Cusco-Quechua
Cusco-Quechua oder Cuzco-Ketschua (Quechua: Qusqu Runasimi oder Qusqu Qhichwa) ist die insbesondere im peruanischen Departement Cusco einschließlich der Stadt Cusco gesprochene Quechua-Varietät, welche zur Quechua-Dialektgruppe Qusqu-Qullaw gehört. Verbreitung und StatusLaut SIL International wird das Cusco-Quechua von 1,5 Millionen Menschen, darunter 300.000 bis 500.000 Einsprachigen, in der Region Cusco, im östlichen Apurímac, etwa der Hälfte von Puno und in der Provinz Caylloma in der Region Arequipa gesprochen.[1] Das Cusco-Quechua genießt in vielen Kreisen das höchste Ansehen unter allen Quechua-Varianten, was auf die Geschichte der Stadt Cusco als Inka-Hauptstadt zurückzuführen ist. Die Academia Mayor de la Lengua Quechua (AMLQ) in Cusco propagiert diese Mundart als schriftsprachlichen Standard, wobei nach spanischem Vorbild die fünf Vokale a, e, i, o, u zu verwenden seien (bei ihr heißt es z. B. Qosqo Qheswa).[2] Das peruanische Bildungsministerium verwendet jedoch als offiziellen Standard für das Qusqu-Qullaw (Cuzco-Collao), das auch das Cusco-Quechua umfasst, für ererbte Quechua-Wörter nur die drei Vokale a, i, u,[3] so wie es Rodolfo Cerrón Palomino für das Südliche Quechua vorsieht.[4] Serafín Coronel Molina, dessen Muttersprache das Wanka-Quechua ist,[5] stellt in seinem Sprachführer (Quechua Phrasebook, 2002) von Lonely Planet das Cusco-Quechua vor und verwendet dabei die drei Vokale a, i, u.[6] Soziolinguistische Situation und Verwendung in der BildungCusco-Quechua gilt als eine der vitalsten Varianten des Quechua. Dennoch gaben bei der Volkszählung 2017 nur noch wenig mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Departamento Cusco-Quechua als Erstsprache an.[7] Während in den Dorfgemeinschaften (Ayllus, Comunidades campesinas) alle Generationen Quechua sprechen und hier die Sprache als vital eingestuft wird, gilt sie in den meisten Distrikthauptstädten der Region Cusco als bedroht, da viele Kinder sie nicht mehr lernen. Noch ernster wird die Situation in den Provinzhauptstädten und insbesondere in der Stadt Cusco gesehen, wo noch weniger Kinder es lernen. Der Anteil der Schulen mit interkultureller zweisprachiger Erziehung ist in Cusco mit wenig mehr als 50 % deutlich geringer als in Ayacucho und Apurímac. Mit der Implementierung des Sprachengesetzes (Ley 29735) verwenden 2013 im Departamento Cusco 2311 Schulen Quechua als Erst- und 421 als Zweitsprache, was in absoluten Zahlen die höchste Anzahl in Peru ist. In der Stadt Cusco ist die Versorgung mit IZE eher gering (Provinz Cusco: 65 Schulen, alle mit Quechua als Erstsprache, davon im Distrikt Cusco nur 6).[8] Während übergangsweise das von der AMLQ propagierte 5-Vokal-Rechtschreibsystem in Cusco noch weithin auf experimenteller Basis verwendet wurde (RD Nº 155-2007), ist seit 2013 das 3-Vokal-System des Qusqu-Qullaw vorgeschrieben (RD Nº 282-2013-ED als Bestätigung von RM Nº 1218-1985-ED).[9] Literatur auf Cusco-QuechuaDas Quechua von Cusco, dem ehemaligen Zentrum des Inkareichs, gewann im Laufe der Kolonialzeit gegenüber der zunächst verwendeten Lengua general, die mehr dem Chanka-Quechua entsprach und auch dem Chinchay-Quechua ähnelte, an Prestige. So ist ein erheblicher Teil der späteren Quechua-Literatur der Kolonialzeit im klassischen Cusco-Quechua geschrieben, das allerdings noch keine Frikativierung der Plosive aufwies und wie andere Quechua-Varianten zwischen zwei s-Lauten unterschied. Hier sind etwa das epische Drama Apu Ollantay oder die dramatische Bearbeitung des verlorenen Sohnes (Lk 15:11-32, Chinkasqa churi) durch Juan de Espinosa Medrano (gestorben 1688) zu nennen. An klassischen Schreibweisen des Cusco-Quechua wurde auch nach der Unabhängigkeit Perus festgehalten, so noch 1880 in einer Quechua-Übersetzung des Johannesevangeliums durch den Pastor Joseph Henry Gibbon-Spilsbury. Einen Bruch hin zum modernen, volkstümlichen Cusco-Quechua machte Clorinda Matto (1852–1909) mit ihrer zwischen 1901 und 1904 erschienenen Übersetzung der vier Evangelien, der Apostelgeschichte und des Römerbriefes. Auf Cusco-Quechua erschienen eine Reihe Theaterstücke, so von Nicanor Jara (Sumaq T'ika, „Schöne Blume“, 1899), Nemesio Zúñiga Cazorla (Quri Ch'uspi, „Goldene Fliege“, 1915 und T'ika hina, „Wie eine Blume“, 1920) und Artemio Huillca Galindo (Puka Walicha, „Die rote Valeriana“, 1950). 