Der arme Heinrich

Der arme Heinrich ist eine mittelhochdeutsche Verserzählung von Hartmann von Aue. Sie entstand wahrscheinlich in den 1190er Jahren und gilt als vorletztes der vier epischen Werke Hartmanns.

Die kurze Versnovelle über einen hochadligen Ritter in Süddeutschland, der durch Gott mit Aussatz gezeichnet wird und nur durch das Herzblut einer sich freiwillig opfernden Jungfrau geheilt werden kann, verbindet höfische und geistliche Erzählmuster. Um 1200 gibt es kaum verwandte Erzählungen.

Inhalt

Prolog des Armen Heinrich (Heidelberg, UB, Cpg 341, fol. 249ra)

Nach einem kurzen Prolog, in dem der Erzähler sich selbstbewusst nennt und aus dem wir die meisten Informationen über Hartmann von Aue haben, beginnt die Geschichte: Heinrich, ein junger, fürstengleicher Freiherr von Ouwe im Schwabenland, verfügt über materiellen Reichtum und höchstes gesellschaftliches Ansehen. Er verkörpert alle ritterlichen Tugenden (êre, stæte, triuwe, milte) und höfisches Benehmen (zuht), wozu auch Fertigkeiten im Minnesang gehörten (und sanc vil wol von minnen, v. 71).

Aus diesem idealen Leben stürzt Heinrich, als Gott ihn mit Aussatz zeichnet und seine Umwelt sich in Ekel und Furcht von ihm abwendet. Im Gegensatz zum biblischen Hiob will Heinrich sich damit nicht abfinden und sucht Ärzte in Montpellier auf, von denen ihm aber keiner helfen kann. An der berühmten Schule von Salerno in Süditalien erfährt er von einem Arzt, dass es zwar ein Heilmittel gebe, das für Heinrich aber nicht zur Verfügung stehe: Nur das Herzblut einer Jungfrau im heiratsfähigen Alter, die sich freiwillig für ihn opfere, könne Heinrich heilen. Verzweifelt und ohne Hoffnung auf Genesung kehrt der lepröse Ritter zurück, verschenkt den Großteil seines Gutes und zieht sich auf einen Meierhof zurück, der zu seinem Besitz gehört.

Dort wird die Tochter des Bauern zur zweiten Hauptfigur. Das Kind (nach Handschrift A ist sie acht, nach Handschrift B zwölf Jahre alt) hat keine Scheu vor Heinrich und seiner unheilbaren[1] Krankheit und wird dessen anhängliche Begleiterin. Bald nennt Heinrich sie spielerisch seine Braut (gemahel). Als sie nach drei Jahren erfährt, was für ihn das einzige Heilmittel sei, ist sie fest entschlossen, für ihn ihr Leben zu lassen. Sie will sich für Heinrich opfern, da sie glaubt, nur auf diesem Wege dem sündhaften Leben zu entkommen und möglichst bald im Jenseits das ewige Leben bei Gott führen zu können. Sie überzeugt ihre Eltern und Heinrich durch eine Rede, deren rhetorischer Schliff der Inspiration des Heiligen Geistes zugeschrieben wird, ihr Opfer als gottgewollt anzunehmen.

Heinrich und das Mädchen reisen nach Salerno. Als der Arzt, der dem Mädchen die Operation zuvor vergeblich auszureden versucht hat, dessen Herz herausschneiden will und Heinrich das nackt und festgebunden auf dem Operationstisch liegende Mädchen durch einen Spalt in der Tür sieht, schreitet er in letzter Sekunde ein. Im Vergleich ihrer Schönheit mit seinem entstellten Körper kommt ihm die Ungeheuerlichkeit des Unternehmens zum Bewusstsein. Durch diese plötzliche innere Umkehr (er gewinnt niuwen muot, v. 1235) akzeptiert er den Aussatz als Willen Gottes. Daraufhin verliert das Mädchen die Fassung; sie sieht sich um das ewige Leben gebracht, macht Heinrich schwere Vorwürfe, dass er sie nicht sterben lassen wolle, und schmäht ihn als Angsthasen.

Auf dem Rückweg gesundet Heinrich wundersam durch Gottes Fügung und kehrt gemeinsam mit dem Mädchen nach Hause zurück, wo beide trotz des Standesunterschieds heiraten. Heinrich kehrt in seine frühere gesellschaftliche Stellung zurück, und der Meier wird zum Freibauern. Heinrich und das Mädchen gewinnen beide die ewige Seligkeit.

