angebote weiter bestehen bleiben und außerdem vor allem Angebote zur psychosozialen Unterstützung von Familien mit Kindern bis drei Jahre dabei weiter ausgebaut werden.[15] Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode sieht eine weitere Unterstützung der Stiftung Frühe Hilfen vor.[16] Verwandte Ansätze in anderen StaatenZu Ansätze und Institutionen in anderen Staaten, die (werdenden) Eltern und Kindern in den ersten Lebensjahren Unterstützung bieten, zählen Familien- oder Kinderzentren.[17] Weblinks
Einzelnachweise
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