Ernst Krenek, Sohn eines k.u.k.-Offiziersböhmischer Herkunft, besuchte von 1911 bis 1919 das Wiener Gymnasium Klostergasse und begann schon während dieser Zeit im Alter von 16 Jahren sein Kompositionsstudium bei Franz Schreker in Wien. Nach seinem Militärdienst und einem zweisemestrigen Philosophiestudium folgte er 1920 seinem Lehrer nach Berlin, wo er bald im Kreise bedeutender Musiker wie Ferruccio Busoni, Hermann Scherchen und Eduard Erdmann verkehrte. Seine frühesten Werke sind in freier, sehr individueller Atonalität geschrieben, so die komische Oper Der Sprung über den Schatten.
1923 lernte Krenek in Berlin Anna Mahler (1904–1988) kennen, die dort ein Kunststudium begonnen hatte. Die beiden heirateten am 15. Januar 1924; sie verließ ihn im November 1924. Während dieser Zeit stellte Krenek sein Violinkonzert (op. 29) fertig. Die österreichische Geigerin Alma Moodie assistierte Krenek dabei, unterstützt von ihrem schweizerischen Mäzen Werner Reinhart. Auf dessen Anregung lebten Krenek und Mahler zeitweise in Zürich. Krenek widmete das Violinkonzert Moodie; es wurde am 5. Januar 1925 in Dessau uraufgeführt.[1] Krenek und Moodie hatten eine Affäre.
Unter dem Einfluss Strawinskys und des französischen Neoklassizismus veränderte sich Kreneks Kompositionsstil hin zum Eingängigeren und Unterhaltsameren. Während seiner Tätigkeit von 1925 bis 1927 als Assistent von Paul Bekker, dem Intendanten der Oper Kassel, entstand so sein größter Publikumserfolg, die am 10. Februar 1927 an der Oper Leipzig uraufgeführte, so genannte „Jazz-Oper“ Jonny spielt auf. Sie war eine der meistgespielten Opern der 1920er Jahre und ein großer Publikumserfolg. Hanns Eisler nannte sie in einer Rezension im Oktober 1927 ein „langweiliges und geistloses Stück“, schrieb aber ausdrücklich, dass er Krenek ansonsten für einen sehr begabten Komponisten halte.[2]
Krenek blieb Assistent von Paul Bekker, als dieser von Kassel ans Staatstheater Wiesbaden wechselte. Er kehrte 1928 nach Wien zurück und heiratete am 3. September 1928 die bekannte Schauspielerin Berta Hermann (1885–1974).[3] Wieder wandelte sich sein Kompositionsstil: er beschäftigte sich intensiv mit der Musik Schuberts und hatte eine neoromantische Phase, in deren Hochphase 1929 er die Oper Leben des Orest und den Liederzyklus Reisebuch aus den österreichischen Alpen komponierte. Im gleichen Jahr begann seine Auseinandersetzung mit der ZwölftontechnikArnold Schönbergs, die in den folgenden Jahren sein Schaffen prägte.
Krenek komponierte in der Zeit von 1930 bis 1933 die Zwölfton-Oper Karl V. Deren Uraufführung (geplant 1934 in der Wiener Staatsoper) wurde aus politischen Gründen verhindert und fand erst 1938 in Prag statt.
1937 reiste Krenek zum ersten Mal in die USA. Nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 entschied sich Krenek dafür, in den USA zu bleiben; er setzte seine akademische Lehrtätigkeit fort und befasste sich mit der älteren Musikgeschichte.[3]
Ab 1939 lehrte am Vassar College in Poughkeepsie, New York; von 1942 bis 1947 lehrte er an der School of Fine Arts der Hamline University in Saint Paul, Minnesota. 1945 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Die Schreibweise seines Namens hatte er in Amerika der Einfachheit halber von Křenek auf Krenek geändert. Von 1947 bis 1966 lebte er in Los Angeles und hielt Gastvorlesungen an diversen Universitäten. 1950 heiratete er die Komponistin Gladys Nordenstrom-Krenek (1924–2016). Zu den bedeutendsten Werken dieser Jahre gehören das Chorwerk Lamentatio Jeremiae prophetae (1941) und die Oper Pallas Athene weint (1955).
Ungebrochen war weiterhin die Experimentierfreude Kreneks. Seit den 1940er Jahren beschäftigte er sich mit der seriellen Musik und in den 1950er Jahren fand auch die elektronische Musik in sein Schaffen Einzug, so im Pfingstoratorium Spiritus intelligentiae sanctus (1955–1956, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Studio für elektronische Musik des WDR in Köln).[5] 1950 kam Krenek nach Deutschland[6] zurück und war auch wieder in Europa als Interpret seiner Werke tätig. So dirigierte er am 22. Oktober 1951 in Köln die europäische Uraufführung seines Klavierkonzerts.[6]
1966 zog er nach Palm Springs (Kalifornien). Bis in seine letzten Lebensjahre komponierte er unermüdlich, so dass sein Œuvre die Opusnummer 242 erreichte. Sein Schaffen umfasst fast alle Stilrichtungen des 20. Jahrhunderts, und, ähnlich wie Strawinsky, erreichte er in jedem Stil eine Meisterschaft. Krenek war dabei auch im Bereich der Tonbandmusik und elektronischen Musik tätig. Zu seinem Studio gehörten zwei Buchla-Synthesizer aus dem Jahre 1967.[7]
Ernst Krenek hinterließ ein umfangreiches literarisches Œuvre, darunter 1.000 Aufsätze und unzählige Briefe.[8] Er trat auch als Autor der Wiener Zeitung in Erscheinung, wo er von 1934 bis 1938 für das Feuilleton breitgefächerte Beiträge zu Kulturphänomenen, Reiseberichte und Buchrezensionen verfasste. Trotz der im Austrofaschismus herrschenden Zensur lobte er in seinen Rezensionen Werke von Bert Brecht und ein frühes Werk des Marxisten Ernst Bloch.[9][10][11]
Suite für Gitarre allein, op. 164 (1957), auf Anregung von Theodore Norman entstanden[22] und diesem gewidmet.[6]
Toccata für Akkordeon, op. 183 (1962)
Four Winds Suite für Orgel, op. 223 (1976)
Schriften
„Handwerk“ des Komponisten. In: Frankfurter Zeitung. Reichsausgabe vom 7. Oktober 1934, Nummer 510–511, S. 13.
