Von jüdischer Herkunft, wurde Doris Pollatschek schon früh für ihr ganzes späteres Leben geprägt: durch die Flucht mit den Eltern aus Deutschland 1934, das anschließende Leben in der Emigration (in Spanien, Frankreich, Schweiz) mit ständig wechselndem Wohnsitz[1] und den Verlust der in Deutschland verbliebenen Großeltern, Onkel und Tanten, die im Zuge der NS-Verfolgungen ermordet wurden. 1942 begann sie eine Lehre als Töpferin bei Fribourg in der Schweiz. 1946 kehrte die Familie nach Deutschland zurück, zunächst nach Frankfurt am Main. Doris Pollatschek studierte von 1948 bis 1949 an der Staatlichen Bau- und Kunstschule Mainz, von 1949 bis 1950 an der Hochschule für angewandte Kunst Berlin-Weißensee und von 1952 bis 1956 bei Walter Arnold Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Danach war sie als freischaffende Bildhauerin in Ost-Berlin tätig. 1974 häuften sich die bereits anfangs vorhandenen[2] politischen Schwierigkeiten, wodurch sie keine öffentlichen Aufträge als Bildhauerin erhielt. So begann sie mit Keramik zu arbeiten. 1981 gelang ihr die legale Ausreise aus der DDR und sie übersiedelte (in ihren eigenen Worten „18. Umzug“) in die israelische Hauptstadt Jerusalem. Ein Darlehen des Verlegers Axel Springer ermöglichte ihr den Kauf eines Ateliers dort. Seitdem lebte sie als Künstlerin und Katzenmutter in Jerusalem, unterbrochen von gelegentlichen Aufenthalten aus gesundheitlichen Gründen in Berlin-Steglitz, wo sie eine Wohnung besaß. Sie kam aber auch zur Eröffnung von Ausstellungen ihrer Werke nach Deutschland wie im Jahr 1995 nach Wuppertal.[3]
Sie war zweimal verheiratet und Mutter von zwei Kindern.
Der Vater Dr. Walther Pollatschek (1901–1975) war Publizist, Kritiker, Schriftsteller, Redakteur des Aufbau-Verlages, Herausgeber der Werke und Pfleger des Nachlasses von Friedrich Wolf.[4] Eine jüngere Schwester von Doris Pollatschek ist die Germanistin Silvia Schlenstedt.
Werke
Schon in ihrer Kindheit begann Doris Pollatschek kleine Figuren zu malen und zu kneten. So wirkte sie späterhin als Töpferin, Bildhauerin, Grafikerin und Schriftstellerin. Ihr Werk ist durchdrungen von den Erfahrungen von Unrast, Verfolgung und Vernichtung in der Shoa, vom Leiden unter Trennung und von Sehnsucht nach Nähe und Menschlichkeit, von der Rückbesinnung auf Gestalten, Geschichten und Visionen der hebräischen Bibel. Ihre Plastiken und Skulpturen wurden in vielen Ländern ausgestellt (neben Ost- und West-Deutschland u. a. Holland, Schweiz, Israel, USA). Ihr Hobby war die Zucht von Kanaani-Katzen. Nach ihr wurde eine neue Katzenart als Doris Pollatschek benannt.[5] Im Folgenden findet sich eine Auswahl ihrer Kunstwerke.
Bronzearbeiten
1957: Junges Paar, aufgestellt in Berlin-Johannisthal, Grünanlage Hagedornstraße/Allmersweg[6]
Stehende Frau in Tuch verhüllt
Auf Schaukelstuhl sitzende Frau mit ihrem Schoßhund
Saskia, Porträtbüste; 1962/1963 auf der Fünften Deutschen Kunstausstellung[7]
Keramiksäule (siehe Bild); das Werk stellt eine symbolische Weltkugel auf einem wie eine Kerze gestalteten Ständer dar und wurde 1984[15] vor dem damaligen Kulturhaus des VEB Elektrokohle Lichtenberg aufgestellt. Der Leerstand des Gebäudes nach 1990 und Vandalismus an dem Kunstwerk führten zu einer starken Gefährdung. Das Bezirksamt ließ die Säule im Jahr 2012 einhausen und von den umgebenden Büschen zuwachsen. Mit dem Verkauf des gesamten Geländes an die Dong Xuan GmbH gelangte die Säule an den neuen Eigentümer. Ob sie restauriert und wieder aufgestellt wird, wenn das Kulturhaus als Dong Xuan Haus ab 2014 umgebaut wird, ist noch unklar.
