Conrad Schmidt war der Sohn von Carl Schmidt (1825–1898) und von Katharina Schmidt geb. Rupp (1837–1925).[1] Er war der ältere Bruder der Bildhauerin Käthe Kollwitz. Mitte der 1880er Jahre studierte er in Berlin und promovierte 1886 an der Universität Königsberg mit einer Arbeit Der natürliche Arbeitslohn, in welcher er die Lohn- und Ausbeutungstheorien von Johann Karl Rodbertus und Karl Marx miteinander verglich. Schmidt verwarf die Marxsche Theorie als unbewiesene Hypothese zugunsten der Rodbertuschen, welche auf der Annahme natürlicher Rechte fußte. Nach weiteren Marx-Studien revidierte Schmidt dieses Urteil und wurde ein Anhänger des Marxismus.
Schmidt wandte sich einem Problem zu, welches Friedrich Engels 1885 im Vorwort zum 2. Band von Das Kapital gestellt hatte. Er kündigte Engels seine Lösung an, worauf auf Fürsprache von Engels und Karl Kautsky hin 1889 die Schrift Die Durchschnittsprofitrate auf Grundlage des Marx'schen Werthgesetzes erscheinen konnte.[2] Den Preis erhielt aber Peter Fireman.[3][4]
Schmidt machte die Bekanntschaft von Friedrich Engels, bei dem zuhause er mehrere Abende verbrachte. Es ist ein reger Briefwechsel zwischen beiden überliefert, aus dem insbesondere die Briefe von Engels an Schmidt am 27. Oktober 1890 und vom 12. März 1895 als wichtige Dokumente des Marxismus gelten.
1890 trat er auf Zuraten von Engels eine Stellung in der Schweiz als Redakteur bei der Züricher Post an. Er wandte sich zunehmend von einem irrtümlicherweise Friedrich Engels zugeschriebenem ökonomischen Determinismus[5] ab, und Neukantianischen Positionen zu. Er betonte die ethischen Aspekte der Arbeiterbewegung wie Opferbereitschaft, Pflichtbewusstsein und Parteitreue. Nach Ansicht Schmidts sind diese Eigenschaften entstanden aus ursprünglichen animalischen überegoistischen Instinkten, welche sich bei den Lebewesen im Verlauf der Evolution zur Erhaltung der eigenen Gattung herausgebildet hätten, und im Menschen mehr und mehr bewusst gemacht und rationalisiert, und nunmehr von der Arbeiterklasse verkörpert würden.[6] Da Schmidt für sich keine Möglichkeit einer akademischen Karriere in der Schweiz sah, kehrte er 1895 nach Berlin zurück, wo er Mitarbeiter der sozialdemokratischen Wochenzeitung Vorwärts wurde. Er war Vorsitzender der Freien Volksbühne von 1897 bis 1918. 1919 ernannte Konrad Haenisch ihn zum Professor am Berliner Polylitechnikum.[7]
Conrad Schmidt wurde in der Künstlerabteilung des Berliner Zentralfriedhofs Friedrichsfelde beigesetzt. Den Grabstein schuf seine Schwester Käthe Kollwitz.[8] Conrad Schmidt war mit Anna Butzke (1863–1924) verheiratet.
Genosse Mehring und die Freie Volksbühne. In: Die neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens. 18.1899-1900, 2. Band (1900), Heft 48, S. 659–662. Digitalisat
Eine Philosophie des Geldes. In: Socialistische Monatshefte. 5 = 7(1901), Heft 3, S. 180–185, Digitalisat
Die psychologische Richtung in der National-Oekonomie. In: Die neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens. 10.1891-92, 2. Band (1892), Heft 41, S. 459–464. Digitalisat
Sombarts Buch über den modernen Capitalismus. In: Socialistische Monatshefte. 6 = 8(1902), Heft 9, S. 678–685. Online
Zur Theorie der industriellen Reservearmee. In: Socialistische Monatshefte. 8 = 10(1904), H. 2, S. 120–128. Digitalisat
Zur Erinnerung an Karl Marx. In: Sozialistische Monatshefte. 12 = 14(1908), H. 5, S. 265–272. Digitalisat
Zur Methode der theoretischen Nationalökonomie. In: Sozialistische Monatshefte. 21(1915), Heft 10, S. 492–502.
Briefe von Friedrich Engels an Conrad Schmidt.
Vorbemerkung des Empfängers. In: Sozialistische Monatshefte. 26(1920), Heft 11, S. 662–667. Digitalisat
London 12. 1889. In: Sozialistische Monatshefte. 26(1920), Heft 12, S. 740–744. Digitalisat
London 12. April 1890. In: Sozialistische Monatshefte. 26(1920), Heft 13, S. 794–797. Digitalisat
London 27. Oktober 1890. In: Sozialistische Monatshefte. 26(1920), H. 14, S. 871–876. Digitalisat
Ryde Insel Wight 1. Juli 1891. In: Sozialistische Monatshefte. 26(1920), Heft 15, S. 948–951. Digitalisat
London 4. Februar 1892. In: Sozialistische Monatshefte. 26(1920), Heft 16, S. 1000–1007. Digitalisat
Friedrich Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft. Mit einem Rückblick von Prof. Conrad Schmidt. 11. unveränd. Aufl. J. W. W. Dietz Nachf., Berlin 1928.
Literatur
Paul Kampffmeyer: Die Lebensarbeit Conrad Schmidts. In: Sozialistische Monatshefte. 38. (1932), Heft 11, S. 897–904. Digitalisat
Manfred Müller: Conrad Schmidts Beitrag zur Verbreitung der ökonomischen Lehre von Karl Marx vom Ende der achtziger bis Mitte der neunziger Jahre. In: Beiträge zur Marx / Engels-Forschung. Dietz Verlag, Berlin 1968, S. 161–167.
Stanley Pierson: Marxist Intellectuals and the working-class mentality in Germany, 1887–1912, Harvard University Press, 1993, ISBN 978-0-67455-123-7, S. 46–52.
Dimitrij Owetschkin: Conrad Schmidt, der Revisionismus und die sozialdemokratische Theorie. Zur theoretischen Entwicklung der Sozialdemokratie vor 1914. Klartext, Essen 2003, ISBN 3-89861-170-1
Jürgen Scheele: Politische Ökonomie und Theoriegeschichte der Arbeiterbewegung im sozialphilosophischen Komparativ. Zur Auseinandersetzung mit Conrad Schmidt. In: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung. Vierteljahresschrift, 2004, 60 (2004), S. 70–85. ISSN0940-0648
↑Der Stammbaum der Familie ist enthalten in dem Buch: Käthe Kollwitz. Die Tagebücher. Hrsg. von Jutta Bohnke-Kollwitz, Siedler, Berlin 1989. ISBN 3-88680-251-5.
↑Carl Erich Vollgraf, „Die Preisrätselliteratur vor Erscheinen des dritten Buches“, in: Marx-Engels-Gesamtausgabe. Abteilung II, Band 14, Akademie-Verlag Berlin 2003, ISBN 3-05-003733-4, S. 482–486.
↑Joachim Hoffmann: Berlin-Friedrichsfelde. Ein deutscher Nationalfriedhof. Kulturhistorischer Reiseführer. Das Neue Berlin 2001, ISBN 3-360-00959-2, S. 138.