Literaturgeschichtliche Einordnung

Der Arme Heinrich im Werk Hartmanns

Herr Hartmann von Aue (idealisierte Miniatur im Codex Manesse, fol. 184v, um 1300)

Die Entstehungszeit des Armen Heinrich lässt sich nur sehr grob eingrenzen: Chrétiens de Troyes Erec et Enide, die französische Vorlage für Hartmanns ersten Roman Erec, war wahrscheinlich um 1165 bekannt. Man geht davon aus, dass Hartmann um 1180 als Autor in Erscheinung tritt. Spätestens 1205/10 waren alle Versromane Hartmanns bekannt, denn Wolfram von Eschenbach nimmt im Parzival auf den Iwein Bezug, Hartmanns letzten Roman. In diesem zeitlichen Rahmen ist der Arme Heinrich als (vermutlich) vorletztes Werk einzuordnen.

Innerhalb der Werkchronologie Hartmanns gilt der Arme Heinrich aus stilistischen Gründen als drittes seiner vier großen erzählerischen Werke. Am Beginn seines epischen Schaffens steht der Artusroman Erec, gefolgt von der legendenhaften Erzählung Gregorius. Als letztes Werk gilt Hartmanns zweiter Artusroman Iwein, der möglicherweise aber schon kurz nach dem Erec begonnen und erst später vollendet wurde. Nicht einzuordnen sind Hartmanns Minne- und Kreuzlieder, die kurze Versdichtung Das Klagebüchlein wird allgemein vor den vier Romanen Hartmanns angesetzt.

Stoff und Quelle

Hartmann spricht im Prolog von Erzählungen, die er in Büchern gefunden habe und nun neu erzählen wolle. Solche Quellen haben sich indes weder in der deutschen, noch der französischen oder lateinischen Literatur des Mittelalters gefunden, so dass man davon ausgehen muss, dass diese Quellenberufung fiktiv ist und die Dignität der Erzählung unterstreichen soll. Die im 14. und 15. Jahrhundert überlieferten lateinischen Erzählungen Henricus pauper und Albertus pauper sind wahrscheinlich keine Quellen Hartmanns, sondern gehen auf dessen Erzählung zurück.

Eine Motivtradition wird im Text direkt angesprochen: In der Bibel ist es Ijob, der von Gott mit Aussatz geprüft wird. Zu den Erzählungen von der übernatürlichen Heilung eines am Aussatz Erkrankten zählen auch die Silvesterlegende, in der Konstantin der Große geheilt wird, und die Erzählungen von Amicus und Amelius oder der Engelhard Konrads von Würzburg.

Deutungsansätze

Die schlechte Überlieferungslage hat zu manchen Unklarheiten geführt, die vor allem das namenlose Bauernmädchen betreffen. Handschrift A gibt ihr Alter mit acht Jahren an, als Heinrich an den Meierhof kommt, in Handschrift B sind es dagegen zwölf Jahre (v. 303). Unklar ist auch, ob das Mädchen, das sich opfern muss, erbære („ehrbar“) und manbære („heiratsfähig“) (Handschrift A, v. 225 und 447) oder vrîebære („heiratsfähig“) und verbære (?) (Handschrift B) sein muss. Das Fragment E fordert eine maget, die volle manbere sei („eine mannbare, d. h. heiratsfähige Jungfrau“, v. 225).

Auf zentrale Fragen, die die Erzählung offenlässt, hat die Forschung keine eindeutigen Antworten gefunden. Dies betrifft insbesondere den Grund, weshalb Gott Heinrich mit dem Aussatz zeichnet: Einerseits kann hierin eine Strafe für Heinrichs weltbezogenes Leben gesehen werden – so versteht Heinrich die Krankheit selber und auch ein Abschalom-Gleichnis zu Beginn der Erzählung spricht für diese Lesart. Andererseits kann der Aussatz als Prüfung Gottes interpretiert werden – dafür spricht der Vergleich mit Hiob, der vom Erzähler gezogen wird. Anders als dieser nimmt Heinrich die Prüfung jedoch zunächst nicht an, sondern sucht Heilung und verzweifelt anschließend.

