Eidgenössische Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide»

Plakat für die Initiative (2019)

Die eidgenössische Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide», kurz Pestizid-Initiative genannt, war eine schweizerische Volksinitiative, die am 13. Juni 2021 abgelehnt wurde. Sie forderte ein Verwendungsverbot von synthetischen Pestiziden sowie ein Einfuhrverbot von Lebensmitteln, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt worden sind.

Chronologie

Die Initiative des Vereins Future3 wurde am 8. November 2016 eingereicht. In der Folge hielt die Bundeskanzlei fest, dass diese den gesetzlichen Formen entspricht.[1] Der Sammelbeginn wurde auf den 29. November 2016 festgelegt, die Sammelfrist entsprechend auf den 29. Mai 2018.[2] Die erforderlichen 100 000 Unterschriften konnten gesammelt und am 25. Mai 2018 bei der Bundeskanzlei eingereicht werden.[3] Das Zustandekommen der Initiative wurde am 25. Juni 2018 durch die Bundeskanzlei bestätigt.[4] Der Bundesrat beantragte dem Parlament am 27. Februar 2019, die Pestizidinitiative Volk und Ständen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen. Der Nationalrat tat dies am 20. Juni 2019. Nachdem die gesetzliche Frist für die Behandlung der Volksinitiative durch die Eidgenössischen Räte wegen des Fristenstillstandes aufgrund der COVID-19-Krise auf den 5. Februar 2021 verlängert worden war, hatte der Ständerat die Initiative in der Herbstsession im September 2020 behandelt. In ihren Schlussabstimmungen vom 25. September 2020 hatten beide Räte die Initiative Volk und Ständen mit der Empfehlung auf Ablehnung zur Abstimmung unterbreitet.[5]

Die inhaltlich verwandte eidgenössische Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» kam bereits am 1. März 2018 zustande.[6] Beide Initiativen kamen am 13. Juni 2021 zur Abstimmung.

Initiativtext

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 74 Abs. 2bis
2bis Der Einsatz synthetischer Pestizide in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landschaftspflege ist verboten. Die Einfuhr zu gewerblichen Zwecken von Lebensmitteln, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt worden sind, ist verboten.

Art. 197 Ziff. 12
12. Übergangsbestimmungen zu Art. 74 Abs. 2bis
1 Die Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 74 Absatz 2bis tritt spätestens zehn Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände in Kraft.
2 Der Bundesrat erlässt vorübergehend auf dem Verordnungsweg die notwendigen Ausführungsbestimmungen und achtet dabei auf eine schrittweise Umsetzung von Artikel 74 Absatz 2bis.
3 Solange Artikel 74 Absatz 2bis nicht vollständig umgesetzt ist, darf der Bundesrat vorübergehend unverarbeitete Lebensmittel, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt worden sind, nur dann bewilligen, wenn sie zur Abwehr einer gravierenden Bedrohung von Mensch oder Natur unverzichtbar sind, namentlich einer schweren Mangellage oder einer ausserordentlichen Bedrohung von Landwirtschaft, Natur oder Mensch.

[7]

Haltungen

Pro

Das Initiativkomitee argumentiert, dass bei einer Annahme der Initiative die öffentliche Gesundheit sowie die Gesundheit des hauptsächlich betroffenen Landwirtschaftssektors verbessert würde.[8] Falls mit dem «Aktionsplan Pflanzenschutzmittel» nicht wesentliche Fortschritte erzielt werden, stellt die Initiative für Bio Suisse eine radikale Möglichkeit zur nötigen Weiterentwicklung dar.[9] Im Oktober 2020 haben die Grünen die Ja-Parole beschlossen,[10] im November folgten Demeter Schweiz und Bio Suisse.[11][12] Auch die Kleinbauern-Vereinigung engagierte sich für die Initiative und hat die Ja-Parole beschlossen,[13][14] ebenso das Bioforum Schweiz.[15] Im Februar 2021 hat die GLP Stimmfreigabe und die SP die Ja-Parole beschlossen.[16][17] Im März hat die EVP und im April die CSV die Ja-Parole beschlossen.[18][19]

Kontra

Der Schweizer Bauernverband lehnte die Initiative klar ab, da bei einem vollständigen Verzicht auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln die Erträge in der Landwirtschaft aus seiner Sicht um 20 bis 40 Prozent schrumpfen würden.[20] Im März hat die SVP die Nein-Parole beschlossen, gefolgt von der Mitte im April.[21][22] Auch EDU und FDP lehnten die Initiative ab.[23] Ebenfalls abgelehnt wurde die Initiative vom Schweizerischen Gemeindeverband und der Interessengemeinschaft Bio Schweiz (IG Bio), mit zahlreichen Vertreten aus der Bio-Branche (darunter auch Unternehmen von Coop und Migros).[24][25] Um die Initiativen zu bekämpfen (inkl. der Trinkwasserinitiative) investierte Fenaco bereits 400'000 Franken.[26] Die Gegner kritisieren, dass die Studie der Universität Genf[27], die aufzeigt, dass die Spermienqualität der Schweizer Männer und insbesondere der Bauernsöhne schlecht ist, für den Abstimmungskampf ausgenutzt würde.[28]

Meinungsumfragen

Institut Auftraggeber Datum Ja Eher Ja Unentschieden
Keine Antwort
Eher Nein Nein
LeeWas GmbH Tamedia 28. Mai 2021 38 4 1 4 53
gfs.Bern SRG SSR 22. Mai 2021 33 14 2 13 38
LeeWas GmbH Tamedia 12. Mai 2021 39 10 2 7 42
LeeWas GmbH Tamedia 27. April 2021 40 13 4 9 34
gfs.Bern SRG SSR 23. April 2021 33 22 3 14 28
LeeWas GmbH Tamedia 21./22. Juni 2018 42 30 6 12 10

Bemerkungen: Angaben in Prozent. Das Datum bezeichnet den mittleren Zeitpunkt der Umfrage, nicht den Zeitpunkt der Publikation der Umfrage.

