BranleDer Branle ([ˈbrɑ̃ːlə]) ist ein altfranzösischer Gruppentanz, bei dem eine Reihe von Tänzern eine (oft kreisförmige) Kette bildet und die Füße seitwärts setzt.[1][2][3] Der Begriff des Branle und seine GeschichteDie Bezeichnung Branle leitet sich von dem altfranzösischen Wort branler her, mit der Bedeutung „wiegen“, „schwanken“ oder „schaukeln“; im Englischen wir hierfür das Wort brawl verwendet (in England bekannt seit Heinrich VIII), im heutigen Französisch bransle, im Italienischen brando und im Spanischen bran. Dieser Terminus erscheint erstmalig in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Quellen, die ein bestimmtes Bewegungsmotiv beschreiben; seit dem Jahr 1529, erstmalig bei dem französischen Dichter und Juristen Antonius de Arena (1500–1563), auch als Gattungsbegriff für eine bestimmte Choreographie von Tänzen. Bei diesen ist der Ablauf in den meisten Fällen durch die Aufstellung der Tänzer in einer offenen oder zum Kreis geschlossenen Kette geprägt (Reigen oder Kettentanz). In England überschneidet sich der Branle ab dem 16. Jahrhundert teilweise mit dem Begriff round und in Frankreich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem Begriff farandole. Spätere Überlieferungen von Volkstänzen mit den choreographischen Strukturen des Branle der Renaissancezeit sind neuere Traditionen und tragen zahlreiche andere Namen. Der Branle als BewegungsmotivAls Name für eine Tanzbewegung erscheint der Branle in französisch-burgundischen Traktaten über Tanzformen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, welche die Theorie und Praxis des Bassedanse zum Thema haben. Zusammen mit Simple, Double, Reprise (Desmarche) und Reverenz gehört die Branle-Bewegung zu den fünf Grundschritten, aus denen sich eine damalige Bassedanse nach den Regeln der so genannten mesure-Lehre zusammensetzt. Bei dem Tanzablauf einer solchen Bassedanse kommt der Branle dann jeweils am Schluss einer Mesure (eines Abschnitts). Die Beschreibung der einzelnen Schritte geht nicht sehr ins Einzelne; Margarete von Österreich schreibt hierzu in ihrem bekannten Tanzbuch beispielsweise: Le branle se doibt commencher du pie senestre et se doibt finer du pie dextre et sapelle branle pour se que on le fait en branle dun pie sur lautre (»Der Branle muss mit dem linken Fuß beginnen und endet mit dem rechten Fuß; er nennt sich Branle, weil man ihn von einem Fuß zum nächsten tanzend vollbringt«). Die zeitliche Länge eines Branle-Schritts entspricht dabei jeweils einer Note des Bassedance-Tenors. Der anführende Tänzer eines Branle war in der Regel eine hervorgehobene Person, also ein Geistlicher oder eine Staatsperson. Als Bewegungsmotiv wird der Begriff des Branle offenbar letztmals von Thoinot Arbeau im Jahr 1589 in seiner Veröffentlichung Orchésographie et traité en forme de dialogue verwendet. Hier erscheint die Abfolge der Schritte, die für eine Bassedanse notwendig ist, recht detailliert: Le branle est appellé par Arena Congedium, & croy qu’il le nome ainsi, pource qu’a veoir le geste du danceur, il sembleroit qu’il voulust finir & prendre congé, & neantmoints aprés le bránle, il continue ses marches & mouvements, comme ils font escrits ésdits memoires: Le dit branle se faict an quattre battements de tambourin qui accompaignement quatre mesures de la chanson iouée par la flutte, en tenant les pieds ioincts, remuant les corps doucement du costé gauché pour la premiere mesure, puis du costé droit, en regardant les assistants modestement pour la deuxieme mesure, puis encore du costé gauche pour la