Fermi-ProblemAls Fermi-Problem oder Fermi-Frage bezeichnet man eine quantitative Abschätzung für ein Problem, zu dem zunächst praktisch keine Daten verfügbar sind. Es ist benannt nach dem Kernphysiker Enrico Fermi, der dafür bekannt war, trotz mangelnder Informationen spontan gute Abschätzungen liefern zu können – beispielsweise warf er beim ersten Atombombentest (Trinity-Test) Papierschnipsel in die Luft und beobachtete, wie weit diese durch die Druckwelle weggeblasen wurden; daraus konnte er direkt vor Ort die ungefähre Sprengkraft der Bombe abschätzen, lange bevor die Sensormessungen ausgewertet waren. VorgehensweiseDas Herausfordernde an derartigen Problemen ist, dass man weder direkte Erfahrungswerte aus einem ähnlichen Problem hat, noch die nötigen Daten zur Verfügung stehen, mit denen man direkt eine Berechnung anstellen könnte. Andererseits kennt man die Zusammenhänge im Umfeld des Problems recht gut und kann diese nutzen, um auf indirektem Weg zu einer Lösung zu kommen. Die Voraussetzung für die Lösung eines Fermi-Problems ist also ein gewisses Allgemeinwissen und „gesunder Menschenverstand“. Da sich dieses Vorwissen jedoch nicht unmittelbar für die Lösung nutzen lässt, muss man dieses Vorwissen quantifizieren und dabei die jeweiligen Annahmen begründen. Aus diesen Teilabschätzungen lässt sich dann das Gesamtergebnis – oft erst in mehreren Stufen – ermitteln. Das Fehlen der Erfahrungswerte für das Gesamtproblem kompensiert man also dadurch, dass für Teilprobleme Erfahrungswerte vorhanden sind; und das Fehlen der Daten für die Berechnung kompensiert man aus diesen Abschätzungen für die Teilprobleme. Das Gesamtergebnis ist oft erstaunlich genau (zumindest in der richtigen Größenordnung). Da man die Teilprobleme recht gut kennt (bzw. diese noch weiter zerlegen könnte), sind deren Abschätzungen recht gut und bewegen sich rund um die tatsächlichen Werte. Zudem treten durchweg keine systematischen Fehler auf, sondern es ist wahrscheinlich, dass sich die Abschätzungsfehler zum Teil gegenseitig aufheben – wenn die eine Größe als zu groß geschätzt wurde, wurde eine andere vielleicht als zu klein geschätzt. Beispiel: Klavierstimmer in ChicagoDas klassische Beispiel für ein Fermi-Problem ist die Frage nach der Zahl der Klavierstimmer in Chicago. Hier hat man zunächst weder statistische Daten, mit denen man eine Berechnung starten kann (wie etwa die durchschnittliche Anzahl der Klavierstimmer pro 1000 Einwohner), noch Erfahrungswerte aus anderen Städten, die man auf Chicago extrapolieren kann. Man weiß jedoch recht genau, wie ein Klavierstimmer arbeitet; daraus ergibt sich z. B. folgende Rechnung. Annahmen:
Daraus ergibt sich die Zahl der pro Jahr zu stimmenden Klaviere in Chicago:
Ein Klavierstimmer kann folgende Arbeit bewältigen:
Demnach müsste es etwa 100 Klavierstimmer in Chicago geben. Dieses Wissen kann man beispielsweise so nutzen: Wenn man ein Geschäft eröffnen möchte, das Werkzeuge für Klavierstimmer verkauft, und aus einer weiteren Abschätzung weiß, dass man 10.000 potenzielle Kunden braucht, sieht man, dass sich so ein Geschäft selbst in einer Großstadt wie Chicago bei weitem nicht lohnen würde. Aber man kann seine Planungen modifizieren und jeweils nachrechnen, bis man auf ein vermutlich funktionierendes Geschäftsmodell gestoßen ist. Anwendung
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