Ein anderes Problem stellt die Rolle des Mädchens dar. Dass sie namenlos bleibt, rückt sie in eine untergeordnete Position, die dem Handlungsverlauf nicht entspricht. Der rhetorisch und theologisch geschulte zentrale Monolog, mit dem sie Heinrich und die Eltern überredet, ihr Opfer anzunehmen, wird der Eingebung des Heiligen Geistes zugeschrieben. Unklar bleibt ihre Motivation, also ob sie aus reiner Nächstenliebe handelt oder aus einem „Heilsegoismus“, durch den sie ihr eigenes Seelenheil erkaufen möchte, wie es mehrfach anklingt.

Das Mädchen tritt am Ende des Romans in eine Nebenrolle zurück, aber nicht, ohne durch die Heirat ständisch erhöht zu werden (mit den Worten Heinrichs: nû ist sî vrî als ich dâ bin, v. 1497). Die ständische Stellung der Protagonisten gibt überhaupt Rätsel auf. Das Leben des hochadligen Heinrich bei dem unfreien Bauern, der am Ende Freibauer wird, kann als gesellschaftliche Utopie gelesen werden; ebenso utopisch, nämlich in der Realität unmöglich, ist die Standeserhöhung eines Bauernmädchens zur legitimen Gattin eines Freiherrn. Es liegt nahe, die freie oder unfreie Geburt der Protagonisten, deren Thematisierung Hartmann offenkundig ein Anliegen ist, auch geistlich-allegorisch zu verstehen.

Auffallend ist die Namensähnlichkeit des fürstengleichen Freiherrn Heinrich von Aue mit Hartmann von Aue. Man hat darin eine verklärende Familiengeschichte gesehen, die den unfreien Ministerialenstand Hartmanns erklärt, da Heinrichs Heirat mit dem Bauernmädchen den Verlust des Adelsstandes für die Familie zur Folge gehabt hätte – allerdings schweigt Hartmann zu dieser Konsequenz. Als zweite Möglichkeit kommt in Frage, die Geschichte Heinrichs auf einen möglichen Gönner Hartmanns zu beziehen, doch wegen der Standesminderung ist dies weniger plausibel.

Das Gattungsproblem

Ein großes Problem der Forschung ist die Gattungszugehörigkeit des Armen Heinrich. Die relativ kurze Erzählung mit 1520 Versen steht einerseits der geistlichen Literatur nahe, der Legende, dem Exempel oder dem Mirakel, andererseits hat sie unverkennbar Elemente des höfischen Romans. Die religiösen Dimensionen dominieren die Erzählung deutlich, doch auch wenn Heinrich bekehrt und wunderbar geheilt wird, so wird er doch nicht zum Heiligen. Auffällig sind die Analogien zur Form des Erlösungsmärchens,[2] dem allerdings sonst die hier dominierende religiöse Thematik fehlt.

Da Charakteristika beider Texttypen im Armen Heinrich erkennbar sind, muss man ihm eine Sonderform als höfische Mirakelerzählung einräumen. Um das Problem der Gattungszuweisung zu umgehen, behilft man sich mit neutralen Benennungen, wie Kleinepik oder kurze Reimpaardichtung.

Häufig wird dem Armen Heinrich ein novellistischer Charakter zugesprochen und er als Versnovelle bezeichnet, obwohl der Begriff der Novelle üblicherweise erst für kürzere Erzählungen ab dem Spätmittelalter oder der Renaissance verwendet wird. Überhaupt steht der Arme Heinrich vor 1200 fast ganz singulär da, nur der anonyme Moriz von Craûn gehört noch diesem Literaturtypus der Kleinepik an. Erst der Meier Helmbrecht Wernhers des Gartenære aus der Mitte des 13. Jahrhunderts ist dem Armen Heinrich deutlich verwandt.

Stil und Sprache

Hartmann von Aue schrieb, wie die anderen Klassiker der Stauferzeit, in der sogenannten „Mittelhochdeutschen Dichtersprache“, der ersten hochsprachlichen Bildung der deutschen Sprachgeschichte. Erst das Hochmittelalter kennt eine beabsichtigte schriftsprachliche Einheitsform des Deutschen, die sich über die Mundarten erhebt: das höfische Deutsch, das sogenannte „klassische“ Mittelhochdeutsch. Diese „höfische Dichtersprache“ war beschränkt auf die Dichtung (und damit „Sondersprache“) der höfischen Gesellschaft: sie war weiterhin kaum gesprochen (wenn sie auch die Basis abgab für die gehobenen Umgangssprache des Rittertums), also nicht Gemein-, sondern nur Schriftsprache. Der rationale Charakter der Ethik Hartmanns reflektiert sich in Stil und Aufbau aller seiner Werke. Wortwörtlich stimmt das uns bekannte Werk wohl nicht mit dem von Hartmann überein, wurde das Werk doch unzählige Male abgeschrieben und dadurch verändert.

