Der Sohn des presbyterianischen Pfarrers und Hymnologen Alexander MacMillan hatte ab dem achten Lebensjahr Orgelunterricht bei Arthur Blakeley, dem Organisten der Methodistenkirche in der Sherbourne Street in Toronto. Von 1905 bis 1908 lebte er mit seinem Vater in Edinburgh. Hier nahm er Orgelunterricht bei dem blinden Organisten Alfred Hollins und besuchte an der University of Edinburgh Musikklassen von Friedrich Niecks und W. B. Ross.
Nach seiner Rückkehr nach Toronto erhielt er fünfzehnjährig seine erste Organistenstelle an der Knox Presbyterian Church, die er zwei Jahre innehatte. Danach studierte er in London am Royal College of Organists, erlangte den Grad eines Bachelor of Music an der Oxford University und studierte von 1911 bis 1914 moderne Geschichte an der University of Toronto.
1914 reiste er nach Paris und nahm dort privaten Unterricht bei Thérèse Chaigneau. Als Gast der Bayreuther Festspiele wurde er vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht und als feindlicher Ausländer im Lager Ruhleben bei Berlin interniert. Hier leitete er ein kleines Lagerorchester, mit dem er Konzerte gab und Musicals aufführte und widmete sich der Komposition, und er lernte die englischen Komponisten Benjamin Dale und Quentin Maclean kennen, mit denen ihn eine dauerhafte Freundschaft verband.
Nach seiner Rückkehr nach Toronto 1919 erhielt er die Stelle des Organisten und Chorleiters an der Timothy Eaton Memorial Church in Toronto, die er bis 1925 innehatte. Ab 1920 unterrichtete er Orgel an der Canadian Academy of Music, die später mit dem Toronto Conservatory of Music vereint wurde. 1926 folgte er Augustus Stephen Vogt als deren Leiter nach. Er gründete hier die Conservatory Opera Company , mit der er zwischen 1928 und 1930 mehrere Opern aufführte. Daneben wurde er 1927 Dekan der Musikfakultät an der University of Toronto. Zu seinen Schülern aus dieser Zeit zählen die Organisten Charles Peaker und Frederick C. Silvester.
Nach Zusammenarbeit als Gest wurde er 1931 auf Anregung von Luigi von Kunits Chefdirigent des Toronto Symphony Orchestra. 1935 wurde er von König George V. für seine Verdienste um die Musik in Kanada als Knight Bachelor geadelt. 1936 gründete Marjorie Agnew, Lehrerin an der Templeton Junior High School in Vancouver eine Reihe von Gruppen zur Förderung des Kunstverständnisses junger Menschen, die den Namen Sir Ernest MacMillan Fine Arts Clubs erhielten. In den späten 1930er Jahren bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs trat MacMillan als Dirigent auch in den USA und England auf. 1942 wurde er Nachfolger von Herbert A. Fricker als Dirigent des Toronto Mendelssohn Choir.
1946 gehörte MacMillan zu den Gründern des Canadian Music Council, dessen Leitung er im Folgejahr übernahm, außerdem war er von 1947 bis 1963 Präsident der Composers, Authors and Publishers Association of Canada (CAPAC). Nach Konzerten in Australien und Südamerika leitete er Anfang der 1950er Jahre Aufführungen der großen Chorwerke Bachs in Toronto. Nach internen Auseinandersetzungen
gab er 1956 die Leitung des Toronto Symphony Orchestra ab, im Folgejahr trat er auch als Dirigent des Mendelssohn Choir zurück.
Er arbeitete dann als Gastdirigent u. a. des CBC Symphony Orchestra und verschiedener Rundfunkorchester beim CBC Talent Festival. In den 1960er Jahren stellte er wegen seiner sich verschlechternden Gesundheit die Dirigententätigkeit ein, trat aber noch als Kommentator in Musikprogrammen der CBC auf. Im neuen Gebäude der Musikfakultät der University of Toronto im Edward Johnson Building wurde 1964 das MacMillan Theatre nach ihm benannt. Seit 1963 fanden bei den Sommerkursen der Universität die MacMillan Lectures statt, bei denen er auch selbst auftrat. Sein 70. und 75 Geburtstag wurden öffentlich begangen und 1970 wurde MacMillan als Companion des Order of Canada ausgezeichnet.
Nach zwei Schlaganfällen verstarb MacMillan 1973. Posthum wurde er mit der Canadian Music Council Medal ausgezeichnet, der Mendelssohn Choir und die CAPAC stifteten Stipendien zu seinem Gedenken. Sein Nachlass kam in den Besitz der National Library of Canada. 1986 gründeten seine Söhne Keith und Ross MacMillan die Sir Ernest MacMillan Memorial Foundation zur Förderung der Ausbildung junger kanadischer Musiker.
Werke
Snow White, Oper, 1907
Magnificat in B flat für Chor und Orgel, 1908
Sleepy Time Songs No. 1 und No. 2, Lieder, 1910, 1911
Du bist wie eine Blume, Lied, 1913
String Quartet in C Minor, 1914
Overture ‚Cinderella‘ für Orchester, 1915
Overture ‚Don’t Laugh‘ für Orchester, 1915
O Mistress Mine, Lied, 1917
Three Songs for High Baritone from ‚The Countess Cathleen‘, 1917
4 Fugues for string quartet, 1917
In dulci jubilo für Orgel, 1917
Songs from Sappho, Lieder, 1920
Overture für Orchester, 1924
Two Carols für Sopran und Streichtrio, 1925
Padded Footsteps, Lied, 1925
That Holy Thing, Lied, 1925
I Heard a Voice from Heaven für Chor, 1925
Two Sketches for Strings ‚based on French-Canadian Airs‘ für Streichorchester oder -quartett, 1927
Six Bergerettes du bas Canada für Sopran, Alt, Tenor und vier Instrumente, 1928
Recessional für Chor oder Stimme und Klavier, 1928
Sonnet, Lied, 1928
Three Indian Songs of the West Coast, 1928
Last Prayer, Lied, 1929
Three French Canadian Sea Songs für mittlere Stimme und Streichquartett, 1930
O Canada für Chor und Orchester, 1930
Prince Charming, Oper, 1931
Overture ‚Scotch Broth‘ für Orchester, 1933
God Save the King für Chor und Orchester oder Klavier, 1934
Hail to Toronto für Chor, 1934
The King Shall Rejoice in Thy Strength für Chor und Orgel, 1935
Northland Songs, 1938
Canada Calls/Debout Canadiens!, Lied, 1942
Land of the Maple Leaf für Chor und Klavier, 1943
A Song of Deliverance für Chor und Orchester oder Orgel, 1944
Christmas Carols für Orchester, 1945
Fantasy on Scottish Melodies für Orchester, 1946
There Was an Old Woman für Mezzosopran und Streicher, 1946
Ballads of British Columbia, Lieder, 1947
Cortège académique für Orgel, 1953
Fanfare for a Festival für Blechbläser und Perkussion, 1959
Fanfare for a Centennial für Blechbläser und Perkussion, 1967
Literatur
Ernest MacMillan: MacMillan on music. Essays on music. Dundurn Press, Toronto [u. a.] 1997, ISBN 1-55002-285-7.