Die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse ist ein 1817 in Heidelberg erschienenes Werk des deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831). Es enthält seine als allumfassendes System gestaltete Philosophie und war zugleich als Vorlesungskompendium gedacht.
Diese Enzyklopädie ist eines der Hauptwerke des deutschen Idealismus, welches sich insbesondere mit Themen der Metaphysik und Ontologie wie dem „Göttlich-Absoluten“ und der „Idee“ beschäftigt, aber auch mit der Totalität der Wirklichkeit und des Wissbaren. Auch die hegelsche Dialektik wird hier dargestellt.
1827 erschien die zweite, fast doppelt so dicke Auflage, 1830 die dritte, noch einmal veränderte Auflage. Die heutigen Neudrucke (etwa in der verbreiteten Ausgabe bei Suhrkamp) basieren mit Ausnahme der durch Hermann Glockner herausgegebenen Jubiläumsausgabe auf dieser dritten Auflage, vermehrt um die „Zusätze“, welche die „Freunde des Verewigten“ aus Manuskripten und Schülermitschriften von Vorlesungen hinzufügten. Die Zusätze sind nach den heutigen philologischen Maßstäben problematisch.
Dem Ganzen ist neben Vorworten eine Einleitung vorangestellt, die u. a. die „Drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität“ enthält. In diesem Abschnitt rechtfertigt Hegel seine dialektische Methode und ordnet sie philosophie-geschichtlich ein.
Wissenschaft der Logik
Hegel leitet sein Weltbild aus „der dialektischen Bewegung des Begriffs“ (§ 415) her. Der Begriff ist also nicht nur Element des individuellen Denkens, sondern die alles hervorbringende Urkraft. Die Logik nun ist die Wissenschaft, in der der Begriff, bildlich gesprochen, „zu Hause“ ist.
Dieser erste Teil der „Enzyklopädie“ soll dem mündig gewordenen Menschen das Werkzeug und die Bausteine zur Verfügung stellen, mit denen das Bestehende und Vergehende in Natur und Geist begriffen werden kann.
Die folgende Tabelle soll den Aufbau der logischen Wissenschaft deutlich machen.
In Hegels Dialektik ist die Natur das Andere des Geistes. Über die Natur des Unorganischen wird der Leser zum Lebendigen geführt, das im Geist seine Vollendung findet. Die folgende Tabelle zeigt die drei Abteilungen der Naturphilosophie, die wieder dreifach untergliedert sind. Daneben werden inhaltliche Schwerpunkte aufgeführt.
Mechanik
Raum und Zeit
Raum, Zeit, Ort und Bewegung
Materie und Bewegung
Träge Materie, Stoß, Fall, Schwerpunkt, Gewicht, Reibung und Fallgesetz
Absolute Mechanik
Gravitation, planetarische Körper und Keplersches Gesetz
Physik
Allgemeine Individualität
Die Sonne und ihr Licht, beleuchtete Körper, Elemente (Luft, Feuer, Wasser und Erde), die Erde als reale Individualität
Besondere Individualität
Spezifische Schwere, Kohäsion, Festigkeit und Elastizität, Klang und Schwingung, Wärme
Totale Individualität
Äußerliche Körper, Stabmagnet, Kristallisation; Lichtdurchlässigkeit, Brechung und Farbe, Elektrizität und Chemie
Organische Physik
Geologischer Organismus
Der Erdkörper als allgemeines System: Gesteine, Land, Meer
Vegetabilischer Organismus
Die Individualität der Pflanze und ihr Lebensprozess
Animalischer Organismus
Trieb, Instinkt und Selbstzweck, Verdauung, Gattung und Tod, Fortpflanzung, Krankheit und Heilung
Die Naturphilosophie ist ein problematischer Teil seines Systems, was mehrere Gründe hat:
Viele naturwissenschaftliche Erkenntnisse waren zu Beginn des 19. Jh. noch nicht gewonnen.
Viele Naturphänomene waren noch nicht geklärt, so dass z. B. Goethes Farbenlehre als ernst zu nehmendes wissenschaftliches Modell galt.
Hegels Elemente-Begriff orientiert sich am Weltbild der Antike, obwohl er den chemischen Begriff natürlich auch kennt.
Bei der Lektüre ist zu beachten, dass sich die Bedeutung einiger Fachbegriffe historisch verändert hat. Sie müssen daher in die heutige Terminologie übersetzt werden.
Der Ansatz, alles aus der Selbstbewegung des Begriffes abzuleiten, ist problematisch: Entweder ist der Begriff noch nicht richtig erschlossen, oder der Ansatz selbst ist ungeeignet.
Die Wissenschaft des Geistes
Die Philosophie des Geistes, der dritte Teil der „Enzyklopädie“, ist in drei Abteilungen geteilt:
Subjektiver Geist
Anthropologie
Phänomenologie
Psychologie
natürliche Seele
Bewusstsein
theoretischer Geist
fühlende Seele
Selbstbewusstsein
praktischer Geist
wirkliche Seele
Vernunft
freier Geist
Objektiver Geist
Recht
Moralität
Sittlichkeit
Eigentum
Vorsatz
Familie
Vertrag
Die Absicht und das Wohl
bürgerliche Gesellschaft
Unrecht
Das Gute und das Böse
Staat
Absoluter Geist
Kunst
Religion
Philosophie
Ausgaben
von eigener Hand: 1817; 2. Auflage 1827, 3. Auflage 1830.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Faksimilierter Druck der ursprünglichen Fassung Heidelberg 1817. Mit einem Vorwort von Hermann Glockner. F. Frommann, Stuttgart 1927, wieder in ders.: Sämtliche Werke. Bd. 6. Frommann, Stuttgart 1927, 1938, 1956, 1968 und 1988.
Erster Teil. Die Wissenschaft der Logik. Mit den mündlichen Zusätzen (Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu herausgegeben) Frankfurt am Main 1986 (= Werke. 8).
Zweiter Teil. Die Naturphilosophie. Mit den mündlichen Zusätzen (Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu herausgegeben) Frankfurt am Main 1986 (= Werke. 9).
Dritter Teil. Die Philosophie des Geistes. Mit den mündlichen Zusätzen (Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu herausgegeben) Frankfurt am Main 1986 (= Werke. 10).
dto. Neu herausgegeben von Friedhelm Nicolin, Otto Pöggeler. Meiner, Hamburg. 8. Auflage 1991. 515 Seiten. ISBN 978-3-7873-1032-6.
Bibliographie
Karen Gloy, Rainer Lambrecht: Bibliographie zu Hegels „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse“. Primär- und Sekundärliteratur 1817–1994. Frommann-Holzboog, Stuttgart / Bad Cannstatt 1995, ISBN 3-7728-1631-2.