Rezeptionsgeschichte

Überlieferung

Die Überlieferung des Armen Heinrich ging auf anderen Bahnen vonstatten als die der umfangreicheren höfischen Romane, die gewöhnlich als Einzelabschriften ein Buch füllten. Die kurze Erzählung wurde dagegen immer im Rahmen von thematisch weitgespannten Textsammlungen tradiert. Alle drei vollständigen Abschriften des Armen Heinrich fanden sich in Kleinepik-Sammelhandschriften, die neben dem Armen Heinrich kürzere Reimpaarwerke enthalten (Mären, Bîspeln, Reimpaarreden und Spruchdichtung). Diese Textsorten waren Bearbeitungen gegenüber relativ offen, so dass auch der Arme Heinrich von Handschriften-Kompilatoren deutlich gekürzt und bearbeitet worden ist. Daraus erklären sich die konkurrierenden Versionen, auf die einige Probleme der Interpretation zurückgehen und die es schwierig machen, einen autornahen Text zu erstellen.

Neben den drei vollständigen Handschriften (Siglen: A, Ba, Bb) existieren Fragmente weiterer drei Exemplare des Texts. Alle Abschriften sind in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zu datieren und im oberdeutschen Sprachraum anzusiedeln. Die Handschrift A aus dem Straßburger Johanniterkloster verbrannte 1870 beim Beschuss Straßburgs durch deutsche Truppen im Deutsch-Französischen Krieg, so dass man heute auf frühere Abdrucke zurückgreifen muss. Wie der Vergleich mit den Fragmenten beweist, kürzte auch diese Handschrift den ursprünglichen Text Hartmanns, bot aber dennoch den besten Überlieferungsträger. Auch die beiden anderen Handschriften (Ba und Bb) haben den ursprünglichen Text redaktionell bearbeitet. Beide Handschriften überliefern die gleiche Fassung, denn Bb wurde von Ba abgeschrieben.

Erst 1964/65 wurde das Fragment E gefunden und 1969[3] veröffentlicht. Die elf kleinen Pergamentstreifen waren im Kloster Benediktbeuern zur Abdichtung der Orgelpfeifen verwendet worden. Als Federprobe wurden sechs Verse in eine Handschrift des 13. Jahrhunderts mit Kommentaren zu Ovid und Cicero eingetragen (Handschrift F).

Außerdem wurde der Arme Heinrich ins Lateinische übersetzt und in zwei lateinische Exempelsammlungen des 14. Jahrhunderts aufgenommen.

Editionsgeschichte

Die ersten Editionen des Armen Heinrich waren diplomatische Abdrucke nach Handschrift A. Zum ersten Mal brachte ihn 1784 Christoph Heinrich Myller heraus. Goethe las eine Übersetzung Johann Gustav Gottlieb Büschings (Zürich 1810) mit „physisch-ästhetischem Schmerz“, da er das Thema des Aussatzes persönlich abstoßend fand, erkannte aber dennoch den Wert der Erzählung an. 1815 folgte eine kommentierte Ausgabe der Brüder Grimm mit einer Nacherzählung, die dem Text erstmals zu einer größeren Verbreitung verhalf. Der Stoff wurde von ihnen als alte deutsche „Volkssage“ angesehen. In der Folge entstanden zahlreiche Nachdichtungen und Neuausgaben in Stil der Volksbücher. Karl Lachmann legte 1820 eine weitere Edition des Straßburger Codex vor.

Die lange Zeit maßgebliche kritische Edition stammt von Moriz Haupt aus dem Jahr 1842, der als Erster alle Lesarten in einem textkritischen Apparat verzeichnete. Auf diese Edition stützte sich 1882 auch Hermann Pauls Ausgabe in der Altdeutschen Textbibliothek, die später von Albert Leitzmann, Ludwig Wolff, Gesa Bonath und zuletzt von Kurt Gärtner bearbeitet worden ist.

Einen Abdruck der beiden wichtigsten Handschriften mit einem kritischen Text im Parallelabdruck bot 1913 Erich Gierach. Eine weitere synoptische Edition der Handschriften A und B, mit den Fragmenten und einem daraus rekonstruierten Text legte 1974 Heinz Mettke vor.

