Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in DeutschlandDie Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland setzt sich für Menschen ein, die aufgrund einer fortschreitenden, lebensbegrenzenden Erkrankung mit Sterben und Tod konfrontiert sind. Darüber hinaus ist es ein Anliegen der Charta, Sterben, Tod und Trauer im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern und allen Menschen in Deutschland ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend einen gerechten Zugang zu einer würdevollen Begleitung und Versorgung am Lebensende zu ermöglichen. Die fünf Leitsätze der Charta formulieren Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe, um die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland zu verbessern. Im Mittelpunkt steht dabei immer der betroffene Mensch.[1][2][3] Träger der Charta sind die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) und die Bundesärztekammer (BÄK). EntwicklungEntstanden ist die Charta für die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland vor dem Hintergrund einer internationalen Initiative, die als Budapest Commitments auf dem 10. Kongress der European Association for Palliative Care (EAPC) 2007 vereinbart wurde.[4] Mit dem Ziel, die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen zu verbessern, sollten fünf Bereiche fokussiert und in ihrer Entwicklung gefördert werden: Aus-, Fort- und Weiterbildung, Forschung, Politik, Qualitätsmanagement, allgemeine Zugänglichkeit der Versorgung mit Arzneimitteln. Mit Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Israel, Italien, Litauen, Kroatien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Rumänien, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechien und Ungarn nahmen 18 Länder diese Gedanken auf. In Deutschland übernahmen die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) und die Bundesärztekammer (BÄK) die Trägerschaft für den nationalen Charta-Prozess.[5] Im September 2008 (Charta-Phase I) begann die Entwicklung der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland als ein breit angelegter Konsensus-Prozess. Im August 2010 wurde die Charta im Konsens von über fünfzig gesundheits- und gesellschaftspolitisch aktiven Institutionen verabschiedet und der Öffentlichkeit vorgestellt. In fünf Leitsätzen und auf rund 25 Seiten wird der Ist-Zustand in der Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen dargestellt – verbunden mit Handlungsoptionen und einer Selbstverpflichtung für die Zukunft.[6] In der sich anschließenden Charta-Phase II (2011–2013) ging es darum, sie in der Öffentlichkeit zu verbreiten, ihre Umsetzung in Form von Charta-Projekten voranzubringen und sie in einem nächsten Schritt in eine Nationale Strategie zu überführen.[7][8] Im Rahmen einer Nationalen Strategie (Charta-Phase III, 2013–2016) war es das Ziel, die in der Charta formulierten Leitsätze so umzusetzen, dass jeder Betroffene unabhängig von der zugrundeliegende Erkrankung, der persönlichen Lebenssituation oder des Versorgungsortes eine qualitative hochwertige palliative und hospizliche Behandlung und Begleitung erhält.[9][10][11] Mittels einer Nationalen Strategie sollen die in der Charta formulierten Ziele unter Einbindung der Politik auf allen Ebenen – der Bundesebene, der Länderebene und der kommunalen Ebene – systematisch umgesetzt werden. In einer übergeordneten Zielvorstellung geht es darum, mittels der Nationalen Strategie eine öffentliche sichtbare Verantwortung der Gesellschaft, der Politik und aller Beteiligten im Gesundheitssystem für die letzte Lebensphase und das Sterben zu entwickeln. In Ergänzung hierzu hat das Bundesministerium für Gesundheit im Juli 2013 das Forum „Palliativ- und Hospizversorgung in Deutschland“ eingerichtet.[12][13] Im Oktober 2016 wurden die Handlungsempfehlungen im Rahmen einer Nationalen Strategie der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese wurden vom Runden Tisch mit seinen 50 gesundheitspolitisch relevanten Institutionen und Organisationen in einem Konsensprozess erarbeitet. Die Handlungsempfehlungen im Rahmen einer Nationalen Strategie haben ein bedeutendes Potential zur weiteren Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland. Die Handlungsempfehlungen basieren auf dem Anspruch auf bestmögliche Lebensqualität und dem damit verbundenen besonderen Bedarf an Versorgung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen und der ihnen Nahestehenden. Sie berücksichtigen zugleich die besonderen Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft für die individuelle Unterstützung und das Miteinander in der Begegnung mit den Phänomenen Sterben, Tod und Trauer stellen muss. Die Empfehlungen zu den Handlungsfeldern der fünf Leitsätze beruhen auf drei grundsätzlichen Zielen, deren Umsetzung in einer Nationalen Strategie angestrebt wird:
Die Vorstellung der konsentierten Handlungsempfehlungen schließt nunmehr die Entwicklung der Nationalen Strategie ab. FördererVon Anfang an wurde die Durchführung des Charta-Prozesses von der Robert Bosch Stiftung ermöglicht und darüber hinaus von der Deutschen Krebshilfe und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt.[14] Fünf LeitsätzeMit den fünf Leitsätzen der Charta wird das Ziel verfolgt, allen Menschen, die einer hospizlich-palliativen Betreuung bedürfen, hierzu einen Zugang zu ermöglichen. Es werden Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe in Deutschland formuliert. Im Mittelpunkt stehen die betroffenen Menschen mit ihren Bedürfnissen. Die fünf Leitsätze spiegeln die gesellschaftlichen Herausforderungen, die Anforderungen an die Versorgungsstrukturen, Aus-, Weiter- und Fortbildung, Entwicklungsperspektiven und Forschung sowie die internationale Dimension wider.[15] Der vollständige Inhalt der Leitsätze findet sich in den entsprechenden Verlinkungen.
Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen Bedingungen. Er muss darauf vertrauen können, dass er in seiner letzten Lebensphase mit seinen Vorstellungen, Wünschen und Werten respektiert wird und dass Entscheidungen unter Achtung seines Willens getroffen werden. Familiäre und professionelle Hilfe sowie die ehrenamtliche Tätigkeit unterstützen dieses Anliegen.[16]
Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die seiner individuellen Lebenssituation und seinem hospizlich-palliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt. Die Angehörigen und die ihm Nahestehenden sind einzubeziehen und zu unterstützen. Die Betreuung erfolgt durch haupt- und ehrenamtlich Tätige so weit wie möglich in dem vertrauten bzw. selbst gewählten Umfeld. Dazu müssen alle an der Versorgung Beteiligten eng zusammenarbeiten.[17]
Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine angemessene, qualifizierte und bei Bedarf multiprofessionelle Behandlung und Begleitung.[18]
Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht darauf, nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse behandelt und betreut zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden kontinuierlich neue Erkenntnisse zur Palliativversorgung aus Forschung und Praxis gewonnen, transparent gemacht und im Versorgungsalltag umgesetzt.[19]
Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht darauf, dass etablierte und anerkannte internationale Empfehlungen und Standards zur Palliativversorgung zu seinem Wohl angemessen berücksichtigt werden. In diesem Kontext ist eine nationale Rahmenpolitik anzustreben, die von allen Verantwortlichen gemeinsam formuliert und umgesetzt wird.[20] OrganisationDie Organisation erfolgte auf der Basis der folgenden Organisationsinstanzen:
Runder TischDer Runde Tisch, das wesentliche Konsensus- und Entscheidungsgremium, wird durch die Steuerungsgruppe der drei Trägerorganisationen geführt. In regelmäßigen Abständen wird am Runden Tisch über die Fortschritte der einzelnen Arbeitsgruppen informiert und über deren vorgelegte Umsetzungspläne und Politikvorlagen entschieden. Im Speziellen sind die folgenden Organisationen und Institutionen beteiligt:[22]
ArbeitsgruppenDie Experten der Arbeitsgruppen wurden von den Mitgliedern der Organisationen/Gremien des Charta-Prozesses (Runder Tisch, BMG-Forum und Steuerungsgruppe) benannt. Die Arbeitsgruppen setzten sich im Hinblick auf die Sensibilität und spätere Umsetzbarkeit der Themenschwerpunkte vielfältig zusammen:
VerpflichtungDie Charta ist nicht nur ein Projekt von Institutionen und Organisationen: Jeder kann sich für die Anliegen der Charta einsetzen. Die Charta kann zum Anlass genommen werden, im persönlichen und beruflichen Umfeld über wesentliche Anliegen von schwerstkranken und sterbenden Menschen in Deutschland zu sprechen und Veränderungen anzuregen.[25] Die Unterzeichner bekunden mit der Unterschrift, sich für die Verbesserung der Situation schwerstkranker und sterbender Menschen, ihrer Familien und der ihnen Nahestehenden einzusetzen und auf dieser Grundlage für die Einlösung ihrer Rechte einzutreten. Darüber hinaus erklären die Unterzeichner, dass sie Ziele und Inhalte der Charta für die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland mittragen.[26] Literatur
Einzelnachweise
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