troisieme mesure: Et pour la quatrieme mesure du costé droit, en regardant la Demoiselle d’une oeillade destobée doulcement & discretement (»Der Branle wird von Arena Congedium und anderen so genannt; dieser nennt ihn so, weil die Geste des Tänzers so verläuft, als ob er den Tanz beenden würde, aber er setzt seine Bewegungen entsprechend dem Branle so fort, wie es die aus der Erinnerung aufgeschriebenen und herausgegebenen Texte vorgeben: Der Branle erfolgt mit vier Schlägen auf das Tambourin, welches vier Takte der Melodie begleitet, die mit der Flöte gespielt werden, wobei man die Füße entsprechend setzt und den Körper langsam im ersten Takt nach links bewegt, dann nach rechts, und dabei die Anwesenden maßvoll im zweiten Takt anschaut, dann das Gleiche nochmals im gleichen Takt, und dann nach links im dritten Takt; im vierten Takt bewegt man sich nach rechts, indem man die Tänzerin verstohlen, sacht und diskret anschaut«). Die Branle-Bewegung kommt vorwiegend in der Bassedance vor; diese ist freilich laut Arbeau seit 40 bis 50 Jahren ungebräuchlich: »les basse-dances sont hors d’usage depuis quarante ou cinquante ans«. In der Tanzform branle double kann sie aber auch einen Double-Schritt nach rechts ersetzen. Der Branle als TanzgattungFür die teilweise in der Literatur vertretene Ansicht, dass der Branle als Tanzform volkstümlicher Herkunft sei, gibt es keinen Beleg. Vielmehr könnte hier eine Weiterentwicklung von mittelalterlichen Kreis-Reigen vorliegen, wobei die Aufstellung der Tänzer im geschlossenen Kreis überwiegt. Dadurch wird auch der soziale Aspekt der tanzenden Gemeinschaft betont. Allerdings sind deswegen die Branles einfacher und volkstümlicher als beispielsweise die choreographisch orientierten Tänze der italienischen Tanzmeister aus dem 15. und 16. Jahrhundert, bei denen nur wenige, solistisch tanzende Paare auftreten und der dazu gehörige repräsentative Aspekt bei der Komposition berücksichtigt ist. Antonius de Arena beschreibt in seinem Traktat Ad suos compagnos studiantes aus dem Jahr 1529 zweierlei Arten von Branles, den branlus duplus und den branlus simplus, wobei hier die Bewegung vor- und rückwärts erfolgt, während diese bei Arbeau und neueren Überlieferungen überwiegend seitlich getanzt werden. Bei Arena werden darüber hinaus auch branlos decopatos erwähnt, die vermutlich den branles coupés bei Arbeau entsprechen. Aus der schon erwähnten Veröffentlichung Orchésographie von Arbeau stammen auch die wichtigsten Informationen über die choreographische und musikalische Struktur der Branles, wobei zu berücksichtigen ist, dass sie keinem höfischen Bereich entstammen, sondern aus dem bürgerlich-provinziellen Milieu der Kleinstadt Langres. Es werden hier 23 verschiedene Typen von Branles und die Gavotte beschrieben, die von ihm als Suite aus verschiedenen Branles dargestellt wird. Nach Arbeau setzt sich eine solche Branle-Suite in seiner Heimatstadt Langres jeweils aus zehn Branles zusammen. Die folgenden dreizehn Branles stammten überwiegend aus verschiedenen Regionen Frankreichs: Weil sich die Musik der Branles nach dem choreographischen Ablauf richtet und unregelmäßige Längen des Tanzablaufs sich in der Musik wiederfinden, empfiehlt Arbeau den Tänzern, die Melodien speziell der branles coupés auswendig zu lernen. In der Erörterung der Musik zu Bassedanse weist er auch auf die seit 1530 gedruckten Tanzmusik-Sammlungen von Pierre Attaingnant hin, die neben anderen Tänzen auch zahlreiche Branles enthalten. Außer von Attaingnant sind auch von N. Du Chemin vier- und fünfstimmige