Weitere Ausgaben legten Wilhelm Wackernagel (1855), Friedrich Maurer (1958), Friedrich Neumann (1961 mit der Nacherzählung der Brüder Grimm) und Helmut de Boor (1963) vor. Die letzte Edition brachte Volker Mertens 2004 in der Bibliothek deutscher Klassiker heraus. Einfache schwarz-weiß-Faksimiles der gesamten Überlieferung erschienen 1971 und 1973 in der Reihe Litterae.

Moderne Rezeption

Während der Arme Heinrich nur in wenigen mittelalterlichen Handschriften überliefert ist, so wurde er in moderner Zeit häufiger rezipiert als irgendein anderes Werk Hartmanns. Besonders Künstler der Romantik und des Fin de siècle waren von der Kombination der Motive Heiligkeit, Landidyll, Aussatz und Erotik fasziniert. Eine dramatische Darstellung des nackten Mädchens, das auf dem Operationstisch festgebunden ist, den Arzt mit seinem Messer daneben und Heinrich, der als Voyeur durch den Türspalt blickt, fehlte in keiner Illustration außer der zu den jugendfreien Bearbeitungen Gustav Schwabs.

Bekannt wurde der Arme Heinrich vor allem durch die Nachdichtung der Brüder Grimm, die unter anderem eine lange Ballade von Adelbert von Chamisso (1839) oder ein episches Drama des Amerikaners Henry Wadsworth Longfellow (The Golden Legend, 1851) anregte. Ins Englische übertragen wurde der Arme Heinrich von dem Präraffaeliten Dante Gabriel Rossetti. Auch Ludwig Uhland, Gustav Schwab, Karl Simrock, Conrad Ferdinand Meyer, Rudolf Borchardt, Will Vesper und viele andere nahmen den Armen Heinrich produktiv auf, wobei alle literarischen Gattungen vertreten sind. Die bedeutendsten Bearbeitungen entstanden in der Zeit der literarischen Neuromantik durch Ricarda Huch mit ihrer Erzählung Der arme Heinrich aus dem Jahr 1899 (enthalten im Sammelband Fra Celeste) und Gerhart Hauptmann, dessen Drama „Der arme Heinrich“ 1902 uraufgeführt wurde.

Auch die erste Oper Hans Pfitzners ist eine Vertonung des Armen Heinrich nach einem Libretto von James Grun (1895). Unter den bildnerischen Darstellungen ragen ein Zyklus des Nazareners Joseph von Führich und Illustrationen von Ludwig Richter heraus.

Seit den 1920er Jahren verlor sich das Interesse an dem Stoff, der nun weit weniger rezipiert wurde als germanische Heldendichtungen. Dies änderte sich auch nicht in der Nachkriegszeit oder durch die Achtundsechziger, für die die gesellschaftliche Relevanz des Armen Heinrich zu gering war. Erst seit den 1990er Jahren rückte die Erzählung wieder stärker in den Blickpunkt. Zuletzt griffen Markus Werner (Bis bald, 1995; Der ägyptische Heinrich, 1999), der Dramatiker Tankred Dorst (Die Legende vom armen Heinrich, 1997), der Lyriker Rainer Malkowski (1997) und August Kötzke mit einer „Kammeroper“ den Armen Heinrich auf.

Literatur

Textausgaben

  • Hartmann von Aue: Der arme Heinrich. (= Reclam. 19131). Hrsg., übersetzt und kommentiert von Nathanael Busch und Jürgen Wolf. Reclam, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-019131-6. (Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch)
  • Hartmann von Aue: Der arme Heinrich. (= Reclam. 456). Hrsg. von Ursula Rautenberg, übersetzt von Siegfried Grosse. Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-000456-X. (Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch)
  • Hartmann von Aue: Gregorius, Der arme Heinrich, Iwein. (= Bibliothek des Mittelalters. Bd. 6; Bibliothek deutscher Klassiker. Bd. 189). Hrsg. und übersetzt von Volker Mertens. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-618-66065-0.
  • Der arme Heinrich. (= Altdeutsche Textbibliothek. Bd. 3). Hrsg. von Hermann Paul, neu bearbeitet von Kurt Gärtner. 17. Auflage. Niemeyer, Tübingen 2001, ISBN 3-484-20061-8.
  • Hartmann von Aue: Der arme Heinrich. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Auf der Grundlage der Textedition von Helmut de Boor durchgesehen, übertragen. Mit Anmerkungen und einem Nachwort von Hermann Henne. Fischer, Frankfurt am Main 1963. (12. Auflage. 2000, ISBN 3-436-00763-3)
  • Wilhelm Wackernagel: ‚Der arme Heinrich‘ Herrn Hartmanns von Aue und zwei jüngere Prosalegenden verwandten Inhalts. Schweighauser, Basel 1855. (neu hrsg. von Ernst Stadler, ebenda 1911)

Bearbeitungen

Einführungen

Hinweis: Gute Einführungen zum Armen Heinrich bieten die Nachworte der Textausgaben von Volker Mertens und Ursula Rautenberg.

