Die mittelalterliche Groteske zeichnet sich dadurch aus, dass sie vom Autor so angelegt worden ist, eine Improvisation der Spieler zu begünstigen. Blut und Liebe ist in dieser Hinsicht eine Parodie von William ShakespearesHamlet. Liebe und Mordlust werden ins Groteske übersteigert und die Tragödie mutiert ins Komische.[13][14]
Handlung
Das Stück thematisiert die Interaktion von zwei in Dauerfehde befindlichen Familien, als Ritter Roderich von Löwenklauenstein beschließt, die Tochter des mit ihm verfeindeten Ritters Wolf von Wolfseck zu ehelichen. Dieser möchte sich jedoch nicht auf solche Weise befrieden, sondern die Feindschaft der beiden Familien unbedingt aufrechterhalten. Zur zentralen Figur gerät ein Wunderheiler und Giftmischer[15], der durch die von ihm angerührten und verabreichten Zaubertränke Intrigen und Verwechslungen auslöst und die ganze Angelegenheit dadurch wirkungsvoll kompliziert.[16]
Inszenierung
In seinem Vorwort zur 21. Auflage schrieb Luserke, dass das Stück musikalisch begleitet werden soll. Er wollte ausschließlich männliche Darsteller; die weiblichen Rollen sollten durch Verkleidete verkörpert werden.[18]
Bekannte Akteure
Der NS-Widerstandskämpfer Willi Graf („Weiße Rose“) wirkte an mindestens einer Aufführung von Blut und Liebe mit.[19]
Horst Müllers Abiturklasse 1948 probte Blut und Liebe unter Leitung von Ernst Hartung trotz gleichzeitiger Abiturvorbereitungen, um Luserkes Stück während der Abiturfeier aufführen zu können.[21]
Rollenwandel
Die Rolle des Quacksalbers wurde gegenüber der Urfassung von 1906 verändert. Von Luserke ursprünglich als „der Jude“ angelegt und als solcher bezeichnet, wurde die Charakterfigur in den 1950er Jahren moderater angelegt und in die eines keiner Bevölkerungsgruppe zugeordneten Quacksalbers gewandelt. Dadurch wurden kleinere Änderungen im Text erforderlich, die auch eine Anpassung des Reim- und Versmaßes zur Folge hatten.[22]
Kritik
Das „witzige, spritzige Stück“, so Gudrun Wilcke (Pseudonym: Gudrun Pausewang) wirke am Ende „wie der Anflug einer Kritik am Nationalsozialismus“.[23] Sie bezieht sich dabei offensichtlich auf eine zwischen 1933 und 1945 erschienene Neubearbeitung des 1906 im Kaiserreich entstandenen Werks. Als Werk der Zeit des Dritten Reiches kann Blut und Liebe daher nicht bezeichnet werden.
Die in der heutigen Rezeption als antisemitisch wahrgenommene Rolle eines im Hochmittelalter angesiedelten jüdischen Wunderheilers und Giftmischers (heute neutraler als Quacksalber bezeichnet) führte dazu, dass der Autor Luserke teils als Antisemit bezeichnet wird.[24][25] Diese Charakterisierung Luserkes aufgrund einer Theaterrolle ist jedoch nach wissenschaftlichen Kriterien nicht hinreichend belegt; sie ist zudem umstritten. Luserkes Groteske spielt im Hochmittelalter (etwa 1050 bis 1250), in dem Juden Außenseiter der entstandenen christlichen Ständegesellschaft waren, zu den Zünften keinen Zugang hatten, nur geächtete Berufe ausüben konnten, sozial und religiös nicht anerkannt waren und mit Missgunst betrachtet wurden. In Luserkes Groteske komme ein von einem Ritter gefangen gehaltener Jude vor, der von diesem Ritter als „verdammter Judenhund“ tituliert werde.[26] Für das Hochmittelalter war dies möglicherweise nicht ungewöhnlich. Eine 2017 vorgelegte Dissertation verweist darauf, dass Luserke seine als jüdisch beschriebenen Figuren unterschiedlich angelegt habe, etwa positiv als junger und mutiger Held (Jussuf in: Der Brunnen If)[27] oder als netter „Mauscheltyp“ mit differenzierter Charakteristik (Moses in: Der Brunnen If).[28] Zudem überlasse es Luserke den jeweils agierenden Laienspielgruppen, wie sie die Figuren in ihren Aufführungen konkret auslegen, denn er gebe dazu keine Regieanweisungen.[29]
Textausgabe
Martin Luserke: Fünf Komödien und Fastnachtsspiele aus der freien Schulgemeinde Wickersdorf. Bonsels Verlag, München 1912.
