Florence Beatrice Smith, Tochter der Musiklehrerin Florence (Gulliver) und des Zahnarztes James H. Smith, wurde am 9. April 1887 in Little Rock, Arkansas, als eines von drei Kindern in eine ethnisch gemischte Familie geboren und trat im Alter von vier Jahren erstmals als Pianistin auf.[1] An der Elementarschule ihrer Heimatstadt hatte sie Klavierunterricht bei Charlotte Andrews Stephens. Ihre erste Komposition wurde veröffentlicht, als sie elf Jahre alt war. Nach dem Besuch der Capitol High School studierte sie von 1903 bis 1906 am New England Conservatory Musiktheorie bei Frederick Shepherd Converse und George Whitefield Chadwick und Orgel bei Henry Morton Dunham.
Von 1906 bis 1910 unterrichtete sie in Arkansas am Shorter College, danach bis 1912 an der Clark Atlanta University. 1912 heiratete sie den Rechtsanwalt Thomas J. Price und ließ sich in Little Rock nieder, wo sie Privatunterricht gab und sich der Komposition widmete. Nach Rassenunruhen übersiedelte sie 1927 nach Chicago, Illinois.
Hier studierte sie am American Conservatory und am Chicago Musical College Komposition und Orchestration bei Carl Busch, Wesley La Violette und Leo Sowerby.[1] Sie wurde Teil der Chicago Black Renaissance, einer an der Harlem Renaissance orientierten sozialen und kulturellen Bewegung afroamerikanischer Kunstschaffender und Literaten, von deren Texten sie einige vertonte.[2] Zu ihren frühen kompositorischen Erfolgen zählten u. a. mehrere 1928 veröffentlichte Klavierstücke und die Aufführung ihrer ersten, an ein Spiritual angelehnten Fantasie Nègre (1929) durch ihre Schülerin Margaret Bonds 1930.[3] Nach der Scheidung von Thomas J. Price 1931 lebte sie von ihren Einkünften als Klavierlehrerin und der Komposition von populären Songs, die sie unter dem Pseudonym Vee Jay veröffentlichte. Außerdem betätigte sie sich als Stummfilmorganistin und orchestrierte Stücke für den Rundfunk.[1]
Den Durchbruch als Komponistin markierte ihre Sinfonie e-Moll, mit der sie 1932 den Wanamaker Prize gewann und die zur Weltausstellung 1933 vom Chicago Symphony Orchestra unter Leitung von Frederick Stock uraufgeführt wurde.[1][4] Price war damit die erste Afroamerikanerin, deren Orchesterwerk von einem großen US-Orchester gespielt wurde.[5] Im Jahr darauf brachte sie ihr Concerto in One Movement für Klavier zur Aufführung, wobei sie selbst als Solistin auftrat.[5] Am bekanntesten wurde Prices Arrangement des Spirituals My Soul’s Been Anchored in the Lord – die Opernsängerin Marian Anderson interpretierte es 1939 vor 75000 Menschen bei einem historischen Konzert am Lincoln Memorial, nachdem ihr als „Woman of Color“ verwehrt worden war, in der Constitution Hall aufzutreten.[2] Prices 1938 begonnene Sinfonie Nr. 3 kam 1940 mit dem Detroit Civic Orchestra zur Uraufführung.[6] Im selben Jahr wurde sie, gefördert von John Alden Carpenter, Mitglied der American Society of Composers, Authors and Publishers (ASCAP).[1] In England führte der Dirigent John Barbirolli ihre Suite für Streicher mit dem Hallé-OrchesterManchester auf.[5]
Trotz einzelner Erfolge wurde ihr zu Lebzeiten kein Platz im Kanon der amerikanischen Musikgeschichte zugestanden. Ein Großteil ihrer rund 300 Kompositionen blieb unveröffentlicht.[7] 1943 umriss sie in einem Brief an den Dirigenten Sergei Kussewizki ihre Situation: „(...) ich habe zwei Handicaps (...), ich bin eine Frau und ich habe auch schwarzes Blut in meinen Adern.“[8][7]
Am 3. Juni 1953 erlag Florence Price in Chicago einem Schlaganfall.
