Chinesische RitualbronzenBronzegegenstände (chinesisch 青銅器, Pinyin qīng tóng qì) gehören zu den bedeutendsten Gegenständen der chinesischen Kunst. Die Anfänge der chinesischen Bronzekunst liegen in der Xia-Dynastie (ca. 2070 – ca. 1600 v. Chr.), sie erreichte einen Höhepunkt in der Shang- (1600–1046 v. Chr.) und frühen Zhou-Dynastie (1045–256 v. Chr.). Aus Bronze wurden Schmuck, Waffen und Ritualobjekte gefertigt. Letztere vermittelten politische Legitimität und Herrschaft und stehen für kulturelle Identität, gesellschaftlichen Status und guten Geschmack. Auch im heutigen China symbolisieren die teils über 3000 Jahre alten Bronzen gesellschaftliche Kontinuität und politische Macht.[1] Verwendung und BedeutungSeit etwa 1650 v. Chr. finden sich aufwändig verzierte Bronzegegenstände als Grabbeigaben der höheren Gesellschaftsschichten. Sie wurden offenbar in großer Zahl hergestellt und bei rituellen Handlungen verwendet, um Speise- oder Trankopfer darzubringen. Meist fanden solche Opferhandlungen in Familientempeln oder über Gräbern errichteten Zeremonialhallen statt. Details dieser Zeremonien sind in der frühen Literatur überliefert. In den Gräbern wurden sowohl Gegenstände aus dem Besitz des Toten deponiert, als auch eigens als Grabbeigaben angefertigte Gefäße. Diese sind daran zu erkennen, dass sie den postumen Namen der Besitzer tragen. Rituelle Gefäße stellen größere und aufwändiger verzierte Varianten des gewöhnlichen Speisegeschirrs dar. Es finden sich Gegenstände wie Gefäße, Waffen oder Schmuckobjekte des jeweils gleichen gestalterischen Typs aus unterschiedlichen Materialien, beispielsweise Ton oder Jade.[2] Bei einem Herrschaftswechsel zeigte sich das Verhältnis der neuen Dynastie zur vorausgegangenen auch im Umgang mit deren Erbe: Die Kaiser Sui Wendi (reg. 581–604) und der Jin-Kaiser Wányán Liàng ließen alle Ritualobjekte der vorausgegangenen Dynastien zerstören.[3] Dagegen ließ der Song-Kaiser Huizong (1085–1135) die kaiserliche Sammlung im 宣和博古圖錄, Xuānhé bógǔ túlù – „[Illustrierten] Katalog zur Geschichte der Xuānhé-Regierungsperiode [der Song]“ darstellen. Nach dem Sieg der Mandschu über die Ming-Dynastie lagerten zahllose Ritualgegenstände im Kaiserlichen Hofamt (內務府, Nèiwù fǔ) sowie im 太常寺, Tài cháng sì – „Tàicháng-Tempel“, der Kaiserlichen Opferkammer in der Verbotenen Stadt. Kaiser Qianlong (1711–1799) wies diese an, die rituellen Objekte aus der Ming-Zeit zu inventarisieren, ließ fünf antike Jadegegenstände im Qiánqīng-Palast ausstellen und bemächtigte sich somit des kollektiven Gedächtnisses der Vergangenheit.[4] Im Jahr 1749 ordnete Kaiser Qianlong an, seine enorme Sammlung antiker Bronzen zu katalogisieren. Es entstanden schließlich drei Kataloge: das 40-bändige 西清古鑑, Xīqīng Gǔjiàn – „Antiker Spiegel der Westlichen Klarheit“ (1755), der 寧壽鑑古, Níng shòu Jiàn gǔ – „Spiegel der Vergangenheit im Ningshou-[Palast]“ (1779) und der Ergänzungsband 西清繼鑑, Xī qīng Jì jiàn (1793). Diese stellen ein bedeutendes Quellenwerk für die kunsthistorische Forschung dar.