22. Auflage (= Das Bühnenspiel, 292). Deutscher Theaterverlag, Weinheim/Bergstraße 1996, ISBN 3-7695-2509-4.
↑Blut und Liebe. In: Deutscher Theaterverlag. Auf: theatertexte.de, abgerufen am 1. Juli 2017.
↑Martin Kießig: Martin Luserke. Gestalt und Werk. Versuch einer Wesensdeutung. Dissertation Universität Leipzig 1936, OCLC632234871, S. 111–112.
↑Stiftung Jugendburg Ludwigstein (Hrsg.): Jahrbuch des Archivs der Deutschen Jugendbewegung (= Informationen zur erziehungs- und bildungshistorischen Forschung), H. 12/13. Selbstverlag, Dortmund 1980, S. 178.
↑Hotte Schneider: Die Waldeck: Lieder, Fahrten, Abenteuer. Die Geschichte der Burg Waldeck von 1911 bis heute. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2005, ISBN 3-935035-71-3, S. 90.
↑Elisabeth Korn: Die Jugendbewegung, Welt und Wirkung: Zur 50. Wiederkehr des Freideutschen Jugendtages auf dem Hohen Meissner. Eugen Diederichs Verlag, 1963, S. 73.
↑Eva Sternheim-Peters: Habe ich denn allein gejubelt? Eine Jugend im Nationalsozialismus. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 2000, ISBN 3-8046-8884-5, S. 356.
↑Heiko van Dieken: Ende der Verdunkelung. Erinnerungen an die Nachkriegszeit. Verlag De Utrooper, 1998, ISBN 3-928245-77-5, S. 63.
↑Klaus Hupp: Meine Jugend in Köslin. Ein Gefüge von Bildern und Szenen lebendiger Erinnerungen an das Leben in meiner hinterpommerschen Heimatstadt Köslin 1928–1945. Husum Druck, Husum 1994, ISBN 3-88042-682-1, S. 129.
↑Peter Goergen: Willi Graf – ein Weg in den Widerstand. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2009, ISBN 978-3-86110-458-2, S. 38.
↑Gerhard J. Bellinger: Wer einem Stern folgt kehrt nicht um. Eine Bildbiografie. Books on Demand, Februar 2017, ISBN 978-3-7431-9564-6, S. 54.
↑Horst Müller: Der Krieg, er zieht sich etwas hin. Fünf Texte. Books on Demand, Norderstedt 2016. ISBN 978-3-7392-4154-8, S. 200f.
↑Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 23.
↑Gudrun Wilcke: Die Kinder- und Jugendliteratur des Nationalsozialismus als Instrument ideologischer Beeinflussung. Liedertexte – Erzählungen und Romane – Schulbücher… und Jugendkultur, -literatur und -medien. Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2005. ISBN 978-3631541630, S. 62.
↑Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 307.
↑Barbara Stambolis: Die Jugendbewegung und ihre Wirkungen: Prägungen – Vernetzungen, gesellschaftliche Einflussnahmen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. ISBN 978-3847003434, S. 34.
↑Martin Luserke: Der Brunnen If – Zaubermärchen. Christian Kaiser Verlag, München 1927.
↑Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 407.
↑Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 412.