Volksabstimmung

Abstimmungsergebnisse nach Kantonen

Bei den Abstimmungen am 13. Juni 2021 wurde die Volksinitiative abgelehnt.

Siehe auch

Sendungen des SRF

Einzelnachweise

  1. Schweizerische Bundeskanzlei: Eidgenössische Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» – Vorprüfung, 15. November 2016.
  2. Chronologie der Volksinitiative, abgerufen am 18. Juni 2018.
  3. Mit 145'099 Unterschriften – Volksinitiative gegen synthetische Pestizide eingereicht, SRF, 25. Mai 2018.
  4. Schweizerische Bundeskanzlei: Eidgenössische Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» – Zustandekommen, 25. Juni 2018.
  5. Parlamentsdienste: 19.025 Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide. Volksinitiative. In: Geschäftsdatenbank Curiavista (Links auf Ratsverhandlungen, Botschaft des Bundesrates und weitere amtliche Unterlagen). Abgerufen am 25. September 2020.
  6. Eidgenössische Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz», abgerufen am 23. Mai 2018.
  7. Text der Volksinitiative auf der Website der Bundeskanzlei
  8. Die Initiative in einigen Fragen und Antworten (Memento des Originals vom 24. Mai 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.future3.ch auf der Website des Initiativkomitees, abgerufen am 23. Mai 2018.
  9. Bio Suisse: Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide. Version in Internet Archive vom 6. April 2018.
  10. GRÜNE verabschieden Reformagenda für die Land- und Ernährungswirtschaft 2021. In: gruene.ch. 24. Oktober 2020, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  11. Bio Suisse: Ja zur Pestizid-, Abwarten bei der Trinkwasserinitative. In: bio-suisse-themen.ch. 12. November 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. November 2020; abgerufen am 22. November 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/bio-suisse-themen.ch
  12. Ja für eine pestizidfreie Zukunft. In: demeter.ch. 9. November 2020, abgerufen am 22. November 2020.
  13. Gemeinsames Ja von Bio Suisse, Demeter Schweiz und Kleinbauern-Vereinigung. Schweizer Bauer, 20. April 2021, abgerufen am 20. April 2021.
  14. «Grossbauernverband hat sich verirrt». Schweizer Bauer, 24. April 2021, abgerufen am 24. April 2021.
  15. Bioforum Schweiz: Agrarinitiativen2021. In: bioforumschweiz.ch. Abgerufen am 30. Mai 2021.
  16. Grünliberale wählen Präsidium und sagen klar Ja zum Abkommen mit Indonesien und zur Trinkwasserinitiative. In: grunliberale.ch. 6. Februar 2021, abgerufen am 7. Februar 2021.
  17. JA-Parole für CO2-Gesetz und Landwirtschaftsinitiativen. Schweizer Bauer, 12. Februar 2021, abgerufen am 13. Februar 2021.
  18. EVP sagt Ja zum CO2-Gesetz sowie zur Trinkwasser- und zur Pestizidinitiative. In: evppev.ch. 20. März 2021, abgerufen am 21. März 2021.
  19. CSV Schweiz sagt JA zum CO2-Gesetz und der Pestizid-Initiative. Knappes Nein zur Trinkwasser-Initiative. In: csv-schweiz.ch. 11. April 2021, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. April 2021; abgerufen am 12. April 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/csv-schweiz.ch
  20. Initiative gegen Pestizide: Genug Unterschriften. Bauernzeitung (Schweiz), 16. Mai 2018, abgerufen am 23. Mai 2018.
  21. Delegiertenversammlung – SVP beschliesst Stimmfreigabe zum Covid-19-Gesetz. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 27. März 2021, abgerufen am 27. März 2021.
  22. DV der Mitte – Pfister: «Mitte trägt Verantwortung für Zusammenhalt der Schweiz». Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 24. April 2021, abgerufen am 25. April 2021.
  23. Abstimmung vom 13. Juni – Parolenspiegel. In: srf.ch. 17. Mai 2021, abgerufen am 17. Mai 2021.
  24. Der Schweizerische Gemeindeverband sagt Ja zum CO2- und zum COVID-19-Gesetz und lehnt die Agrar-Initiativen ab. (PDF) Schweizerischer Gemeindeverband (SGV), 29. März 2021, abgerufen am 29. März 2021.
  25. IG Bio stellt sich gegen Agrarinitiativen. Schweizer Bauer, 7. April 2021, abgerufen am 8. April 2021.
  26. Tilman Lingner: Agrar-Initiativen – Fenaco unter Druck: Abstimmung im Juni bedroht Geschäftsmodell. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), 28. April 2021, abgerufen am 28. April 2021.
  27. M. Istvan, R. Rahban, B Dananche, A. Senn, E. Stettler, L. Multigner, S. Nef, R. Garlantézec: Maternal occupational exposure to endocrine-disrupting chemicals during pregnancy and semen parameters in adulthood: results of a nationwide cross-sectional study among Swiss conscripts. In: Human Reproduction. deab034, 17. März 2021, doi:10.1093/humrep/deab034.
  28. Pestizid-Initiative-Befürworter stützen sich auf Argument sinkender Spermienqualität. 6. Mai 2021, abgerufen am 7. Mai 2021.