Sekundärliteratur

  • Albrecht Classen: Herz und Seele in Hartmanns von Aue „Der arme Heinrich“. Der mittelalterliche Dichter als Psychologe? In: Mediaevistik. № 14, 2001, S. 7–30.
  • Corinna Dahlgrün: Hoc fac, et vives – vor allen dingen minne got. Theologische Reflexionen eines Laien im „Gregorius“ und in „Der arme Heinrich“ Hartmanns von Aue. Lang, Frankfurt am Main u. a. 1991, ISBN 3-631-44036-7.
  • Christoph Cormeau, Wilhelm Störmer: Hartmann von Aue. Epoche – Werk – Wirkung. (= Arbeitsbücher zur Literaturgeschichte. 3). 3. Auflage. München 2007, S. 142–159.
  • Gerhard Eis: Salernitanisches und Unsalernitanisches im „Armen Heinrich“ des Hartmann von Aue. In: Forschungen und Fortschritte. Band 31, Nr. 3, 1957, S. 77–81; auch in: Hartmann von Aue. (= Wege der Forschung. 259). Hrsg. von Hugo Kuhn und Christoph Cormeau. Darmstadt 1973, S. 135–150.
  • Sabine B. Elias: Thema in Variationen, der „arme Heinrich“ und das Problem der Schuld. Bei Hartmann von Aue, Ricarda Huch und Gerhart Hauptmann. National Library of Canada, Ottawa 1985, ISBN 0-315-13297-3.
  • Andrea Fiddy: The presentation of the female characters in Hartmann's „Gregorius“ and „Der arme Heinrich“. Kümmerle, Göppingen 2004, ISBN 3-87452-966-5.
  • Andreas Hammer, Norbert Kössinger: Die drei Erzählschlüsse des ‚Armen Heinrich‘ Hartmanns von Aue. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Band 141, Heft 2, 2012, S. 141–163.
  • Joseph Klapper: Die Legende vom Armen Heinrich. Nischkowsky, Breslau 1914 (Digitalisat)
  • Wilhelm Kolz: Der Gradusgedanke im Armen Heinrich. In: Zeitschrift für deutsche Bildung. Band 3, 1927, S. 595–601.
  • Volker Mertens: Noch einmal: Das Heu im „Armen Heinrich“ (E73/B143). In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Band 104, 1975, S. 293–306.
  • Barbara Schmidt-Krayer: Kontinuum der Reflexion. Der arme Heinrich. Mittelalterliches Epos Hartmanns von Aue und modernes Drama Gerhart Hauptmanns. Kümmerle, Göppingen 1994, ISBN 3-87452-840-5.
  • Hermann Tardel: „Der arme Heinrich“ in der neueren Dichtung. Gerstenberg, Hildesheim 1978, ISBN 3-8067-0620-4.

Anmerkungen

  1. Erich Kaiser: Das Thema der unheilbaren Krankheit im „Armen Heinrich“ Hartmanns von Aue und im „Engelhard“ Konrads von Würzburg und weiteren mittelhochdeutschen Gedichten. Philosophische Dissertation Tübingen 1964.
  2. Vgl. auch S. Sparre: Todessehnsucht und Erlösung: „Tristan“ und „Armer Heinrich“ in der deutschen Literatur um 1900 (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Band 494). Kümmerle Verlag, Göppingen 1988, ISBN 3-87452-731-X. Sowie: Bernhard D. Haage: Der „mystische Dreischritt“ und der „Märchenschluß“ im „Armen Heinrich“ Hartmanns von Aue. In: Leuvense Bijdragen. Band 73, 1984, S. 145–162.
  3. Vgl. Helmut Rosenfeld: Ein neu aufgefundenes Fragment von Hartmanns „Armem Heinrich“ aus Benediktbeuern. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Band 98, 1969, S. 40–64, JSTOR:20655527.
  4. Der arme Heinrich in der ARD-Hörspieldatenbank.