En SofEn Sof, auch Ein Sof, Eyn Sof, En Soph oder Ain Soph (heb. אין סוף ēyn sōf, „Unendliches“) ist ein Begriff der kabbalistischen Mystik. Gemeint ist damit die Wirklichkeit Gottes jenseits aller spezifischen Qualitäten der Sefirot, der Gott jenseits von Gott.[1] Aus der Zusammenziehung (Tzimtzum, heb. צמצום) des undefinierbaren und unbestimmten Urlichts des En Sof entsteht nach Isaak Luria die Schöpfung. Die geistige und die sinnliche Welt geht durch Emanation aus dem göttlichen Einen hervor. Es handelt sich dabei um eine Art Selbstschöpfung oder Selbstoffenbarung. Manche Kabbalisten setzten En Sof auch mit dem unendlichen verborgenen Gott gleich.[2] Die Unendlichkeit der GottheitDie Hauptlehre der Kabbala ist die Lehre vom En Sof und von den Sefirot. Diese Begriffe finden sich weder in der Tora (Bibel) noch im Talmud. Der Ausdruck אין סוף ist möglicherweise dem griechischen ἄπειρον, das Unbegrenzte, nachgebildet,[3] was jedoch auch angezweifelt wird.[4] Gott darf weder Wille, noch Absicht, noch Denken, noch Sprechen, noch Tun beigelegt werden. Er kann nicht einmal die Weltschöpfung gewollt oder beabsichtigt haben, denn Wollen verrät die Unvollkommenheit des Wollenden. Diese Auffassung ist von der neuplatonischen Philosophie inspiriert. Der Begriff von Gott bzw. En Sof ist lediglich in der Weise der Negation (via negationis) zu fassen.[5] Die Gottheit kann eigentlich weder mit Gedanken erfasst noch mit einem Wort bezeichnet werden. Im Unterschied zu den Neuplatonikern erfolgt der Emanationsprozess jedoch dynamischer. Er ist kein (zeitlich) bereits abgeschlossener, sondern ein fortdauernder, vitaler Prozess, der die Existenz aller Wesen aufrechterhält. Die Kraft menschlichen Denkens und Handelns kann die Vorgänge in der göttlichen Welt beeinflussen.[6] Die Gottheit ist erhaben über alles, selbst über Sein und Denken. Man kann deshalb nicht sagen, dass sie Sprache, Tun, Gedanken, Wille oder Absicht habe. Alle diese menschlichen Eigenschaften laufen auf eine Beschränktheit hinaus. Aber die Gottheit ist nach jeder Seite hin unbeschränkt, weil sie vollkommen ist. Nur dieses einzige Attribut, die Unbeschränktheit und die Unbegrenztheit, kann von ihr ausgesagt werden. Die Kabbala legt daher Gott den Namen „der Unbeschränkte oder Unendliche“ (hebr. En Sof) bei. In dieser unfassbaren Allgemeinheit ist Gott oder En Sof unerkennbar verborgen, verhüllt und deshalb gewissermaßen nicht seiend. Denn was nicht von einem denkenden Geist erkannt und begriffen werden kann, ist für ihn auch nicht vorhanden. Das allgemeine Sein, En Sof, gleicht daher dem Nichts (Ajin). Um also sein Dasein zu bekunden, musste er sich oder wollte er sich offenbar und erkennbar machen. Er musste wirksam sein und schaffen, damit seine Existenz erkennbar wird. Der Hervorgang der Sefirot, der verschiedenen innergöttlichen Manifestationen des göttlichen Wesens, aus der ersten Sefira kann deshalb als eine Schöpfung aus dem Nichts verstanden werden, denn diese ist das Ur-Nichts (Ajin Gamur). Wenn die erste Sefira als eine Emanation des En Sof gedacht wird, unterscheidet sich das Unendliche vom Nichts des göttlichen Urwillens. Nach einer anderen Auffassung stellt die erste Sefira als der unendliche Wille Gottes die Wesenheit des En Sof selbst dar. Danach wären En Sof und Ajin, Unendliches und Nichts identisch.[7] Die Manifestation in den Sefirot ist als Ichwerdung Gottes zu verstehen. Ein mystisches Wortspiel macht auf den Zusammenhang zwischen den hebräischen Wörtern für Nichts (Ajin, אין) und für Ich (Ani, אני) aufmerksam, in denen dieselben Buchstaben in unterschiedlicher Reihenfolge benutzt werden: Aus dem Nichts wird das göttliche Ich.[8] Eigenschaften des En SofEn Sof ist als Urgrund aller Dinge unendlich, unbegrenzt, mit sich selbst identisch, attributlos und ohne Willen oder Gedanken.[9] Es wird charakterisiert als
Ist alles in Gott, so ist auch die mangelhafte, beschränkte Welt in ihm. Anderseits kann nicht angenommen werden, dass En Sof die endliche Welt unmittelbar geschaffen habe. Denn dann hätte er einen bestimmten Willen haben müssen, sie zu schaffen, obwohl Wollen eine Beschränktheit in der Gottheit sei. Außerdem müsste die sichtbare Welt, wenn sie von Gott hervorgebracht worden wäre, ebenso unendlich wie ihr Schöpfer sein. Tatsächlich ist sie aber gerade nicht unendlich. Weist die Welt durch ihre zweckvolle Ordnung auf einen von Vernunft geleiteten schöpferischen Willen, so beweist sie anderseits durch ihre Endlichkeit und Unvollkommenheit, dass sie nicht unmittelbar aus dem unendlichen En Sof hervorgegangen sein kann.
