Christoph Baumer

Christoph Baumer vor bronzezeitlicher Grabstätte, Gumugo 2009

Christoph Baumer (* 23. Juni 1952) ist ein Schweizer Kulturforscher. Seit 1984 hat er Feldforschungen in Zentralasien, China, Tibet und im Kaukasus durchgeführt, deren Ergebnisse in zahlreichen Büchern, wissenschaftlichen Publikationen, Fernseh- und Radiosendungen veröffentlicht wurden.

Leben

Baumer wuchs im Schweizer Kanton Thurgau auf. Sein Vater war Geschäftsmann, seine Mutter war Kriegskorrespondentin für die nationale französische Presseagentur und berichtete vom Finnisch-Russischen Krieg im Winter 1939–1940. Der berühmte Asienforscher Sven Hedin ermöglichte ihre Rückkehr aus Skandinavien in das besetzte Belgien, damals ihre Heimat. Schon als Jugendlicher war Baumer von den Reiseberichten Hedins fasziniert, und diese legten wahrscheinlich den Grundstein für seine spätere Entwicklung. Nach seiner Promotion an der Universität Zürich arbeitete er zunächst in der Wirtschaft, woraufhin er sich als freier Autor und Fotograf mit Schwerpunkt auf die Kulturgeschichte Zentralasiens und des Kaukasus selbständig machte. Seine Bücher sind in fünf Sprachen erschienen.

Christoph Baumer ist Initiator und Gründungsmitglied, zusammen mit Therese Weber, sowie Präsident der archäologischen Gesellschaft zur Erforschung EurAsiens.[1] Die Gesellschaft leistet wissenschaftliche Beiträge zur Erforschung der Kulturen Eurasiens. Sie fördert die archäologische Feldforschung in 6 bis 8 Ländern und den wissenschaftlichen Austausch von Ideen und Erfahrungen durch Publikationen und internationale Konferenzen. Im Jahr 2015 erhielt er von der Royal Society for Asian Affairs, London, die Sir Percy Sykes Memorial Medaille «in Anerkennung seines herausragenden Beitrags zur Kenntnis der Kulturgeschichte Zentralasiens». Baumer ist Senior Research Fellow der Akademie der Wissenschaften Kasachstans und Mitglied des Explorers Club New York, der Royal Geographic Society, der Royal Asiatic Society und der Royal Society for Asian Affairs, London.

Forschung in der Taklamakan-Wüste

Im Jahr 1994 leitete Baumer die erste schweizerisch-chinesische Taklamakan-Expedition und erreichte als erster Westler seit den 1930er Jahren die antiken Oasen Niya und Loulan.

Die Zweite Internationale Taklamakan-Expedition folgte 1998. Christoph Baumer war der erste Besucher der antiken Ruinenstadt Dandan Oilik seit Emil Trinkler und Walter Bosshard im Jahr 1928. Ergebnisse dieser Expedition waren unter anderem die Wiederentdeckung und Ausgrabung unbekannter Ruinen in Dandan Oilik und buddhistischer Wandmalereien aus der Mitte des 8. Jahrhunderts n. Chr.;[2] die Entdeckung eines Papierdokuments aus dem 7./8. Jahrhundert in khotanesischer Sprache und Brahmi-Schrift; in der Ruinenstadt Endere die Entdeckung einer sehr seltenen Steininschrift in Kharoshthi aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. und die Wiederentdeckung einer tibetischen Inschrift aus dem Jahr 790. Aus dieser Expedition ging die ZDF-Dokumentation «Das Land ohne Wiederkehr» hervor.

2003 führte Baumer in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Institut von Ürümqi, Xinjiang, und einem Vertreter der University of London die dritte Internationale Taklamakan-Expedition durch, bei der er nördlich von Qarqan Funde aus der Jungsteinzeit (4.–3. Jahrtausend v. Chr.) machte.

Im Jahr 2007 leitete er die vierte Taklamakan-Expedition in teilweise unerforschte Gebiete der Lop-Nor-Wüste. Dort entdeckte er unter anderem eine bisher unbekannte Siedlung aus der Zeit von etwa 100 v. Chr. bis 400 n. Chr.[3]

In der Wüste Lop Nor, 2007

Im Jahr 2009 leitete er seine fünfte Taklamakan-Expedition in das ehemalige, seit zwei Jahrtausenden unerforschte Delta des Flusses Keriya im Zentrum der Wüste und entdeckte zwei unbekannte Friedhöfe: Satma Mazar (Eisenzeit) und Ayala Mazar (Bronzezeit).[4]

Christoph Baumers Expedition im einstigen Delta des Flusses Keriya, 2009

Andere Erforschungen

Weitere Expeditionen führten Baumer 1996 nach Südtibet, wo er im ehemaligen Kloster Serkar Guthok vergessene Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert wiederentdeckte; und 1997 erneut nach Südtibet, wo er im Kloster Pa-Lha-Puk die ältesten erhaltenen Wandmalereien der Bön-Religion aus dem frühen 15. Jahrhundert entdeckte.

