Als Burggraf von Rietenburg (auch Burggraf von Riedenburg) wird ein Minnesänger aus der Familie der Babonen bezeichnet, dessen überlieferte sieben Strophen im Codex Manesse und in der Weingartner Liederhandschrift vorhanden sind. Diese tradierte Bezeichnung als Burggraf von Rietenburg führt allerdings in die Irre, da Riedenburg keine Burggrafschaft, sondern nur eine Grafschaft war. Das kommt auch in der Darstellung des Minnesängers in der Weingartner Liederhandschrift zum Ausdruck, denn hier trägt er eine fünfzackige Grafenkrone, während der Burggraf von Regensburg im Codex Manesse mit einem Fürstenhut dargestellt wird. Zudem waren viele Mitglieder der Babonen auch Grafen von Riedenburg.[2]
Bisweilen wurde angenommen, dass es sich bei dem Burggraf von Regensburg und dem Burggraf von Riedenburg um dieselbe Person handelte. Die Babonen hatten nämlich u. a. das Burggrafenamt in Regensburg und das Grafenamt in Riedenburg inne und nannten sich wechselweise einmal nach der einen oder der anderen Funktion. Die Gleichsetzung der beiden Dichter ist teilweise schon im Mittelalter nachweisbar, so sind im Budapester Fragment[3] die sieben Strophen des Rietenburgers unter der Autorennennung Der Burggrave von Regenspurch überliefert.[4] Nur im Codex Manesse (Hs. C) sind die Textcorpora getrennt.[5] Nach stilkundlichen Untersuchungen bestehen zwischen ihren Werken aber beträchtliche Unterschiede, wobei die Werke des Burggrafen von Regensburg als altertümlicher angesehen und der Zeit um 1170 zugeordnet werden. Als der Burggraf von Riedenburg wird entweder Heinrich IV. oder sein Bruder Otto IV. († nach 1185) eventuell auch Friedrich I. († 1181) angesehen.
Zwischen den Babonen und den Babenbergern bestanden verwandtschaftliche Beziehungen, und so ist es nicht verwunderlich, dass Mitglieder der Babonen oft am Wiener Hof anzutreffen waren, wo sich der donauländische Minnesang besonders entfaltet hat.
Adolf von Oechelhäuser: Die Miniaturen der Universitäts-Bibliothek zu Heidelberg. 2. Theil. Gustav Koester, Heidelberg 1895, S.180–181 (Textarchiv – Internet Archive).
Konrad Zoller: Der Burggraf und Minnesänger von Regensburg und Riedenburg. Der „burcgrave von Regensburc und der von Rietenburg.“ Zwei Minnesänger aus dem gräflich Rietenburg’schen Geschlechte. In: Josef Lehner-Burgstall (Hrsg.): Burgen und Schlösser im unteren Altmühlgebiet. A. Kettner, Riedenburg 1920, OCLC162444978.
Friedrich Hermann Traugott Vogt, Karl Lachmann: Des Minnesangs Frühling mit Bezeichnung der Abweichungen von Lachmann und Haupt. S. Hirzel, Leipzig 1920, Abschnitt V. Der Burcgrave von Rietenburc, S.13–15 und S. 282–284 (Textarchiv – Internet Archive).
Andreas Hensel: Vom frühen Minnesang zur Lyrik der Hohen Minne. Studien zum Liebesbegriff und zur literarischen Konzeption der Autoren Kürenberger, Dietmar von Aist, Meinloh von Sevelingen, Burggraf von Rietenburg, Friedrich von Hausen und Rudolf von Fenis. Lang, Frankfurt am Main 1997, ISBN 978-3-631-31138-7, S.147ff.
Thomas Neukirchen: "Sît sich hât verwandelt diu zît." Alter Sang und neuer Sang beim Burggrafen von Rietenburg in der Redaktion der Handschrift C (MF 19,7–19,27). In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 51 (2001), ISSN0016-8904, S. 285–302.
Sandra Linden: Burggraf von Regensburg, Burggraf von Rietenburg, zweite Hälfte des 12. Jh. – Minnesänger. In: Walther Killy, Achim Aurnhammer, Wilhelm Kühlmann (Hrsg.): Killy LiteraturLexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. 2. vollständig überarbeitete Auflage. Band9: Os–Roq. Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2010, ISBN 978-3-11-022045-2, S.474–475 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Hugo Moser, Helmut Tervooren (Hrsg.): Des Minnesangs Frühling. Bd. I: Texte. 38., erneut revidierte Auflage. Hirzel, Stuttgart 1988, ISBN 3-7776-0448-8, S. 460–468.