Chlorpikrin

Strukturformel
Strukturformel von Chlorpikrin
Allgemeines
Name Chlorpikrin
Andere Namen
  • Trichlornitromethan
  • Nitrochloroform
  • Klop
Summenformel Cl3CNO2
Kurzbeschreibung

farblose, flüchtige Flüssigkeit[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 76-06-2
EG-Nummer 200-930-9
ECHA-InfoCard 100.000.847
PubChem 6423
ChemSpider 13861343
Wikidata Q423065
Eigenschaften
Molare Masse 164,38 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,64 g·cm−3 (20 °C)[1]

Schmelzpunkt

−64 °C[1]

Siedepunkt

111,9 °C[1]

Dampfdruck
  • 32 hPa (25 °C)[1]
  • 44 hPa (30 °C)[1]
  • 115 hPa (50 °C)[1]
Löslichkeit

schlecht in Wasser (2,27 g·l−1)[1]

Brechungsindex

1,4611 (20 °C)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 302​‐​330​‐​315​‐​319​‐​335
P: 260​‐​284​‐​305+351+338​‐​310[1]
MAK
  • DFG: 0,1 ml·m−3 bzw. 0,68 mg·m−3[1]
  • Schweiz: 0,1 ml·m−3 bzw. 0,7 mg·m−3[4]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Chlorpikrin, oder nach IUPAC: Trichlornitromethan, ist ein chemischer Kampfstoff aus der Gruppe der Lungenkampfstoffe. Er wurde im Ersten Weltkrieg u. a. unter der Bezeichnung Grünkreuz-1 eingesetzt. Der Trivialname von Chlorpikrin ist im Französischen auch Aquinite und im Britischen PS.

Geschichte

Chlorpikrin wurde 1848 durch den britischen Chemiker John Stenhouse bei der Umsetzung von Chlorkalk mit Pikrinsäure entdeckt.[5][6][7]

Chlorpikrin wurde im Gaskrieg während des Ersten Weltkrieges unter anderem als Kampfstoff Grünkreuz-1 in verschiedenen deutschen Kanonen, Haubitzen und Mörsern eingesetzt und kam Mitte 1916 zum ersten Mal zum Einsatz. Ursprünglich eingeführt wurde dieser Kampfstoff von der russischen Armee, doch die deutsche zog bald nach.

Nach Angaben der US-amerikanischen Regierung setzten russische Streitkräfte den Kampfstoff im Russisch-Ukrainischen-Krieg ein.[8][9] Die russische Regierung wies den Vorwurf von sich.[10] Während der Kursk-Offensive 2024 erhob die Ukraine den gleichen Vorwurf.[11]

Eigenschaften

Chlorpikrin ist eine farblose, leicht ölige und flüchtige Flüssigkeit von durchdringendem Geruch und hohem Dampfdruck. Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 4,35889, B = 1506,333 und C = −39.369 im Temperaturbereich von 247,7 bis 385,1 K.[12] Die Verbindung ist wenig wasserlöslich. Chlorpikrin kann beim Destillieren explodieren.[13]

Herstellung

Chlorpikrin ist durch Reaktion von Nitromethan mit Natriumhypochlorit zugänglich.[14][15]

Zivile Verwendung und Rechtseigenschaften

Chlorpikrin wird zur Desinfektion verwendet und in der Agrarwirtschaft als Pestizid um Böden und Samen zu sterilisieren.

Die Verwendung unterliegt diversen regulatorischen Beschränkungen. So ist beispielsweise die Verwendung in kosmetischen Mitteln durch Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 gänzlich verboten und die Rückstandshöchstgehalte in Lebens- und Futtermitteln sind durch Verordnung (EG) Nr. 396/2005 zur Sicherstellung eines hohen Verbraucherschutzes festgelegt. Im Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen (CWÜAG) werden Beschränkungen bei der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Chlorpikrin getroffen.

Biologische Bedeutung

Chlorpikrin ruft beim Menschen Hautblasen hervor und führt zu Augenreizungen sowie Atembeschwerden, die wiederum, je nach aufgenommener Menge, zum Ersticken führen. Spezifisch für eine Lungenkampfstoffvergiftung ist die Ausbildung eines toxischen Lungenödems, das von Atemnot, grobblasigen Atemgeräuschen und schaumig-rotem Auswurf begleitet wird. Der Leidtragende ist ängstlich, hat Brustschmerzen und zeigt Anzeichen eines drohenden Schocks. Da die Symptome über Stunden verzögert auftreten können, muss die mögliche Aufnahmezeit beachtet werden. Die Vergiftungen können zu schweren Erkrankungen und zum Tod durch Ersticken führen. Schon 0,12 g pro m³ Luft sind lebensgefährlich.[13]

Wie bei allen Lungenkampfstoffen bietet eine Filtermaske für begrenzte Zeit ausreichenden Schutz. Zur Dekontamination haben sich alkoholische Natriumsulfidlösungen bewährt. Es entstehen dabei Kohlen- und Stickstoffoxide sowie einige ungefährliche Schwefelverbindungen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k Eintrag zu Chlorpikrin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 30. Oktober 2022. (JavaScript erforderlich)
  2. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-494.
  3. Eintrag zu Trichloronitromethane im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 76-06-2 bzw. Chlorpikrin), abgerufen am 2. November 2015.
  5. John Stenhouse: Ueber Chloropikrin. In: Journal für Praktische Chemie, Band 45, 1848, S. 56–61.
  6. John Stenhouse: Chlorpicrin. In: Annalen der Chemie und Pharmacie, Band 66, 1848, S. 241–247.
  7. A. W. Hofmann: Ueber Synthesen des Guanidins. In: Annalen der Chemie und Pharmacie, Band 139, 1866, S. 107-115, hier S. 111.
  8. Imposing New Measures on Russia for its Full-Scale War and Use of Chemical Weapons Against Ukraine. In: state.gov. Außenministerium der Vereinigten Staaten, 1. Mai 2024, abgerufen am 2. Mai 2024 (englisch).
  9. USA werfen Russland Chemiewaffen-Einsatz in der Ukraine vor. In: br.de. 1. Mai 2024, abgerufen am 2. Mai 2024.
  10. Ukraine-Krieg - Russland weist US-Vorwurf bezüglich Einsatz von Chemiewaffen zurück. In: deutschlandfunk.de. 2. Mai 2024, abgerufen am 2. Mai 2024.
  11. Fabian Hartmann: Putin nutzt wohl chemische Waffen im Ukraine-Krieg: Bericht dokumentiert Tausende Fälle. In: Münchner Merkur, 4. September 2024. Abgerufen am 22. Oktober 2024.
  12. Stull, D.R.: Vapor Pressure of Pure Substances Organic Compounds in Ind. Eng. Chem. 39 (1947) 517–540.
  13. a b Eintrag zu Chlorpikrin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 7. Februar 2019.
  14. Sheldon B. Markofsky: Nitro Compounds, Aliphatic. In: Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry. Wiley-VCH, Weinheim 2005.
  15. R. Preibisch: Ueber Nitrocarbol. In: Journal für Praktische Chemie. 116, S. 309–327 (1873).