LichtmetaphorikGott ist das Unendliche (En Sof), das unbegrenzte, eigenschaftslose Nichts, das im Anfang alles war. Er ist das verborgene Urlicht, das alles erfüllte. Er setzt die Welt aus sich heraus, um sich zu offenbaren. Die Welt geht aus ihm hervor, indem sich das Urlicht gestaltet und nicht gestaltet, indem es in alles hineinstrahlt und doch eins bleibt. Das Urlicht beschränkt sich selbst. Dadurch entsteht ein leerer Raum, in den das Urlicht die Welt hineinstrahlt.
– Sefer Ez Hajjim[11] Sefirot als Emanationen des En SofSefirot als ZwischenstufenÄhnlich wie im Neuplatonismus werden intelligible Prinzipien oder Substanzen, nämlich die Sefirot, zwischen Gott und die Welt eingeschoben, sonst wäre der Hervorgang des Endlichen aus dem Unendlichen unerklärlich.
Zuerst emanierte sich vom En Sof eine Intelligenz, die alle übrigen enthält und im En Sof seit Ewigkeit vorhanden war. Beim Emanieren findet keine Kraftabnahme statt. Aus der ersten Sefira entwickeln sich die übrigen. Diese Emanation aus dem En Sof, die Sefirot in ihrer Gesamtheit, haben Teil an seiner Vollkommenheit. Sie sind unbegrenzt und bilden das erste Endliche. Deshalb sind sie zugleich endlich und unendlich. Wenn die Fülle des En Sof sich ihnen mitteilt, sind sie vollkommen und unendlich, ansonsten sind sie mangelhaft und endlich. Sie bilden die Wurzel des Endlichen. Das En Sof ist an sich unerkennbar, denn das Unendliche vermag der menschliche Geist nicht zu fassen. Alles, was er begreifen kann, muss Maß, Verhältnis und Grenze haben. Will sich das En Sof offenbaren, so muss es sich im Begrenzten und Endlichen zeigen. Es muss im Emanieren der Sefirot die endliche Seite hervorkehren. Unter diesem endlichen Aspekt kann man sogar von den Sefirot sagen, dass sie körperlich sind. Dadurch ist es möglich, dass das En Sof, welches in den Sefirot immanent ist, sich auch verkörpern kann. Die Emanation der Sefirot aus dem En Sof kann mit dem Entstrahlen des Lichtes verglichen werden, um die Immanenz und vollständige Einheit zu verdeutlichen. Die Sefirot werden durch das Kraftlicht, das sie vom En Sof und den drei obersten Sefirot erhalten, von innen her zusammengehalten. Trotz aller Erschütterungen und Polaritäten repräsentieren sie damit die Einheit Gottes.[13] Als Ausflüsse der Gottheit sind die zehn Sefirot an sich zugleich unselbständig und demnach beschränkt. Die Zehn steht zu der absoluten Einheit des En Sof aber nicht in Widerspruch, da die Eins der Grund aller Zahlen ist und die Mehrheit aus der Einheit hervorgeht.[14] Nur insofern das En Sof den Sefirot Kraftfülle spendet, können sie unendlich wirken. Diese Wirksamkeit zeigt sich darin, dass sie die Seelen- und Körperwelt erschaffen. Außerdem erhalten sie die Welt, mit der sie im Zusammenhang stehen, und spenden ihr ständig das göttliche Leben. Mittels der Sefirot vermag Gott, sich sichtbar zu machen oder auch sich zu verkörpern. Die Schöpfung nach dem ZoharIm Zohar wird die Schöpfung als Emanation der Sefirot aus dem En Sof in allegorischer Sprache beschrieben:
