Bindung (Hund)Bindung bezeichnet in der Kynologie eine besondere soziale Beziehung zwischen Hund und Mensch. Sie ist zum einen Folge einer Sozialisation mit Menschen, zum anderen genetisch bedingt und wird als mögliche evolutionäre Anpassung an das Leben in Menschen-Gruppen gedeutet. Die Bindung des Hundes an Menschen tritt insbesondere dann auffällig in Erscheinung, wenn das Tier in Stress-Situationen gerät. Vor die Wahl gestellt, bevorzugen es Hunde, sich Menschen anzuschließen.[1] Zu anderen Hunden bauen sie keine Bindungsbeziehungen auf. BindungsbegriffBindung bezeichnet nach Erik Zimen das Phänomen, dass ein Tier (hier: Hund) eine besonders enge soziale Beziehung zu einem anderen Individuum eingeht.[2] Heinz Weidt übertrug 1989 die Bindungstheorie, die menschliches Bindungsverhalten erklärt, auf die Mensch-Hund-Beziehung.[3] Heinz Weidt und Dina Berlowitz formulierten 1997, es „kann sich zwischen den ungleichen Partnern jenes unsichtbare individuelle Band knüpfen, das wir im weiteren Bindung nennen.“[4] Sie beziehen Bindung auf eine „von Geborgenheit und Sicherheit gekennzeichnete Gefühlslage“ des Hundes und verstehen Bindung „im Sinne und in der Funktion eines lebensnotwendigen Systems“. Grundlagen der BindungDie Bindungsbereitschaft des Hundes ergibt sich aus der Trennung von der Mutter und dem natürlichen Bedürfnis nach Schutz. Damit überhaupt eine Bindung an den Menschen zustande kommen kann, ist die Sozialisation des Welpen mit Menschen in der sensiblen Phase seiner Entwicklung nötig. In dieser Phase maximaler Lernfähigkeit etwa von der 3. bis zur 13. Lebenswoche entscheidet sich, wer engster Sozialpartner wird und ob der Hund in der Lage sein wird, Sozialbeziehungen aufzubauen.[5] Vier Monate alte Welpen entwickeln eine Bindungsbeziehung zu ihrer Hauptbezugsperson,[6] Hunde sind jedoch auch in der Lage, später schnell, das heißt innerhalb weniger Tage, neue Bindungen einzugehen, was insbesondere an Tierheimhunden beobachtet wurde.[7] Wenn Hunde bis zur 14. Lebenswoche keine Erfahrung mit Menschen gemacht haben, zeigen sie jedoch im Allgemeinen diesen gegenüber ein starkes Meideverhalten.[8] Die Bindung von Hunden an Menschen ist nicht nur von der sozialen Umgebung abhängig. Vergleiche von intensiv mit Menschen sozialisierten Wolfswelpen mit Hundewelpen unter gleichen Aufzuchtbedingungen im Alter von vier Monaten zeigten, dass die Hunde Bindungsverhalten zeigten, die Wölfe dagegen nicht. Während Hunde Bindungsbeziehungen zu Menschen aufbauen, tun sie das zu anderen Hunden nicht. Vielmehr bestehen Parallelen im Bindungsmuster zwischen Hunden und Kindern. Wie bei Kindern führen bei Hunden Störungen der Bindung zu typischen Verhaltensstörungen.[9] Es ist die Aufgabe des Menschen, dem Bindungsbedürfnis des Hunds gerecht zu werden. Dabei muss er einen Weg finden zwischen Überbehüten des Hundes und dem Vernachlässigen von dessen Schutzbedürfnis, sein Handeln bestimmt die Qualität der Bindung. Er muss die Bedürfnisse des Hundes erkennen, entsprechend reagieren und dem Hund ein verlässlicher Partner sein.[10] BindungsverhaltenDas Bindungsverhalten des Hundes ist gekennzeichnet von inneren und äußeren Faktoren; sie bestimmen, inwieweit er die Nähe zu seiner Bezugsperson sucht und aufrechterhält und ob und in welchem Maße er erkundendes Verhalten zeigt, für das die Bezugsperson als sichere Basis fungiert. Eine Beziehung kann als Bindung bezeichnet werden, wenn (im Fall Hund – Mensch) der Hund den Menschen erkennen kann (individuelle Unterscheidung), er ihn bei Erkundung und Gefahr als sichere Basis betrachtet (secure base effect) und bei der Begegnung nach stressbelasteter Trennung den Menschen begrüßt und entspannteres Verhalten zeigt.[11] Bedeutung der BindungDie Bindung ist ein lebensnotwendiges System. Es muss im Fall des Hundes je nach seinem rassespezifischen und individuell veränderten Abhängigkeitsgrad mehr oder weniger lebenslang erhalten bleiben. Ohne die Sicherheit der Bindung an den Menschen hat dieser abhängige Hund ständig eine Fluchttendenz und gerät in einen Kreislauf aus Angst und Aggression. Nur eine sichere Bindung ermöglicht es dem Hund, sich positiv mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen. Eine sichere Bindung stellt somit die Basis des Zusammenlebens und jeder Arbeit mit dem Hund dar. Es gibt Arbeitshunde (wie die klassischen Hofhunde oder Herdenschutzhunde), die vergleichsweise selbständig agieren müssen und nicht in enger Sozialbeziehung zum Menschen gehalten werden. Im Zusammenleben mit ihnen kann es bei mangelnder Sachkenntnis der Menschen zu Gefahrensituationen kommen. Gerade bei in dieser Tradition stehenden Rassen kommt bei einer Haltung als Begleithund dem Aufbau einer sicheren Bindung besondere Bedeutung zu (dazu siehe [12]). BindungstestsZimen führte sowohl mit Hunden als auch mit Wölfen Bindungstests durch. Er nutzte vor allem den eingehaltenen räumlichen Abstand zueinander, um auf die Stärke der Bindung zu schließen. Einer der Tests für den Hund davon bestand in einem Trennungsversuch: ein Hund wurde im Gelände vor die Wahl gestellt, einer von zwei sich trennenden Personen zu folgen.[2] Heinz Weidt und Dina Berlowitz entwickelten 1997 einen Bindungstest[4] auf der Grundlage von John Bowlby und Mary Ainsworth. In einem Zeitraum von 12 Minuten werden dabei der Hund und seine Hauptbezugsperson in einem abgeschlossenen Raum mit Spielgeräten jeweils etwa 3 Minuten lang mit verschiedenen Situationen und Aufgaben konfrontiert und beobachtet (Video). Die folgenden vier Episoden werden dabei unterschieden:
Das Verhalten in den jeweiligen Situationen erlaubt Rückschlüsse auf die Qualität der Bindung. 1998 publizierte die Gruppe um den ungarischen Verhaltensbiologen Ádám Miklósi an der Eötvös-Loránd-Universität Budapest eine neue Anwendung des Strange Situation Tests von Mary Ainsworth zur Untersuchung des Bindungsverhaltens von Hunden. Der Test besteht aus sieben Episoden von je 2 Minuten Dauer und einer 30-sekündigen Einführungsepisode:[13]
Der Test wird auf Video aufgezeichnet und von geschulten Beobachtern ausgewertet. Topál, Miklósi und ihr Team fanden 1998 deutliche Unterschiede im Verhalten der Hunde gegenüber der Bezugsperson im Vergleich zu dem gegenüber der fremden Person. Aus diesem Vergleich schlossen sie auf das Bindungsverhalten, das sie als Ergebnis der Domestikation betrachten. Sie fanden keine wesentlichen rassespezifischen Unterschiede. Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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