Blackgaze
Blackgaze ist ein Subgenre des Metal mit deutlichen Einflüssen aus Post-Rock, Shoegazing und Black Metal. Stilistische EinordnungDie Musik ist durch eine Mischung aus Post-Rock- bzw. Shoegazing- und Black-Metal-Elementen gekennzeichnet, welcher durch die Nutzung von Lautstärke- und Tempowechseln eine dem Post-Metal nahestehende Intensität zugeschrieben wird.[1][2][3][4] Oft werden auch Elemente aus Ambient und Neofolk in die Musik eingebunden.[5] Melodische und mehrstimmige Gitarrenwände sowie elektronische Effektgeräte und Synthesizer sind dem Shoegazing und Post-Rock ebenso nahe wie lange ruhige Passagen, bei welchen Hall- und Flanger-Effekte genutzt werden. Auf den skandinavischen Black Metal, insbesondere auf Burzum, beziehen sich die Interpreten in der häufigen Riff-Wiederholung und der als hypnotisch, mystisch und spirituell beschriebenen Atmosphäre. Ebenso nutzt der Gesang die bekannten Merkmale aus Keifen und Schreien der skandinavischen Szene, wechselt diese Variante jedoch häufiger mit Klargesang ab.[3][2][1] Die Musikstücke verzichten meist auf die klassische Pop- und Rockstruktur des Strophe-Refrain-Strophe-Wechsels und erstrecken sich nicht selten über einen für Rockmusik unüblichen Zeitraum.
– Heiko Behr[6] Markus „Herbst“ Siegenhort, Gründungsmitglied der zeitweiligen Blackgaze-Bands Líam und Lantlôs, beschreibt den Stil hingegen kritisch als „langweiliges“ und „stagniertes“ Genre mit einer simplen Struktur: „Es sind immer 12-Minuten-Tracks, die fünf Minuten Intro haben und dann kommt ein bisschen Post Rock mit Blastbeats und Geschrei drunter.“[7] Haela Hunt Hendrix von Liturgy erfand für diese dynamische Variante des Schlagzeugspiels aus langen ruhigen Passagen mit eruptiven Blastbeateinsätzen den Ausdruck Burst Beat.[8] Liturgy, welche insbesondere mit diesem oft weicher abgemischtem dynamischen Schlagzeugspiel bekannt wurden, lehnten die Idee an dem Song No More Sorry von My Bloody Valentine an.[9] Das Gitarrenspiel basiert wie im Post-Rock und Shoegazing häufig auf offenen Akkorden, bei welchen leere, nicht gegriffene Saiten mit gegriffenen Saiten gleichzeitig angeschlagen werden. Herbst benennt ebenso die Verwendung von dissonanten Bordun-Klängen, als wesentliches dem Post-Rock nahe stehendes Musikelement, das sich unter anderem bei Lantlôs wiederfindet. „Es sind immer zwei Töne, die nicht konsonant sind, zum Beispiel mit einer Septime oder None Abstand, und darunter dann andre Bässe – und eben die leere Saiten.“[10] Verhältnis zum Post-Black-MetalDie Vertreter des Blackgaze werden gemeinsam mit Interpreten wie Nachtmystium oder Twilight auch dem Begriff Post-Black-Metal untergeordnet. Der Terminus Post-Black-Metal fungiert in dieser Interpretation jedoch als Sammelbegriff für moderne Entwicklungen, die sich stilistisch auf den Black Metal berufen.[11][12] Brad Sanders bezeichnet nach The Quietus Post-Black-Metal als ein Ideal, das sich von der Ideologie und der nachhaltigen Bedeutung des skandinavischen Black Metal löst und Black Metal als Stilelement, ohne nihilistischen, misanthropischen und satanischen Bezug, nutzbar macht.[13] Auch Herbst von Lantlôs folgt dieser Interpretation des Begriffs und distanziert sich explizit von der synonymen Nutzung des Ausdrucks Post-Black-Metal für den Blackgaze.
– Markus „Herbst“ Siegenhort[14] IdeologieDie Musik orientiert sich zum Teil am Stil der als Zweite Welle des Black Metals populären Bands, wird jedoch aufgrund der fehlenden satanischen Inhalte nicht als Subgenre des Black Metals rezipiert. In Berichten über das Genre wird auf diese Unterscheidung häufig verzichtet. So wird das in der Mitte der 2000er Jahre entstandene Genre gelegentlich der dritten Welle des Black Metal zugeordnet,[15] ohne sich auf die zugehörigen ideologischen Wurzeln zu berufen. Die Initiatoren des Blackgaze sehen sich vornehmlich musikalisch in der Tradition des Black Metal. Sowohl auf die satanische und nihilistische Ideologie als auch viele ästhetische Stilelemente des Black Metal, wie Corpsepaint, Petruskreuze, Nieten- und Patronengurte wird weitestgehend verzichtet.[16][17][18] Hingegen sehen sich viele der Blackgaze-Vertreter in einer metaphysischen und esoterischen Tradition und postulieren eine gegen die urbanisierte Gesellschaft gerichtete Systemkritik, ohne eine spezifische politische Richtung vorzuweisen.[16][19][20]
– Aaron Weaver – Wolves in the Throne Room[16]
– Frank „The Watcher“ Allain – Fen[21] Mit dieser lebensbejahenden Haltung repräsentieren die Blackgaze-Interpreten Robert Iwanetz zufolge „die völlige Umkehrung der europäischen Black-Metal-Attitüde. Nachhaltigkeit statt Zerstörung. Leben statt Sterben.“[22] GeschichteVorläuferIn ihrer romantischen, ästhetischen und esoterischen Auffassung des Black Metal beziehen sich Interpreten wie Wolves in the Throne Room, Alcest und Amesoeurs insbesondere auf die ersten vier Veröffentlichungen des norwegischen Projektes Burzum,[23] welches gelegentlich auch als musikalischer Vorläufer bezeichnet wird.