[5] Der vom vierten Qing-Kaiser Qianlong verwendete Begriff 鑑古, Jiàn gǔ – „Spiegel der Vergangenheit“ bedeutet im weiteren Sinne „von der Vergangenheit lernen“. Dies erlaubt Rückschlüsse auf das Motiv des Kaisers, so viele Bronzeobjekte zu sammeln wie möglich. Er verwendete in seinem Erlass zur Erstellung der Kataloge für die Bronzeobjekte einen Ausdruck aus den Texten der Staatsriten: 法物, Fǎ wù – „Modellobjekt, Ritualobjekt“. Im ursprünglichen Kontext der Staatsriten hatte Fǎwù einen Beiklang von dynastischer Legitimation und kaiserlicher Majestät.[6] Material und HerstellungRohmaterialIn China finden sich reiche natürliche Erzvorkommen im mittleren Becken des Gelben Flusses, in den Provinzen Henan und Shaanxi.[7] Dort fanden sich Kupfer- und Zinnvorkommen, die mit den technischen Mitteln der Bronzezeit auszubeuten waren, nahe den Orten der Erlitou-Kultur, und nur etwa 250 km von der zukünftigen Hauptstadt der Shang, Anyang entfernt waren. Zusätzlich begünstigte die Lage der Orte die Entwicklung sowohl des Formgussverfahrens als auch der Modelle: Das Becken des Gelben Flusses stellt eines der größten Lössvorkommen der Erde dar. Die reichen Tonablagerungen begünstigten die Entwicklung der chinesischen Keramik, die schon Jahrhunderte vorher im Gebiet von Lanzhou über Gansu bis Xi’an und Shaanxi nachweisbar ist. Somit standen nicht nur die Materialien für die Gussformen zur Verfügung, auch die Gestaltung der Gefäße wurde in das neue Material Bronze übertragen.[8][9] MetallverarbeitungDie ältesten Metallgegenstände in China wurden in den Provinzen Gansu und Qinghai nachgewiesen.[10] Es fanden sich Äxte, Messer, Dolche, Lanzenspitzen sowie die ersten Spiegel aus Bronze und Schmuckgegenstände aus verschiedenen Metallen wie Kupfer und Gold. Zwischen 2200 und 1600 BC vollzog sich in der Kultur der Xia-Dynastie der Übergang vom Neolithikum zur Bronzezeit. Die frühesten Produkte der Metallverarbeitung besitzen teilweise noch experimentellen Charakter und bestehen zunächst aus gehämmertem oder gegossenem Kupfer.[11] Reines Kupfer ist wegen seines hohen Schmelzpunkts schwierig zu gießen und absorbiert in geschmolzenem Zustand Gas, vor allem Sauerstoff. Nach dem Abkühlen bilden sich im Metall Gasbläschen, die das Objekt brüchig machen. Die Zugabe von Zinn senkt nicht nur den Schmelzpunkt, sondern verhindert auch die Bläschenbildung, macht das Objekt also widerstandsfähiger, und verändert seine Farbe von rotgelb nach silbergrau. Durch die Beimengung von Blei bis zu einem Anteil von 3 % ändert sich die Farbe nicht. Es senkt den Schmelzpunkt, steigert die Fließfähigkeit und erleichtert den Guss sowie das Gravieren und Polieren, erschwert aber das Hämmern.[12] Die Legierungen chinesischer Bronzen bestanden aus 60–70 % Kupfer und mindestens 25 % Zinn.