Die Schule wurde am 20. März 1804 als Lehranstalt für Töchter („die weibliche Jugend, das weibliche Geschlecht“) der „mittleren Bürgerklasse“ durch den Prediger Hermann Friedrich Behn, den Hauptpastor an St. MarienBernhard Heinrich von der Hude und drei weitere „angesehene Bürger“, darunter der namensgebende Stifter Ernst Hermann Kurtzhals, gegründet. Am 3. Juli begann sie mit dem Unterricht, der im ehemaligen, seit Johann Adolph Schinmeiers Tod leerstehenden Amtssitz der Superintendenten im Innenhof der Wehde in der Mengstraße stattfand. Von 1804 bis 1900 war die Schule eine privat betriebene Einrichtung, die seit 1830 den Namen „Ernestinenschule“ trägt.[2] Im April 1900 ging die zehnklassige Höhere Mädchenschule an den Staat Freie und Hansestadt Lübeck über und erhielt vier Jahre später durch den Baudirektor Johannes Baltzer das repräsentative Gebäude in der Kleinen Burgstraße 24–26, das die Stadt Lübeck noch heute besitzt und betreibt. 1902 wurde der Schule ein staatliches Seminar für Lehrerinnen an mittleren und höheren Mädchenschulen angegliedert und von dem OberlehrerAlbin Möbusz unter dem Direktor Paul Hoffmann geleitet. Bis dahin hatten Lübecker Lehrerinnen ihre Ausbildung am Roquetteschen privaten Lehrerinnenseminar erhalten. 1919 wurde das Seminar an der Ernestinenschule aufgelöst und eine realgymnasiale Studienanstalt eingerichtet. Seit 1981/1982 die Koedukation eingeführt wurde, trägt sie die Bezeichnung Gymnasium für Mädchen und Jungen der Hansestadt Lübeck. Hinter Treppengiebeln der Renaissance von Brauhäusern aus dem 16. Jahrhundert (zuletzt genutzt bis 1972 durch die Brauerei Hans Wilcken) entstand 1981 im Rahmen der Altstadtsanierung mit Städtebauförderungsmitteln der Turnhallenneubau der Ernestinenschule auf den Grundstücken Engelswisch 15–21 als Voraussetzung der Koedukation.
Heute besuchen 800 Mädchen und Jungen das Gymnasium in der Lübecker Altstadt; 67 Lehrkräfte unterrichten sie (Stand: März 2019). Im benachbarten denkmalgeschützten backsteingotischen Kranen-Konvent ist seit 2013 die neue Mensa der Schule und die Orientierungsstufe untergebracht.
Seit 2013 ist die Ernestinenschule erfolgreiche Jugend debattiert Schule. Im März 2019 gewann eine Schülerin der Ernestinenschule erstmals den Jugend debattiert Landeswettbewerb Schleswig-Holstein[3] im Landeshaus Kiel.
Seit Januar 2015 ist die Ernestinenschule Europaschule.
Im Jahr 2019 etablierte die Ernestinenschule eine Schulpartnerschaft mit der mosambikanischen Schule Josina Machel in Gondola.
Die Ernestinenschule ist im Juni 2024 zur Schule des Jahres 2024 in Schleswig-Holstein gekürt worden.[4]
Persönlichkeiten
Schüler
Luise Reuter, geb. Kuntze (1817–1894), 1834/35 Schülerin der Ernestinenschule, später Ehefrau von Fritz Reuter
Isa Vermehren (1918–2009), Kabarettistin, Schauspielerin, Ordensschwester (1933 von der Schule verwiesen)
Pauline Roquette (* 25. Dezember 1828; † unbekannt), Lehrerin an der Töchterschule ihrer Schwestern[5]
Clara Roquette (* 18. Januar 1836; † unbekannt), 1871 Gründerin einer Töchterschule in der Burgstraße 611 (jetzt 25), 1877 Gründerin eines Lehrerinnenseminars mit der Schwester Amélie
Emma Grünfeldt (* 8. September 1880 in Wismar, am 6. Dezember 1941 deportiert ins Lager Jungfernhof bei Riga), Lehrerin an der späteren Kahlhorstschule[6]
Bruno Grusnick (1900–1992), Musikwissenschaftler und Kirchenmusiker (Studienrat ab 1928)
Rolf Saltzwedel (1928–2016), Heimathistoriker und -publizist (Direktor von 1976 bis 1990)
Literatur
Heinrich Christian Zietz: Ansichten der freien Hansestadt Lübeck und ihrer Umgebungen. Mit 16 Kupferstichen. Friedrich Wilmans, Frankfurt am Main 1822 (Nachdruck Lübeck 1978), S. 285 ff.
150 Jahre Ernestinenschule zu Lübeck. Lübeck 1954
Ernestinenschule zu Lübeck. Lübeck 1970
175 Jahre Ernestinenschule zu Lübeck. hg. v. Rolf Saltzwedel. Lübeck 1979
Peter Guttkuhn: Lübecks Mädchengymnasium feiert: 175 Jahre Ernestinenschule zu Lübeck. In: Vaterstädtische Blätter, 30. Jg. (1979), Seite 39.
Peter Guttkuhn: Die Lübecker Geschwister Grünfeldt. Vom Leben, Leiden und Sterben „nichtarischer“ Christinnen. Lübeck 2001, ISBN 978-3-7950-0772-0.
200 Jahre Ernestinenschule. Von der Lehranstalt für Töchter zum Gymnasium für Mädchen und Jungen. Lübeck 2004, ISBN 3-00-013239-2.
Peter Guttkuhn: Eine Lehranstalt für die „mittlere Bürgerklasse“. Ernestinenschule feiert 200-jähriges Bestehen ab 1. Juni mit einer Festwoche. In: Lübeckische Blätter, 2004, Seite 313–316.
Peter Guttkuhn: Ernestinenschule zu Lübeck. Von der Lehranstalt für die „mittlere Bürgerklasse“ zum Gymnasium für Mädchen und Jungen. www.hier-luebeck.de Interaktives Online-Magazin für Lübeck, 14. September 2008, abgerufen am 28. Dezember 2012.
Christine Lipp: Frauen in der Lübecker Geschichte. Frauenbüro der Hansestadt Lübeck (Hrsg.), Lübeck 2005
Der Neubau der Ernestinenschule in Lübeck. In Zentralblatt der Bauverwaltung, 26. Jahrgang, Nr. 5 (13. Januar 1906), S. 27–31.
Der Neubau der Ernestinenschule in Lübeck. In Zentralblatt der Bauverwaltung, 26. Jahrgang, Nr. 7 (20. Januar 1906), S. 46–49.
Jörg Fligge: Lübecker Schulen im „Dritten Reich“: eine Studie zum Bildungswesen in der NS-Zeit im Kontext der Entwicklung im Reichsgebiet, Schmidt-Römhild, Lübeck 2014, S. 628 ff.
↑Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein: Verzeichnis der allgemeinbildenden Schulen in Schleswig-Holstein 2017/2018
↑Um 1820 hatte Lübeck neben den öffentlichen Schulen 50 Privat-Institute, davon wurden 44 Schulen von Frauen geleitet. Die bekannteste Schulleiterin der Zeit war Margaretha Elisabeth Jenisch. Die Gesamtschülerzahl in Lübeck belief sich auf 4.000 (Ohne die Schüler des Gymnasiums Katharineum). Nach Heinrich Christian Zietz: Ansichten der freien Hansestadt Lübeck und ihrer Umgebungen. Mit 16 Kupferstichen. Friedrich Wilmans, Frankfurt am Main 1822 (Nachdruck Lübeck 1978), S. 286.