– Stéphane „Neige“ Paut[20] Als wegweisendes Album für den Blackgaze gilt auch das 2002 erschienene The Mantle von Agalloch, welches „in so nie gehörter Form Elemente aus Black Metal, Neo-Folk, Progressive- und Post Rock sowie Ambient“ kombinierte.[5] Als weitere Interpreten, welche die Idee der Verbindung von Black-Metal- und Post-Rock-Elementen vorwegnahmen, werden vor allem Forgotten Woods, Weakling, Fleurety, Ved Buens Ende, Arcturus, Nocte Obducta und In the Woods… betrachtet, deren grundlegende Herangehensweise jedoch zumeist avantgardistisch und weniger romantisch metaphysisch angelegt war.[21][24] Annatar von Sombres Forêts nennt diese Bands auch eine „erste Welle“ des Post-Black-Metal.[17] Im Spektrum des Post-Metal nutzten auch vereinzelte Interpreten wie Callisto 2004 auf True Nature Unfolds oder Year of No Light 2006 auf Nord musikalische Elemente des Black Metal und griffen so dem Post-Black-Metal vorweg.[25] Callisto gilt unterdessen für Musiker wie Fursy Teyssier von Amesoeurs und Les Discrets als wichtige Inspiration,[26] und auch weitere Vertreter des Post-Metal wie Isis werden von Blackgaze-Musikern als Einfluss bezeichnet.[17] Entstehung des GenresDer Band Alcest wird eine besondere Bedeutung für die „schleichende Symbiose von Shoegaze, Post-Rock à la Explosions In The Sky und norwegischem Black Metal“ zugeschrieben.[27] Ihre 2005 erschienene auf 1000 Stück limitierte EP Le Secret „charakterisiert den Shoegaze-Klang mit spacigen Gitarreneffekten, im Hintergrund verweilenden Vocals und Stimmungen und Rhythmen, welche normalerweise für die Alternative/Indie-Rock-Szenen vorbehalten sind“.[28] Ab dem Jahr 2006 etablierte eine Vielzahl an Projekten die Mischung aus Shoegazing, Post-Rock und Black Metal. In diesem Jahr debütierten Wolves in the Throne Room mit Diadem of 12 Stars und Amesoeurs mit der EP Ruines Humanies. Einige der nachfolgenden Interpreten wie Altar of Plagues, Lantlôs oder Líam bezogen sich direkt auf Wolves in the Throne Room oder Amesoeurs.[7][29] An Lantlôs beteiligte sich Stéphane „Neige“ Paut seit 2010, Neige reanimierte zudem Alcest als Soloprojekt. Weitere Projekte wie Fen, Liturgy oder Heretoir schlugen innerhalb kurzer Zeit eine ähnliche Richtung ein. Der Amesoeurs-Gitarrist Fursy Teyssier gründete nicht nur das Projekt Les Discrets, sondern zeichnete sich auch durch das Cover- oder Booklet-Design für Alben und EPs von Amesoeurs, Alcest, Lantlôs, Agalloch, Les Discrets, Sombres Forêts sowie Arctic Plateau aus. Seine Tätigkeit trug zu der Wahrnehmung der verschiedenen Projekte und Bands als ein zusammenhängendes Genre bei.[26] RezeptionNach den Anfängen des Genres konnten sich Interpreten des Blackgaze und Post-Black-Metal in Alternative-Zeitschriften wie Spin, Spex und Visions etablieren und erschlossen damit ein Publikum, welches bis dahin nur wenig Berührungspunkte mit dem Black Metal aufwies.[30][1] Die Band Deafheaven erreichte unter anderem die Visions-Toppositionen der Alben- (Platz 3, Kritiker) und Coverwertungen (Platz 1, Kritiker) des Jahres 2013.[31] In einem ähnlichen Zeitraum beschäftigten sich auch Teile des deutschen Feuilleton mit dem Genre und seinen Interpreten. Insbesondere die Band Liturgy wurde 2007 in diversen Zeitungen und Magazinen, die nicht primär musikalisch orientiert und in der Regel noch weniger am Black Metal interessiert sind, besprochen.[6][22][2] Hierbei wurde Sunbather von Deafheaven von der Internetpräsenz der Süddeutschen Zeitung zum Album des Jahres 2013 gekürt.[32] Während Bands wie Liturgy, Deafheaven und Wolves in the Throne Room den Blackgaze in den Feuilleton und die Alternative-Musikpresse trugen, wird dem französischen Projekt Alcest eine besondere Bedeutung hinsichtlich des Erfolges und der Verbreitung des Genres zugeschrieben.
– Björn Springorum[4] In der traditionellen Black-Metal-Szene hingegen werden diese Bands unter anderem wegen ihrer Ausrichtung und ihrer Annäherung an ein black-metal-fremdes Publikum abgelehnt:
VertreterEinzelnachweise
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