Der arme SpielmannDer arme Spielmann ist eine 1848 erschienene Rahmennovelle Franz Grillparzers. Grillparzer beschäftigte sich seit 1831 mit dem Stoff, anfangs als Versuch eines autobiografischen Romans. Der Text wurde mehrfach überarbeitet und die Niederschrift immer wieder unterbrochen. Ende 1846 schickte ihn Grillparzer dem Verleger Gustav Heckenast, der ihn 1847 in Iris – Deutscher Almanach für 1848 in Pest (Ungarn) erstmals veröffentlichte.[1] InhaltRahmenDer Erzähler mischt sich bei einer Kirchweih in der Wiener Brigittenau unter das Volk. Er begegnet einem alten Spielmann, der auf seiner Geige eine Art Katzenmusik spielt. Als er ihm eine Münze gibt, kommen sie kurz miteinander ins Gespräch. Dadurch wird der Erzähler neugierig auf dessen Schicksal und besucht ihn eines Morgens in seiner ärmlichen Behausung. Dort erzählt ihm der alte Musikant seine Lebensgeschichte. Nach diesem Morgen verliert der Erzähler den Mann aus den Augen. Als der Erzähler nach längerer Zeit wieder in Wien ist, sind Teile der Stadt durch eine Überschwemmung verwüstet. Der alte Mann ist, nachdem er Kinder des Nachbarn aus der überschwemmten Wohnung gerettet hat, an einer Erkältung gestorben. BinnenerzählungAls Sohn eines hohen und einflussreichen Staatsbeamten versagt Jakob, weich, träumerisch und nach innen gewandt, vor den Anforderungen der Wirklichkeit. Er wird vom ehrgeizigen und jähzornigen Vater von der Schule genommen und muss als kleiner Schreiber in einem Büro arbeiten. Aber auch hier entzieht er sich der lauten und rohen Umwelt; nur sein Geigenspiel und Barbara, die Tochter eines Kuchenbäckers, die er schüchtern liebt, sind ihm Zuflucht und Lebensinhalt. Barbara ist von seiner Liebenswürdigkeit und seinem Charakter angezogen, verachtet ihn aber wegen seiner Lebensuntüchtigkeit. Als er sich nach dem Tod seines Vaters vom väterlichen Sekretär, dem er deswegen völlig vertraut, um seine Erbschaft betrügen lässt, heiratet Barbara einen Metzger aus Langenlebarn in Niederösterreich. Von nun an zieht der arme Spielmann geigend durch Wien. DeutungDer Erzähler, ein Wiener Dichter, findet psychologisches Interesse am Spielmann. Der Spielmann ist sehr naiv und fast lebensunfähig töricht, jedoch auch ein herzensguter Mensch mit Prinzipien, die er einhält. Er ist stets gut gekleidet, höflich und anständig, doch je tiefer er in der Gesellschaft sinkt, desto schlechter werden seine Erfahrungen. Das Quartier, das er mit Handwerkern teilt, ist durch einen Kreidestrich in seinen ordentlichen Teil und den unordentlichen seiner zwei Mitbewohner getrennt. Mit seiner Einstellung zum Leben geht er in der Gesellschaft fast unter, und er hält sich nur gerade so eben mit Almosen über Wasser. Die Erzählung verweist auch auf die Rolle großer Enttäuschungen, die Mitursache für ein Abgleiten in das soziale Aus sein können. Die Geige und die Musik bedeuten dem Spielmann viel. Er spielt und phantasiert für Gott, ist jedoch kein begnadeter Künstler. Er sieht sich den alten Meistern verpflichtet, doch kann er diese weder spielen noch wollen die Leute diese Lieder hören. Nur frei erfundene Melodien gelingen ihm besser. Doch liebt er es besonders ein Lied nachzuspielen, das Barbara, Tochter des Kaufmanns im Nachbarhaus, immer gesungen hatte. Zu Barbara entwickelt sich eine eigentümliche Beziehung: Der Spielmann sucht zwar ihre Nähe, zu entschiedener Werbung kommt es aber nicht. Ob dafür das bloße Unvermögen des Spielmanns in „weltlichen (Liebes-)Dingen“ verantwortlich ist oder ob der „Künstlerseele“ eine bürgerliche Liebesbeziehung unmöglich ist, bleibt in der Schwebe. Barbaras Gefühl wechselt zwischen Ablehnung, Zuneigung und wohl auch Liebe. Ein Indiz für letzteres mag die Weigerung des Verkaufs der Geige an den Erzähler sein (sie gibt den Grund an, dass ihr Sohn, der auch Jakob heißt, Geige lernen soll). Doch auf Druck ihres Vaters und ihrer Vernunft gehorchend, entschied sie sich gegen den verarmten, aber gutherzigen Spielmann und für den wohlhabenderen Fleischer, mit dem sie Wien verlässt. TriviaDie Spielmanngasse im Wiener Gemeindebezirk Brigittenau ist nach Grillparzers Novelle benannt und die Person Ferdinand Kauer gilt als Vorbild für die Figur des „Armen Spielmanns“.[2] Quellen
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