1944 belebte Faustino Espinoza Navarro mit einer dramatischen Bearbeitung auf Quechua das Inti Raymi in Cusco wieder, das seitdem alljährlich aufgeführt wird. Eine Reihe quechuakundiger Mestizen, die wie Faustino Espinoza Navarro ein „reines“ Quechua in ihrer Poesie und ihren Dramen pflegten, fand sich 1954 zur Gründung der Academia de la Lengua Quechua zusammen. Aus diesen Reihen wird seitdem eine Reihe von puristischen Texten auf Cusco-Quechua produziert, ohne jedoch breitere Bevölkerungsschichten zu erreichen. Einen gewissen sprachlichen Gegensatz hierzu bilden zum einen die inzwischen recht zahlreichen Veröffentlichungen gesammelter Erzählungen der mündlichen Quechua-Tradition, andererseits aber auch beispielsweise die Dichtungen von Ch’aska Anka Ninawaman (* 1973) aus Yauri (Provinz Espinar, z. B. Gedichtband Ch'askaschay 2004), die auf ein volkstümliches Cusco-Quechua – auch mit all seinen Hispanizismen – zurückgreift. Um breiten Bevölkerungsschichten verständlich zu sein, wird auch bei der 1988 erschienenen, von Protestanten und Katholiken gemeinsam vorgenommenen Bibelübersetzung ins Cusco-Quechua[10] von einem Sprachpurismus abgesehen, während sich jedoch die Orthographie mit ihren fünf Vokalen noch an der Academia orientiert. Letzteres gilt auch für die 2015 veröffentlichte Neue-Welt-Übersetzung des Neuen Testaments ins Cusco-Quechua[11] durch die Zeugen Jehovas und die Sprachversionen ihrer Website auf Cusco-Quechua.[12] Unter Juan Velasco Alvarado wurde 1975 das Cusco-Quechua als Teil der Varietät Qusqu-Qullaw (Cusco-Collao) anerkannt. Seit der Implementierung des Sprachengesetzes nach 2011 wird diese als Qullaw qichwa (Quechua collao) bezeichnet.[8] CharakteristikaDas Cusco-Quechua bildet innerhalb der Regionalvariante Qusqu-Qullaw im Dialektkontinuum einen Übergang zwischen dem Chanka-Quechua und dem Collao-Quechua bzw. Quechua in Bolivien. Hinsichtlich des Wortschatzes steht Cusco-Quechua dem Chanka-Quechua am nächsten, mit dem es laut Ethnologue 96 % lexikalische Ähnlichkeit hat,[13] während die Varianten von Puno und Bolivien mehr Wörter und auch Strukturen aus dem Aymara[14] und Spanischen entlehnt haben (z. B. das Diminutiv-Suffix -ita, -itu, -sita, -situ anstelle von -cha: vgl. „Steinchen“: rumisitu in Bolivien vs. rumicha in Cusco und Ayacucho). Wie alle Qusqu-Qullaw-Mundarten, aber im Gegensatz zu Chanka-Quechua weist Cusco-Quechua subordinierende Konjunktionen auf, z. B. imaraykuchus (weil) und sichus (wenn, falls), ebenso Relativpronomen, z. B. pitachus (wen, den) oder imachus (was, das). Diese Subordinatoren sind jedoch in den Mundarten Boliviens bei weitem am häufigsten.[15] Cusco-Quechua hat einige Besonderheiten im Wortschatz, die es von seinen Schwestermundarten abhebt (z. B. unu statt yaku für „Wasser“ oder ukuku statt ukumari für „Bär“) sowie einige wenige in der Grammatik (z. B. die Endung -rqan statt -rqa für die 3. Person der einfachen Vergangenheit). Varianten im östlichen Apurímac und in Arequipa (La Unión)Laut Ethnologue sind Ost-Apurímac-Quechua[16] und La-Unión-Quechua[17] eigene „Sprachen“ und haben deshalb eigene ISO-Codes 639-3, da diese ebenso wie der Ethnologue von SIL International verwaltet werden. In der linguistischen Forschung wird dies jedoch überwiegend anders gesehen. Willem Adelaar und Pieter Muysken führen diese beiden Varianten nicht auf, sondern ordnen deren Sprachgebiet dem Sprachgebiet des Cusco-Quechua zu.[18] Serafín Coronel Molina fasst wiederum ebenso wie Rodolfo Cerrón Palomino das Cusco-Quechua mit dem Chanka-Quechua und dem Puno-Quechua zur „Südperuanischen Quechua-Sprache“ zusammen,[19] während laut Alfredo Torero die südperuanischen und bolivianischen Quechua-Varianten – also alle zum Qusqu-Qullaw und Chanka-Quechua gehörenden Mundarten – einen „Supralekt“ bzw. eine „Sprache“ Südliches Quechua bilden.[20] Immerhin sind die Unterschiede zwischen den Mundarten von Cusco, Ost-Apurimac und Arequipa-La Unión so groß, dass einige protestantische Kirchen aus Gründen der Verständlichkeit eigene Bibelübersetzungen für notwendig erachten, weshalb die Wycliff-Übersetzer 2013 eine eigene Übersetzung des Neuen Testaments für Ost-Apurimac herausgebracht haben[21] und an der Übersetzung des Alten Testaments arbeiten.[22] In das Quechua von La Unión (Arequipa) wurden 1993 das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte übersetzt.[23] Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
|