[13][14] Technik des BronzegussesAus der Xia-Kultur stammen die ersten Hinweise auf die Verwendung von Gussformen. Dabei verwendeten die antiken chinesischen Handwerker nicht das in anderen bronzezeitlichen Kulturen übliche Wachsausschmelzverfahren, sondern zu Beginn zweiteilige, halbkugelige Formen zur Anfertigung von Waffen und Werkzeugen. Mehrteilige Gussformen erlaubten später, kompliziertere Objekte wie die Ritualbronzen zu gießen. Dazu wurde zuerst ein Tonmodell des zu gießenden Stücks geschaffen, um das die Tonform anmodelliert wurde, gegebenenfalls nach Auftragen eines Trennmittels. Diese wurde noch feucht auf dem Modell in meist 3 bis 4 für den Guss geeignete Teile zerschnitten und vom Modellkern abgenommen. In den feuchten Ton konnten Ornamente geschnitten oder gestempelt werden, die sich später auf der Oberfläche des Gussstücks abzeichnen sollten. Schließlich wurden die Formteile gebrannt und zum Guss wieder zusammengefügt. Wenn ein Hohlkörper gegossen werden sollte, musste ein Lehmkern hergestellt werden, um die Hohlform im Guss zu bewahren. Der Abstand zwischen Kern und Form legte die Dicke des Gefäßes fest.[15] Im Tal des Gelben Flusses entwickelte sich die Kunst des Bronzegusses in den Kulturen von Erlitou und Erligang weiter. DekorKategorisierung der ObjekteHistorische QuellenDie Bezeichnung und Kategorisierung antiker chinesischer Bronzen ist schwierig, ebenso ihre Datierung: Die ersten schriftlichen Überlieferungen entstanden teilweise erst Jahrhunderte nach der Herstellung der Bronzeobjekte: Um 121 verfasste 許慎, Xǔ shèn das 說文解字, Shuōwén jiězì – „Wörterbuch“, im 11. Jahrhundert Lǚ Dàlín (呂大臨) (1044–1091) das 考古圖, Kǎogǔ tú – „Archäologischer Atlas“. Hier sind wenige hundert Bronze- und Jadegefäße beschrieben und nach Alter und Herkunft beschrieben. Aus dieser Zeit stammt auch der 宣和博古圖錄, Xuānhé bógǔ túlù – „[Illustrierte] Katalog zur Geschichte der Xuānhé-Regierungsperiode [der Song]“, welcher 836 Objekte in 20 Kategorien verzeichnet.[16] Unter Kaiser Qianlong wurden die Bronzegegenstände der kaiserlichen Sammlung in drei Katalogen, 西清古鑑, Xīqīng Gǔjiàn (1755), 寧壽鑑古, Níng shòu Jiàn gǔ (1779) und dem Ergänzungsband 西清繼鑑, Xīqīng Jìjiàn (1793) aufgezeichnet. Ein Druck des Xiqing Gujian wurde in die Büchersammlung Siku Quanshu aufgenommen, die beiden anderen Kataloge liegen nur als Manuskript vor. Zusammen enthalten sie 4115 Einträge, jeder mit einer Abbildung im Holzschnitt, der Angabe von Größe und Gewicht und weiteren Informationen. Dabei wurden die Gegenstände zunächst nach ihrem Typ kategorisiert und dann entsprechend ihrer Entstehungszeit eingeordnet: Objekte
Opfergefäße
Weingefäße
Gefäße für Lebensmittel
Wasserbehälter
Musikinstrumente
Waffen
Hohlmaße
MünzenBronzemünzen aus der kaiserlichen Sammlung wurden in einem Anhang zum Xiqing Gujian katalogisiert, dem Qián lù (錢錄), der 567 Bronzemünzen enthält. Die Arbeiten an beiden Katalogen waren im Sommer 1751 abgeschlossen. Münzen stellen im eigentlichen Sinn keine Ritualobjekte dar. Der Katalog verzeichnet Münzen, welche – teils willkürlich zugeordnet – die gesamte Zeitspanne der chinesischen Geschichte vom mythischen Urkaiser Shennong bis in Qianlongs eigene Zeit umfassen. Mit Hilfe dieser Darstellung bekräftigte der regierende Kaiser seinen Herrschaftsanspruch über die Zeit.[17]
Andere Gegenstände
Siehe auchWeblinksCommons: Chinesische Ritualbronzen – Sammlung von Bildern
Einzelnachweise
|