Don Quixote (Ballett)Don Quixote (auch: Don Quichotte oder Don Quijote; russisch: Дон Кихот) ist ein komisches Ballett des Choreografen Marius Petipa zur Musik von Léon Minkus. Das Libretto ist angelehnt an den berühmten Roman Don Quijote von Miguel de Cervantes. In seiner Urform wurde das Werk am 26. Dezember 1869 im Bolschoi-Theater in Moskau uraufgeführt. Das Ballett wurde später inhaltlich, musikalisch und choreografisch mehrfach verändert und ergänzt (siehe unten). Die heute aufgeführten Versionen basieren meist auf der 1900 vom Ballettmeister Alexander Gorski im Moskauer Bolschoi-Theater präsentierten und von späteren Choreografen und Komponisten weiter abgewandelten Fassung. AufführungsgeschichteVorgeschichteCervantes’ Don Quixote hatte schon zuvor Komponisten und Choreografen inspiriert. Ein erstes Ballett über das Thema schuf bereits der Choreograf Franz Hilverding 1740 in Wien;[1] am selben Ort brachte auch Jean-Georges Noverre 1768 den Ritter aus der Mancha auf die Bühne, mit Musik von Josef Starzer (möglicherweise war dies eine Überarbeitung von Hilverdings Werk). Es folgten weitere Ballette von Charles Didelot und Venua (1808, Sankt Petersburg) und von Paul Taglioni (1839, Berlin).[1] Die Versionen von Petipa und MinkusMarius Petipa hatte als junger Mann mehrere Jahre in Spanien verbracht und schon einige kleinere Ballette über spanische Themen geschaffen, aber Don Quixote war sein erstes großes spanisches Ballett und seine erste Zusammenarbeit mit dem Komponisten Léon Minkus. Das Ballett hatte in seiner Urform 4 Akte und 8 Szenen.[1] In der Weltpremiere am 26. Dezember (O.S. 14. Dezember) 1869 am kaiserlichen Bolschoi-Theater in Moskau verkörperten Wilhelm Vanner den Don Quixote und Vassily Geltser dessen Diener Sancho Panza. Die beiden weiblichen Hauptrollen waren ursprünglich getrennt und wurden von Anna Sobeshchanskaya (Kitri) und von Pelagaya Karpakova (Dulcinea) getanzt, der Basilio von Sergei Sokolov.[2] Für eine erste Aufführung im vornehmen Sankt Petersburg zwei Jahre später überarbeiteten Petipa und Minkus das Ballett und erweiterten es auf 5 Akte und 11 Szenen. Zu den wichtigsten Änderungen gehörte dabei das Zusammenlegen der beiden Frauenrollen Kitri und Dulcinea zu einer Doppelrolle für eine einzige Ballerina – Don Quixote sieht nun seine angebetete Dulcinea in Kitri. Der neue fünfte Akt spielt in einem Schloss der beiden ebenfalls neuen Figuren von Herzog und Herzogin (während die Urfassung von 1869 in einer Taverne endete). Diese sehr erfolgreiche neue Fassung erlebte ihre Premiere am 21. November (O.S. 9. November) 1871 im Petersburger Bolschoi-Kamenny-Theater,[3] mit Timofei Stukolkin als Don Quixote, Alexandra Vergina als Kitri/Dulcinea, Lev Ivanov als Basilio und Nikolai Goltz als Gamache.[1] 1882 wurde Minkus’ Musik zu Don Quixote veröffentlicht, einschließlich dem Grand Pas des toréadors („Großer Tanz der Toreadore“) im 1. Akt, von dem einige Historiker meinen, dass er ursprünglich für Petipas Ballett Soraya, das maurische Mädchen in Spanien (1881) entstanden und erst um 1900 von Alexander Gorski in den Don Quixote übertragen worden sei. Zumindest der zweite Teil dieser Hypothese ist mittlerweile durch die Notenausgabe widerlegt: der Grand Pas des toréadors gehörte schon 1882 zu Petipas Version des Ballettes.[4] Petipas Original-Choreografie für Don Quixote wurde bedauerlicherweise nicht aufgezeichnet, mit Ausnahme einer einzigen Variation der Kitri, die ursprünglich für die Ballerina Vera Trefilova kreiert worden war.[5] Dieses Stück wurde in der Stepanov Methode notiert und befindet sich heute in der Sergeyev Collection der Harvard University (Stand 2020).[5] Gorskis VersionAlexander Gorski, ein Schüler von Petipa, brachte Don Quixote am 19. Dezember (O.S. 7. Dezember) 1900 in einer neuen Version am Bolschoi-Theater in Moskau heraus. Dafür wurde das Ballett stark verändert und auf 3 Akte und 6 Szenen reduziert.[5] Anton Simon (1850–1916) komponierte zusätzliche Musik.[5] Gorskis Version hatte in Moskau Erfolg und wurde 1902 auch in Sankt Petersburg gezeigt, mit noch mehr Veränderungen, zu denen unter anderem realistische Massenszenen gehörten, unter Vermeidung von choreografischer Symmetrie.[5] Gorski veränderte auch die Traumszene und führte darin den neuen Charakter der Dryaden-Königin ein.[6] Für diese Szene ließ er neue Musik komponieren bzw. zusammenstellen:
In Sankt Petersburg waren die Ballettliebhaber von Gorskis Veränderungen geschockt, man sprach sogar von einer „Verschandelung“ von Petipas Meisterwerk.[5] Der über achtzigjährige Petipa selber hatte an einer Kostümprobe teilgenommen, und verärgert über das, was sein eigener Schüler aus dem Ballett gemacht hatte, soll er ausgerufen haben: “Sagt einer dem jungen Mann, dass ich noch nicht tot bin ?!”.[5] 20. JahrhundertGorskis Version von Don Quixote wurde nach der russischen Revolution zur Grundlage für weitere Wiederaufnahmen und Bearbeitungen, die ebenfalls in die Substanz und in die musikalische Gestalt des Ballettes eingriffen. Außerhalb Russland war Don Quixote zum ersten Mal 1924 in einer gekürzten Fassung der Gorski-Version im Royal Opera House in London zu sehen, mit der berühmten Anna Pawlowa als Kitri/Dulcinea.[5] In Leningrad brachte Fyodor Lopukhov 1923 eine neue Version auf die Bühne, für die der tschechisch-stämmige Komponist Eduard Nápravník einen „Fandango“ komponierte.[5] Bei all dem verwandelte sich das Ballett immer mehr in eine Art „spanische Revue“, die Titelfigur des Don Quixote, die bei Petipa noch stärker im Mittelpunkt stand, wurde immer mehr an den Rand gedrängt und stattdessen die Figuren von Kitri und Basilio und andere Nebenfiguren stärker in den Vordergrund gerückt.[5] Viele der Veränderungen, die das Ballett im 20. Jahrhundert durchlief, wurden später auch von Kompanien auf der ganzen Welt übernommen.[5] Personen der Handlung
Freundinnen von Kitri, Toreadore, Straßentänzer, Zigeuner, Dryaden, Hochzeitsgäste HandlungDie Figuren des Don Quichotte und seines Begleiters Sancho Panza sind nur marginal in die Handlung eingebaut. Hauptsächlich handelt das Ballett von Liebe zwischen der schönen Wirtstochter Kitri und dem jungen Barbier Basilio. PrologEine Hütte in der spanischen Provinz Don Quichotte wacht aus einem Alptraum auf und ruft seinen Freund Sancho Panza. In seiner geistigen Umnachtung will er ausziehen, um die Jungfrau Dulcinea, von der er träumte, aus den Händen der Riesen zu befreien. Erster AktDer Marktplatz eines Dorfes Die wunderschöne und gewitzte Kitri, die Tochter des Schankwirts, liebt Basilio, der sein Geld als Barbier verdient. Kitris Vater jedoch kann den armen Basilio nicht leiden und möchte sie lieber mit dem alten, trotteligen, aber reichen Gamache verheiraten. Jedoch erschleichen sich Kitri und Basilio trotzdem den väterlichen Heiratssegen und fliehen schließlich aus dem Dorf. Zweiter AktDas Zigeunerlager Kitri und Basilio finden Unterschlupf bei den Zigeunern, welche auf den Feldern vor dem Dorf lagern. Zwar werden sie von Gamache und Don Quichotte verfolgt, auf Grund ihrer Verkleidung als Zigeuner jedoch nicht erkannt. Als ein Windstoß die nahen Windmühlen in Bewegung versetzt, glaubt sich Don Quichotte von Riesen bedroht. Beim Versuch, gegen selbige zu kämpfen, bekommt er einen Schlag auf den Kopf ab und fällt in Ohnmacht. Dritter AktDon Quichottes Traum Im Traum erscheinen Don Quichotte die Weingöttinnen (Dryaden) und ihre Königin Dulcinea. Auch Kitri und der Liebesbote Amor sind Teil des Gefolges. Vierter AktIn einer Taverne Kitri und Basilio kehren heimlich in ihr Dorf zurück, wo Kitris Vater nun endlich doch die Heirat offiziell erlaubt. Fünfter AktDie Hochzeit Mit einem großen Fest feiern Kitri und Basilio ihre Hochzeit. Orchester-Besetzung3 Flöten (3. Piccolo), 2 Oboen, 3 Klarinetten (3. Bassklarinette), 3 Fagotte (3. Kontrafagott), 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Basstuba, Schlagwerk (2 Spiele: große und kleine Trommel, Becken, Triangel, Glocke, Holzblock, Kastagnetten, Windmaschine) 2 Harfen, Streicher. Zu den modernen Choreografien des BallettesTanzstilDie Imitation von spanischen Tanzstilen ist unverkennbar in die Choreografie eingebaut. Immer wieder zeigen die Tänzer Posen und Bewegungen, die dem Flamenco oder anderen spanischen Volkstänzen entlehnt sind. Typisch sind Posen mit auf der Taille eingestützer Hand oder gestreckten Armen (die Arme werden im klassischen Ballett normalerweise leicht gebeugt). Auch die Körperhaltung im La Faraona-Stil aus dem Flamenco ist zu sehen: Kopf- und Beinhaltung sind im Profil, während der Oberkörper zum Publikum gedreht wird. Große Teile des Werkes sind sogenannter Charaktertanz. Die Tänzer tragen hierfür keine Ballett-, sondern Absatzschuhe und traditioneller Kleidung nachempfundene Kostüme. Berühmte PassagenEinige Teile des Werkes sind besonders bekannt und werden unabhängig vom Stückzusammenhang in Ballettabenden oder im Rahmen von Wettbewerben präsentiert:
Noten
AufnahmenCD
Filme
WeblinksCommons: Don Quixote (Ballett) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Film auf Youtube:
Einzelnachweise
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