– Zohar, Parashat Be-Reshit[15] En Sof wird darin „König“ oder „der unbekannte Verborgene“ genannt, die Sefirot werden in Paraphrase des Anfangs des Sefer Jezira als „Gravuren“ beschrieben. Die noch nicht emanierten Emanationen werden als „das Verborgene im Verborgenen“ bezeichnet, der Impuls, der die Emanationen in Gang setzt, als „Funken undurchdringlicher Dunkelheit“ oder als „Maßband“, das die Pfade und Stufen der Emanationen, sowie das Spektrum der göttlichen Farben durchmisst.[16] Die versteckte Kraft der Emanation wird Zohar (Glanz) benannt. Zahlreiche allegorische Bilder beschreiben die ersten drei Sefirot. Im Einzelnen handelt es sich hier um:
Drei Gruppen der SefirotDie Gesamtheit der zehn Sefirot gliedert die Kabbala in drei Gruppen, über denen das En Sof, das Ur-Nichts (Ajin Gamur) als jenseits der Emanationen steht. Die höchste Gruppe hat ihre Wirkung zunächst auf die Geisteswelt:
Die zweite Gruppe hat ihren Einfluss auf die Seelenwelt und die sittliche Weltordnung:
Die dritte Gruppe wirkt auf die sichtbare Welt, auf die Natur:
Als unterste Sphäre schließt sich an Yesod die Sphäre des Königreichs (Malchut oder Schechina) an, die die sichtbare Welt verkörpert. Die geschaffene WeltGott oder En Sof hat die sichtbare Welt nicht unmittelbar und neben sich, sondern als eine seiner Sefirot geschaffen. Nicht nur die Gattungen, sondern alle Dinge, auch die Einzelwesen in der niederen Welt haben ihre Urbilder in der höheren Welt. Deshalb ist nichts in der niederen Welt gleichgültig, alles hat eine höhere Bedeutung. Das ganze Weltall bzw. Gott gleicht einem ast- und blattreichen Riesenbaum, dessen Wurzeln die Geisteswelt der Sefirot bildet. Die menschliche Seele hat teil an der höheren Welt und steht mit allen Sefirot durch ein System von Kanälen in unmittelbarer Verbindung. Durch ihr sittliches und religiöses Verhalten kann die Seele die Segensspende der Gottheit fördern oder hindern. Durch gute Handlungen bewirkt sie einen ununterbrochenen Gnadenstrom, durch schlechte Handlungen versiegt der Gnadenstrom. In der Tradition Lurias wird der Evolutionsprozess sogar als ein dramatischer Bruch verstanden. Mit dem Tzimtzum zog sich das Absolute zusammen, um Raum für die Schöpfung zu schaffen. Als das göttliche Licht strahlte und begann, den leeren Raum anzufüllen, brachen einige der Kanäle und Behälter der Sefirot, die voller Licht waren (Schwirat ha-Kelim). Ein Teil des Lichts, das in seinen Behältern zuvor eingeschlossen war, fiel ins Leere und bildete Materie. Das Universum ist danach gestört und bedarf der Reparatur oder des Ersatzes (Tiqūn). Was der Erde widerfährt kann wegen der Verbindung von Mikrokosmos und Makrokosmos dabei helfen, den Himmel wieder zu errichten. Der einzelne Mensch kann dabei durch die Beachtung von Mystik und Tora helfen. Gott braucht die Menschen zu seinem Heil (und/oder dem Heil seiner Schöpfung, da er ja als En Sof sowieso das Unendliche ist, aus dem alles ist,) so wie die Menschen ihn brauchen, um wieder heil in ihm zu sein/werden. Literatur
WeblinksEinzelnachweise
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