Branles herausgegeben worden. Darüber hinaus gibt es die folgenden wichtigen Sammlungen mit Branles: das Löwener Tanzbuch aus dem Jahr 1571, das Antwerpener Tanzbuch von Pierre Phalèse dem Älteren und dem Jüngeren (1583), das Buch Terpsichore Musarum von Michael Praetorius mit 70 Branles und Gavotten (Wolfenbüttel 1612) sowie von William Brade die gedruckte Ausgabe Newe ausserlesene liebliche Branden, Intraden, Mascheraden (Hamburg / Lübeck 1617). Außerdem haben Guillaume Dumanoir und die Brüder Brulart (Kasseler Handschrift 1664) dem Branle in der instrumentalen Suite einen bevorzugten Platz eingeräumt. Von den französischen Komponisten von Branles sind besonders Claude Gervaise, Jean d’Estrée und Estienne du Tertre bekannt geworden. [4] aus den Tanzbüchern von Pierre Attaingnant. – 'Branle gay', ein Branle „im lebhafteren Dreiertakt (für junge Eheleute)“,Bei den in den Quellen erwähnten, in Italien getanzten brandi ist die von Cesare Negri veröffentlichte Sammlung von brando-Choreographien Le gratie d’amore (Mailand 1602) zu erwähnen; hier zeigt nur der brando de cales für drei Damen und drei Herren Teile des Branle, nämlich das Durchfassen der Hände in Kreisaufstellung. Negri weist darauf hin, dass der brando gelegentlich auch als theatralischer Tanz vorkommt. Die letzte wesentliche Quelle aus Frankreich, die Apologie de la danse von François de Lauze aus dem Jahr 1623, beinhaltet auch Tanzbeschreibungen von Branles. Am französischen Hof wurde zu dieser Zeit eine Branle-Suite aus sechs Teilen getanzt: Um die Wende zum 20. Jahrhundert begannen einige Tanzlehrer im deutschsprachigen Raum (beispielsweise W. K. von Jolizza in Wien 1903) damit, einzelne Branles zu rekonstruieren, um so das bestehende Tanz-Repertoire zu erweitern; darüber hinaus erfolgte hier die Rezeption lange Zeit auf der Basis der manchmal etwas unzuverlässigen Übersetzung von Albert Czerwinski (1878). Erst in neuerer Zeit ist mit der Faksimile-Ausgabe von Arbeaus Werken und anderen Quellen der Tanzgeschichte ein sorgfältigeres Verständnis des Branle in Gang gekommen. Musikbeispiel 1, Branle de Bourgogne von Claude Gervaise: Musikbeispiel 2, Branle de Poitou von Claude Gervaise: Neuere Traditionen im VolkstanzBis heute sind im französischen Volkstanz unter dem Namen Branle Kreistänze überliefert, die in ihrer Struktur an die Beschreibungen von Arbeau erinnern. Neue Choreographien und Kompositionen gehen unter anderen auf Danyèle Besserer und Gilles Péquinot der elsässischen Gruppe Au Gré des Vents zurück. Weitere fachbezogene Studien aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben außerdem gezeigt, dass Arbeau speziell im branle double und dem branle simple Formen überliefert, die in strukturellen Varianten und verschiedenen Ausprägungen auch in Südost-Europa und Nordeuropa vorkommen und lediglich andere Namen tragen. In Katalonien wird er sardana, in Serbien und Kroatien kolo, in Rumänien hora, in Südfrankreich farandole und in Nordfrankreich außer branle auch ronde genannt. Zu den Formen, die dem branle simple ähnlich sind, wird meist gesungen, oft lange Balladen, in Skandinavien (speziell auf den Färöer-Inseln) erzählende Tanzlieder mit bis zu 300 Strophen. Viele Kettentanz-Formen im deutschen Sprachraum beschränken sich auf Kindertänze, während hiervon bei den Tänzen von Erwachsenen nur noch geringe Reste erhalten geblieben sind. Ausgaben (Auswahl)
Literatur (Auswahl)
WeblinksCommons: Branle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Quellen
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