Rezeption und Diskographie (Auswahl)
Nach ihrem Tod geriet ihre Musik in Vergessenheit. Erst ab den 1970er Jahren erschienen im Zuge des Interesses an afroamerikanischer Musik einzelne Werke auf Tonträgern. Im Jahr 2002 lagen rund 20 ihrer Kompositionen in Einspielungen vor.[9] 2009 wurden bei einer Hausrenovierung in St. Anne, Illinois, zahlreiche Manuskripte, Bücher, Noten und Partituren von Florence Price wiederentdeckt.[7] Allein bei den US-Orchestern zeichnete sich nach 2018 ein weiterer Schub in der Rezeption ab: Während ihre Sinfonie Nr. 1 in diesem Jahr zwei Aufführungen erlebte, waren es 2019 bereits über 70 Aufführungen.[10] 2020 wurde das International Florence Price Festival gegründet, das sich der Wiederentdeckung ihrer Werke verschrieben hat.[11] Hier eine Auswahl an Tonträgern, die ausschließlich Price-Einspielungen enthalten:
2012: Sinfonie Nr. 3, Concerto in one movement. Reihe Recorded Music of the African Diaspora. Karen Walwyn (Piano), Leslie Dunner (Dirigent), New Black Music Repertory Ensemble. Albany Records
2018: Violinkonzerte Nr. 1 und 2. Er-Gene Kahng (Violine), Ryan Cockerham (Dirigent), Janáček-Philharmonie Ostrava. Albany Records
2019: Sinfonien Nr. 1 und 4. John Jeter (Dirigent), Fort Smith Symphony. Naxos
2020: Konzertouvertüre Nr. 1, Sinfonie Nr. 3, Mighty River, Arise, Athena! Michael Seal, Valentina Peleggi, Nicholas Collon, Marin Alsop (Dirigenten), BBC Symphony Orchestra, BBC National Orchestra of Wales. BBC Music Magazine Collection
2021: Sinfonie Nr. 3, The Mississippi River, Ethiopian’s Shadow in America. John Jeter (Dirigent), ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Naxos
2021: Fantasie Nègre. The Piano Music. Samantha Ege (Piano). Lorelt
The glory of the day was in her face für Stimme und Klavier, Text: James Weldon Johnson
The heart of a woman für mittlere Stimme und Klavier
The island of my dreams für Stimme und Klavier, 1928
The moo-cow, Fido, and Kitty für Stimme und Klavier, 1949
The moon bridge, für hohe Stimme und Klavier, Text: Mary Rolofson Gamble, 1930
The poet and his song für mittlere Stimme und Klavier
The retort für mittlere Stimme und Klavier
The washerwoman für mittlere Stimme und Klavier
Then I found heaven when I found you für Stimme und Klavier, 1938
They lie, they lie für mittlere Stimme und Klavier, Text: David Morton. 1946
To my little son für hohe Stimme und Klavier, Text: Julia Johnson Davis
Travel’s end für hohe Stimme und Klavier, Text: Mary Falwell Hoisington
Trouble done come my way für mittlere Stimme und Klavier
Wander thirst für mittlere Stimme und Klavier
We have tomorrow für mittlere Stimme und Klavier
Weary traveler für mittlere Stimme und Klavier
What is love? für Stimme und Klavier
What’s the use? für mittlere Stimme und Klavier, 1930
Who grope with love for hands für mittlere Stimme und Klavier
Winter idyll für mittlere Stimme und Klavier
Winter must come für Stimme und Klavier
Won’t you please play Santa Claus? für Stimme und Klavier, 1928
Words for a spiritual für mittlere Stimme und Klavier, 1948
You didn’t know this baby für Stimme und Klavier, 1928
You’re in my heart to stay für Stimme und Klavier, 1948
Your leafy voice für mittlere Stimme und Klavier
Bearbeitungen/Adaptionen
Orchesterwerke
Adoration (1951/2024) für Orgel – Bearbeitung für Orchester von Kai Johannes Polzhofer[13]
Literatur
Rae Linda Brown: The heart of a woman : the life and music of Florence B. Price, edited and with a foreword by Guthrie P. Ramsey, Jr. ; afterword by Carlene J. Brown, Urbana : University of Illinois Press, 2020, ISBN 978-0-252-08510-9.