Hier handelt es sich um ein viel diskutiertes Werk der Künstlerin. Neben dem Dahlemer Triptychon gibt es davon ein zweites, leicht differierendes Exemplar im Museum Abtei Liesborn. Darin sind auf drei einander zugeordneten Keramik-Reliefs Szenen mittelalterlicher dreiflügeliger Altarbilder nachempfunden und aktualisiert. Im Mittelteil ist eine Kreuzigungsszene zu sehen. Am Kreuz hängt ein Mensch, dem ein Judenstern auf die Brust geheftet ist. Zu Füßen des Kreuzes finden sich neben einer schreiend ersterbenden Frau drei christliche Geistliche, die Tee trinken. Auf dem rechten Flügel wird ein Mensch gegeißelt – braune Männer prügeln einen schwarz gekleideten Mann, der eine Tora-Rolle an der Brust birgt. Der linke Flügel thematisiert die Grablegung – Häftlinge schieben einen nackten Körper in einen feurigen Ofen. Nicht primär den Terror des Holocaust will die Künstlerin zeigen, sondern das Nichtstun der Kirche. Nicht Christus wird gekreuzigt, sondern ein Jude – dessen Verbrechen es nicht war, König der Juden zu sein, sondern Jude. Von katholischer Seite wurde das Kunstwerk, besonders aber seine Anbringung in einer evangelischen Kirche, kritisiert. Die im Mittelteil dargestellten Geistlichen sind nach ihrer Kleidung eindeutig als katholisch identifizierbar, nämlich als Prälat, Bischof und Ordensmann. Die Darstellung wurde von den Kritikern als einseitige Schuldzuweisung aufgefasst. Eine Erwiderung im Gemeindeblatt der Evangelischen Kirchengemeinde in Berlin-Dahlem bestätigte mit Vorwürfen gegen Papst Pius XII. eher die Kritik.[17] Im Nachgang wurde die Erläuterung des Triptychons für Besucher der Kirche klärend überarbeitet, das Werk aber an seinem Platz belassen.[18]
Veröffentlichungen als Schriftstellerin
Ihre schriftstellerischen Werke umfassen Kinderbücher, die sie selbst illustrierte (Das Märchenkind Sabine 1964, aus dem auch ein Hörspiel gestaltet wurde[19], Immer ich zusammen mit Konrad Golz 1966, das auch ins Schwedische[20] und Finnische übersetzt wurde[21] sowie Sundus und der hafergelbe Hund 1989[22]). Darüber hinaus verfasste sie das Drehbuch zu dem Film Käthe Kollwitz: Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden (1967).
Ausstellungen (unvollständig)
Einzelausstellungen
1979, Berlin, Studio-Galerie des Staatlichen Kunsthandels der DDR (Kleinplastik aus Bronze und Ton)
Keramikobjekte im Jüdischen Historischen Museum in Amsterdam[24]
Beteiligung an zentralen und wichtigen regionalen Ausstellungen in der DDR
1960 und 1975: Berlin, Bezirkskunstausstellungen
1961: Berlin, Deutsche Akademie der Künste
1962/1963 und 1972/1973: Dresden, Fünfte Deutsche Kunstausstellung und VII. Kunstausstellung der DDR
1980: Berlin, Ausstellungszentrum am Fernsehturm („Berliner Kunst - Retrospektive“)
1986/1987: Suhl („Das sicher sei, was uns lieb ist“. Ausstellung zum 40. Jahrestag der Gründung der Grenztruppen der DDR)
Literatur
Jessica Hoffman, Anja Megel (Autoren), Robert Parzer, Helena Seidel (Hrsg.): Dahlemer Erinnerungsorte. Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur, ISBN 978-3-86596-144-0, S. 100/101: Beschreibung des Triptychons
Staatlicher Kunsthandel der DDR – Studio-Galerie (Hrsg.), Rainer Behrends (Redaktion): Doris Pollatschek – Kleinplastik aus Bronze und Ton (Ausstellung Berlin (DDR) 1979), Studio-Galerie, Berlin (DDR) 1979 (=Werkstattprofile; 19)
Erich Spier: Jüdische Passion: Doris Pollatscheks „Triptychon“. In: Berlin-Brandenburgisches Sonntagsblatt, 19. April 1992
Hartmut Pätzke in: Hannelore Offner, Klaus Schroeder (Hrsg.): Eingegrenzt – ausgegrenzt: Bildende Kunst und Parteiherrschaft in der DDR 1961–1989. Akademie Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-05-003348-7 (Stud. Forschungsverbund SED-Staat, Freie Universität Berlin)
Pollatschek-Jeitner, Doris. In: Dietmar Eisold (Hrsg.): Lexikon Künstler in der DDR. Verlag Neues Leben, Berlin 2010, ISBN 978-3-355-01761-9, S. 717
↑Der Vater Walther Pollatschek schildert diese Zeit im Kinderbuch Drei Kinder kommen durch die Welt, erschienen zuerst im Verlag,Die Wende‘ 1947 und wieder aufgelegt im Kinderbuchverlag Berlin 1950.
↑Matthias Baun: Drama um eine Komödie: Das Ensemble von SED und Staatssicherheit, FDJ und Ministerium für Kultur um Heiner Müllers „Die Umsiedlerin“. Chr. Links Verlag, 1996, ISBN 3-86153-102-X; hier: S. 30: Doris Pollatschek zur Aufführung der Komödie. abgerufen am 18. Dezember 2009