Die 12-jährige Bailey lebt mit ihrem etwas älterer Halbbruder Hunter und ihrem Vater Bug zusammen mit einer Reihe weiterer Menschen in einem besetzten Haus in der Hafenstadt Gravesend im Norden von Kent unweit von London. Bug ist arbeitslos, und seine neuste Geschäftsidee ist der Verkauf eines halluzinogenen Schleims, den er aus einer importierten Kröte namens „the“ gewinnt.
Baileys Mutter Peyton und ihre drei jüngeren Schwestern wohnen am anderen Ende der Stadt. Peytons neuer Partner heißt Skate und neigt zu Gewaltausbrüchen. Bug hat sich vor kurzem mit seiner Freundin Kayleigh verlobt und verbringt nicht viel Zeit mit seinen Kindern. Daher sucht Bailey anderswo nach Aufmerksamkeit und Abenteuer. Das Mädchen ist sich in Bezug auf ihre Geschlechtsidentität unsicher, trägt kurze Haare und androgyne Kleidung.
Als Bailey in den Mooren unterwegs ist, trifft sie einen freundlichen Vagabunden namens Bird, der mit deutschem Akzent redet und mit einem Rock und einem Second-Hand-Pullover bekleidet ist. Er erklärt ihr, auf der Suche nach seinem Vater in die Gegend gekommen zu sein. Bird wird für Bailey zu einem Freund, den sie so dringend gebraucht hat. Ihr Vater Bug, der selbst fast noch ein Kind war, als er sie bekam, hat sich eher wie ein Freund als wie ein Vater verhalten, war für sie keine Autoritätsperson und hat nie wirklich Verantwortung für seine Kinder übernommen. Dennoch hat er sein Bestes gegeben, für ihr Wohlergehen zu sorgen.[1][2][3][4]
Produktion
Regie und Drehbuch
Regie führte die Britin Andrea Arnold, die auch das Drehbuch schrieb. Die für ihren Kurzfilm Wespen mit dem Oscar ausgezeichnete Arnold ist besonders für ihre Spielfilme Red Road, Fish Tank und American Honey bekannt.[5] In ihrem letzten Film, dem Dokumentarfilm Cow, zeichnete Arnold ein Porträt zweier Kühe, die in einem Milchviehbetrieb leben.[4]
Arnold stammt selbst aus Kent und wuchs in einer Sozialsiedlung auf. Sie ist das älteste von vier Geschwistern, und ihre Mutter war erst 16 Jahre alt, als sie ihr erstes Kind bekam. Sie verbrachte viel Zeit draußen auf den Straßen, zog sich quasi selbst groß und musste früh Verantwortung für ihre kleineren Geschwister übernehmen.[5]
Barry Keoghan spielt in der Hauptrolle Bug und Franz Rogowski in der Titelrolle Bird.[6][7][8] Nykiya Adams und Jason Buda sind in den Rollen der Halbgeschwister Bailey und Hunter zu sehen.[9]Jasmine Jobson spielt Baileys Mutter Peyton und James Nelson-Joyce deren neuen Partner Skate.[1]Frankie Box ist in der Rolle von Bugs Verlobter Kayleigh zu sehen.[9]
Die Dreharbeiten fanden ab Juni 2023 in Gravesend, Dartford, Ashford und Bean in der Grafschaft Kent im Süden Englands statt.[10][11][12][13] Weitere Aufnahmen entstanden im Juli 2023 auf der Isle of Sheppey.[14] Als Kameramann fungierte der Ire Robbie Ryan, mit dem Arnold die meisten ihrer bisherigen Filme drehte.
Von den bei Rotten Tomatoes aufgeführten Kritiken sind 74 Prozent positiv bei einer durchschnittlichen Bewertung mit 7,1 von 10 möglichen Punkten.[31] Bei Metacritic erhielt der Film einen Metascore von 69 von 100 möglichen Punkten.[32]
Michael Meyns schreibt in seiner Kritik für Filmstarts, Andrea Arnold gelinge es in Bird hervorragend, das Leben in diesen prekären Familienverhältnissen darzustellen. Es scheine, ihr gehe es in dem Film diesmal ganz besonders darum, die Schönheit in einer Situation zu finden, die auf den ersten Blick alles andere als anziehend wirkt. Mit seinem markanten Gesicht, seinem leichten Lispeln und seiner ganz eigenen Art passe Franz Rogowski perfekt in die Rolle des merkwürdigen Außenseiters Bird, der wie ein Wesen aus einer anderen Welt wirke, einerseits real, andererseits enigmatisch und möglicherweise nur in Bailys Einbildung existierend. Allerdings sei die Geschichte am Ende doch ein wenig zu nah an Arnolds persönlichen Erinnerungen, und so würden die einzelnen Elemente diesmal nicht ganz zusammenfinden.[5]
Michael Gasch schreibt in seiner Kritik für uncut.at, die Optik des Films erinnere an das Sozialdrama-Kino Ken Loachs, der zuletzt mit The Old Oak ebenfalls die gesellschaftlichen Spannungen unter die Lupe nahm. Auch Regisseurin Andrea Arnold nehme sich einer maximal authentischen Darstellung an und gebe erneut ihren Schauspielern völlige Kontrolle, wie es schon in früheren Werken der Fall war. Dies erzeuge nicht nur einen hohen Grad an Authentizität, womit die Stimmung zwischen Hilflosigkeit und Wut gefühlvoll festgehalten wird, sondern auch ein Gefühl, selbst Teil dieser Welt zu sein, treffe jedoch nur auf die ersten zwei Drittel des Films zu, da es gegen Ende hin eine überraschende Wendung gibt, wenn sich zu den Coming-of-Age- und Sozialdrama-Elementen Magischer Realismus als dritte Komponente hinzugesellt. Narrativ kämen komplexe Themen wie Verantwortung, menschliche Entfaltung und die Zeichnung, wie Traumata entstehen, hinzu, die alles abrunden. Ach Gasch bemerkt, das Bird nicht frei von Kritik sei, da manche Figuren stellenweise zu wenig Zeit eingeräumt bekämen.[33]
Eines „der Juwele dieses Wettbewerbs“ in Cannes 2024 nennt Maria Wiesner in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Werk Andrea Arnolds. „Sobald ein Filmfestival seine Halbzeit erreicht, entstehen zwischen unterschiedlichsten Werken Querverbindungen – und besonders starke Szenen tauchen nach Tagen im Gedächtnis auf. Wenn Nykiya Adams ihr Gesicht in die gefiederten Arme eines Mannes mit gelben Adleraugen vergräbt, Halt sucht und Freundschaft findet – dann ist das so ein Moment.“ Ihn schenke Arnold in Bird. Sie wage nicht nur stofflich, sondern auch formal viel. Ihre Augenhöhe mit den Figuren verhindere Herablassung und lote Menschlichkeit bis zum Grund hin aus: „Oft heftig, schrecklich, schön und sehr wahr.“[34]
Auszeichnungen
Bird befindet sich in der Vorauswahl zum Europäischen Filmpreis 2024.[35] Im Folgenden eine Auswahl von Nominierungen und Auszeichnungen.