In den Jahren 2000 bis 2005 erforschte und dokumentierte er die meisten relevanten Kulturdenkmäler der Assyrischen Kirche des Ostens, von der südöstlichen Türkei bis zur Mongolei, China und Südindien.

In den Jahren 1993, 2006 und 2007 besuchte und dokumentierte er alle buddhistischen Klöster des Berges Wutai Shan im Nordwesten Chinas.

Von 2013 bis 2019 erforschte er auf sechs Reisen die Kaukasusregion im Hinblick auf eine kommende Publikation zur Geschichte des Kaukasus.

Literatur

  • History of the Caucasus (Volume two): In the Shadow of Great Powers. I.B. Tauris/Bloomsbury, London 2023, ISBN 978-0-7556-3628-0, 978-0-75563-630-3 (PDF), 978-0-75563-629-7 (E-Book)
  • History of the Caucasus (Volume One): At the Crossroads of Empires. I.B. Tauris/Bloomsbury, London 2021, ISBN 978-1-78831-007-9
  • The History of Central Asia (Volume Four): The Age of Decline and Revival. I.B. Tauris, London 2018, ISBN 978-1-78831-049-9
  • The History of Central Asia (Volume Three): The Age of Islam and the Mongols. I.B. Tauris, London 2016, ISBN 978-1-78453-490-5
  • The History of central Asia (Volume Two): The Age of the Silk Roads. I.B. Tauris, London 2014, ISBN 978-1-78076-832-8
  • The History of Central Asia (Volume One): The Age of the Steppe Warriors. I.B. Tauris, London 2012, ISBN 978-1-78076-060-5
  • Durch die Wüste Taklamakan. Auf den Spuren von Sven Hedin und Sir Aurel Stein. Co-Autoren Therese Weber, Aurel Schmidt. Nünnerich-Asmus Verlag, Mainz 2013, ISBN 978-3-943904-09-3
  • Wutai Shan. Mittelpunkt des chinesischen Buddhismus. Detjen Verlag, Hamburg 2008.
  • Zeitreisen zu verborgenen Kulturen. Entdeckungen in Innerasien. Akad. Druck- & Verlagsanstalt Graz, Graz 2008, ISBN 978-3-201-01903-3
  • Frühes Christentum zwischen Euphrat und Jangtse. Urachhaus Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-8251-7450-6
  • Ost-Tibet. Brücke zwischen Tibet und China. Co-Autorin Therese Weber. Akademische Druck und Verlagsanstalt Graz, Graz 2002, ISBN 3-201-01788-4
  • Die Südliche Seidenstraße. Inseln im Sandmeer. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2845-1
  • Der Bön. Die lebendige Ur-Religion Tibets. Akad. Druck- & Verlagsanstalt Graz, Graz 1999, ISBN 3-201-01723-X
  • Geisterstädte der Südlichen Seidenstraße. Belser Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-7630-2334-8
  • Als Mitherausgeber mit Mirko Novák: Urban Cultures of Central Asia from the Bronze Age to the Karakhanids. Harrassowitz, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-447-11169-0
  • Als Mitherausgeber mit Mirko Novák und Susanne Rutishauser: Cultures in Contact Central Asia as Focus of Trade, Cultural Exchange and Knowledge Transmission. Harrassowitz, Wiesbaden 2022, ISBN 978-3-447-11880-4

Einzelnachweise

  1. Gesellschaft zur Erforschung EurAsiens
  2. Anupa Pande: The art of Central Asia and the Indian subcontinent in cross-cultural perspective. Aryan Books International in association with National Museum Institute of History of Art, New Delhi 2009, S. 179
  3. Christoph Baumer: The History of Central Asia, Bd. II. The Age of the Silk Roads. I.B. Tauris, London, 2014, S. 136
  4. Christoph Baumer: The Ayala Mazar – Xiaohe Culture. New archaeological discoveries in the Taklamakan Desert, China. Journal of the Royal Society for Asian Affairs, London, 1/2011. The History of Central Asia, Bd. I. The Age of the Steppe Warriors. I.B. Tauris, London, 2012, S. 129–132