Über neue Musik. Sechs Vorlesungen zur Einführung in die theoretischen Grundlagen. Ringbuchhandlung, Wien 1937. (Reprint: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977.)
Im Atem der Zeit. Erinnerungen an die Moderne. Autobiografie, übersetzt von Friedrich Saathen. Hoffmann und Campe, Hamburg 1998, ISBN 3-455-11170-X; Reprint: Braunmüller, Wien 2012, ISBN 978-3-99200-048-7 (In Kooperation mit dem Ernst-Krenek-Institut. Rev. Übersetzung von Sabine Schulte).
Gedanken unterwegs. Dokumente einer Reise. Hrsg. von Friedrich Saathen. Albert Langen / Georg Müller, München 1959.
Prosa, Dramen, Verse (Texte von 1925–1963). Albert Langen – Georg Müller, München / Wien 1965.
In der Zeiten Zwiespalt. Schriften eines unbekannten Bekannten, hg. von Martina Riegler, Braumüller Verlag, Wien 2012.
Die drei Mäntel des Anton K. / The three Overcoats of Anton K. (hrsg. v. Matthias Henke) Edition Memoria, Hürth 2020.
Claudia Maurer-Zenck (Hrsg.): Der hoffnungslose Radikalismus der Mitte: Briefwechsel Ernst Krenek – Friedrich T. Gubler; 1928–1939. Böhlau, Wien u. a. 1989, ISBN 3-205-05248-X.
Claudia Maurer-Zenck (Hrsg.): Die amerikanischen Tagebücher: 1937–1942; Dokumente aus dem Exil. Böhlau, Wien u. a. 1992, ISBN 3-205-05467-9.
Claudia Maurer-Zenck (Hrsg.): Ernst Krenek – Briefwechsel mit der Universal Edition (1921–1941). Böhlau, Köln/Weimar u. a. 2010; 2 Bände, ISBN 978-3-412-20570-6
Matthias Schmidt: Echoes from Austria: Musik als Heimat: Ernst Krenek und das österreichische Volkslied im 20. Jahrhundert (= Ernst-Krenek-Studien, Band 3). Edition Argus, Schliengen [o. J.], ISBN 978-3-931264-32-1.
Christoph Taggatz: Gesang des Greises: Ernst Krenek und die historische Notwendigkeit des Serialismus (= Ernst-Krenek-Studien, Band 4). Edition Argus, Schliengen 2008, ISBN 978-3-931264-33-8 (Dissertation Universität Münster 2006, 357 Seiten).
Philipp Weber: Zwischen Avantgarde und Tradition. Ernst Kreneks neoklassizistische Werke (= Ernst-Krenek-Studien, Band 6). Edition Argus, Schliengen 2015, ISBN 3-931264-35-1 (Dissertation Universität Hamburg 2013/2014, 265 Seiten, Notenbeispiele).
Matthias Henke: „Ich hab’ von dem fahrenden Zuge geträumt …“. Die Lebensreise des Ernst Krenek, oder The One-Man History of Twentieth-Century Music. Katalog zur Ausstellung im Ernst Krenek Forum, Krems 2008, ISBN 978-3-9502587-0-7.
Matthias Henke (Hrsg.): Schönheit und Verfall. Beziehungen zwischen Thomas Mann und Ernst Krenek. Klostermann, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-465-03845-0.
↑Hanns Eisler: Musik und Politik. Schriften 1924–1928. In: Günther Mayer (Hrsg.): Eisler, Hanns: Gesammelte Werke. Serie 3. 1. Auflage. Band1. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1973, DNB770387918, S.34ff. (534 S., Volltext in der Google-Buchsuche [abgerufen am 9. Oktober 2019]).
↑300 Jahre Wiener Zeitung. 1703–2003. Eine Festschrift, mit einem Begleitteil zur Ausstellung „Zeiten auf Seiten“ in der Österreichischen Nationalbobliothek (Wien 2003), S. 110.
↑Wiener Zeitung, 7. Jänner 2022, Zeitreisen Nr. 427, "Die WZ und das Prinzip Hoffnung" von Andrea Reisner
↑1. Ensemblekonzert Kaiserslautern 2017/2018, 22. Oktober 2017, am 7. Dezember 2017 ab 20:05 Uhr auf SR2 ausgestrahlt
↑Ernst Krenek: Sehr verehrter Herr Gruen […]. (Brief von Ernst Krenek an Andreas Grün vom 29. Dezember 1983) In: Gitarre & Laute 6, 1984, Heft 3, S. 4.