Mit ihrem naturalistischen Interesse und der innovativen Lichtführung gilt die Pariser Gruppe von Buchmalern und der dem Namen Boucicaut-Meister als Wegbereiter so großer Künstler wie Jan van Eyck und Jean Fouquet. Der bedeutende Kunsthistoriker Erwin Panofsky hat 1953 sogar von einem künstlerischen „Genie“ gesprochen.[1]
Erst langsam hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich wirklich um eine Gruppe von Buchmalern handelte, die teilweise nur lose in Paris kooperierten und für verschiedene Auftraggeber arbeiteten.[2] Damit war die Stellung dieser Buchmaler vermutlich eine andere als die der zeitgleich in Paris und ebenfalls sehr innovativ arbeitenden Brüder von Limburg, die fest im Haushalt eines Mäzens des Hochadels angestellt waren.
Aktuell unterscheidet man den Boucicaut-Meister im engeren Sinn und einen ebenso bedeutenden Meister, der als Mazarine-Meister bezeichnet wird.[3] Drumherum gruppieren sich Gehilfen und weitere Maler, die für bestimmte, eher unselbständige Arbeiten herangezogen wurden. Es gibt Überlegungen, den flämischen Architekten, Tafel- und Buchmaler Jacob Coene in führender Rolle in dieser Gruppe zu sehen, der bereits 1398 bis 1404 in Paris und Mailand tätig war. Vielleicht handelt es sich dabei nicht um den Boucicaut-Meister im engeren Sinn, sondern um den sogenannten, erst kürzlich von der Forschung näher gefassten Mazarin-Meister. Die Gruppe tritt mehrfach gemeinsam mit dem sogenannten Bedford-Meister als Illustrator von Handschriften auf.
um 1413, einige Miniaturen aus dem Brevier von Louis de Guyenne in Zusammenarbeit mit dem Bedford-Meister, Bibliothèque municipale de Châteauroux, Ms.2
um 1414, Des Cas des nobles hommes et femmes du Boccace pour Girard Blanchet, Los Angeles, Getty Center, ms.63
um 1415, Trésor des histoires, Paris, Bibliothèque de l’Arsenal, ms.5077 darunter zwei ausgeschnittene Miniaturen, die im Louvre-Museum aufbewahrt werden. : Le comte de Montfort reçu par le roi de France (RF1928) et Départ de saint Louis pour la croisade (RF 1929)
um 1415–1417, Heures de Jeanne Bessonneau, Paris Bibliothèque nationale de France, Lat. 1161
eine Miniatur aus den Petites Heures d'Étienne Chevalier, London, British Library, Add.ms.16997, f.90, übermalt von Jean Fouquet
Literatur
Christine Geisler Andrews: The Boucicaut Masters. In: Gesta, Vol. 41, No. 1 (2002), Artistic Identity in the Late Middle Ages, S. 29–38.
Erwin Panofsky: Die Altniederländische Malerei. Ihr Ursprung und Wesen. [Übersetzung der engl. Ausgabe von 1953] 2 Bde. Köln 2001, hier Bd. 1, S. 55–61.
Millard Meiss: French Painting in the Time of Jean de Berry. Bd.2: The Boucicaut Master. London 1968.
Gabriele Bartz: Der Boucicaut-Meister. Ein unbekanntes Stundenbuch (= Antiquariat Heribert Tenschert: Katalog. Nr. 42 = Illuminationen. Studien und Monographien. Bd. 1, ZDB-ID 1470484-5). Antiquariat Tenschert, Rotthalmünster 1999.
Albert Châtelet: Les heures du Maréchal de Boucicaut. In: Monuments et mémoires. Bd. 74, 1995, ISSN1148-6023, S. 45–76.
Inès Villela-Petit: Le bréviaire de Chateauroux. Somogy u. a., Paris 2003, ISBN 2-85056-696-9.