Seit den 1990er Jahren ist Raffelhüschen mit der heutigen FDP-Bundestagsabgeordneten Claudia Raffelhüschen verheiratet. Sie haben drei erwachsene Kinder und leben in Freiburg-Littenweiler.[16]
Raffelhüschen begründet seine Analysen mit der „Generationenbilanzierung“. Im Auftrag der Stiftung Marktwirtschaft veröffentlicht er seit 2006 regelmäßig eine Generationenbilanz für Deutschland, um seine Sicht auf Kenngrößen wie die langfristige Entwicklung der Staatsfinanzen, die Inflation oder die Zinsentwicklung darzulegen. Die Methodik der Generationenbilanzierung[18][19][20] und das Konzept der „impliziten Staatsschuld“ bzw. der „Nachhaltigkeitslücke“[21] werden in den Wirtschaftswissenschaften teils heftig kritisiert.
Studien zur Rente
In den Generationenbilanzen für die Stiftung Marktwirtschaft macht Raffelhüschen auf die sogenannte „implizite Staatsschuld“ aufmerksam und plädiert für Korrekturen des Systems.[22] Er prognostiziert seit 2004 auf Basis seiner Generationenbilanzierung ein wachsendes Ungleichgewicht zwischen Rentenzahlungen und zugehörigen Einnahmen.[23] Daher forderte er eine stärkere private Vorsorge, eine Senkung des Rentenniveaus, eine Verlängerung der Arbeitszeit und eine Abschaffung des vorgezogenen Ruhestands.[24][25] Sozialverbände sowie verschiedene Medien und Parteien kritisierten diese Forderungen.[26][27]
Raffelhüschen kritisierte zudem im Jahr 2017 die Höhe der ostdeutschen Renten als zu hoch; die Angleichung der Renten zwischen Ost und West sieht er als ungerecht an.[28] Er wirbt für eine Ergänzung des umlagefinanzierten Rentensystems durch eine kapitalbasierte Rente und setzt sich für mehr „Nachhaltigkeit“ in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ein.[29] Zur Rente, speziell zur Altersarmut, ist seine Aussage bekannt: „Es gibt keine Altersarmut in Deutschland. Sie ist quasi irrelevant.“[30]
Raffelhüschen wirkte im Jahr 2022 auch bei einer Generationenbilanz zur Schweizer Alters- und Hinterlassenenversicherung für die Großbank UBS mit.[31] Der Schweizerische Gewerkschaftsbund kritisierte die Methodik und warf der Studie vor, ihre wahren Beweggründe zu verschleiern: Es störe „die Topverdiener, mehr in die AHV einzuzahlen, als sie an Rente beziehen“. Ferner sei es für die UBS attraktiver, „wenn die SchweizerInnen private Altersvorsorgeprodukte kaufen, als wenn die AHV ausgebaut wird“.[32]
Studie zur Migration
2024 stellte Raffelhüschen die Ergebnisse einer von der Stiftung Marktwirtschaft beauftragten Studie auf Basis der Generationenbilanzierung vor, nach der die Migration nach Deutschland ein massiver Kostenfaktor ohne Nutzen sei. Konservative Medien und Parteien griffen die Studie als vermeintlichen Beweis auf, dass Migration dem Land schade.[33][34][35] Verschiedene Wirtschaftswissenschaftler, darunter Jens Südekum und Marcel Fratzscher, kritisierten die Methodik der Studie. Jens Südekum kritisierte, dass als Annahme „die heutige Gesetzgebung in alle Ewigkeit fortgeschrieben“ werde. Unter dieser Annahme hätten in Raffelhüschens Studie auch alle in Deutschland geborenen Kinder „über den restlichen Lebenszyklus eine negative fiskalische Bilanz“. Jeder neugeborene Mensch in Deutschland werde unter dieser Prämisse zu einer Nettobelastung für die Sozialsysteme.[36] Raffelhüschens Studie bezichtigten Südekum und Fratzscher des „menschenfeindlichen Nullsummendenkens“.[37] Migration sei jedoch im Gegenteil nicht nur förderlich, sondern sogar essentiell für die deutsche Wirtschaft und das Gemeinwesen.[38][39]
Studien zur Schuldenbremse
Raffelhüschen verfasste 2011 eine Studie für die Lobbyorganisation Bund der Steuerzahler Deutschland, in der er zu dem Schluss kam, dass die meisten Bundesländer überschuldet seien. Raffelhüschen sprach von griechischen Verhältnissen. Seiner Voraussage nach würden viele Bundesländer die Schuldenbremse nicht einhalten können; vor allem Pensionszahlungen würden die Reserven aufzehren.[40][41] 2023 veröffentlichte er eine weitere Studie im Auftrag des Steuerzahlerbundes.[42] Raffelhüschen betrachtete die Schuldenbremse im deutschen Bundeshaushalt 2023 als „Segen“,[43] der unbedingt bewahrt bleiben müsse.[44] Sparen müsse Deutschland vor allem an Sozialausgaben.[45]
Studie zur Pflegeversicherung
Im Jahr 2005 verfasste Raffelhüschen im Auftrag der Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eine Studie zur Lage der Pflegeversicherung. Raffelhüschen kam zum Schluss, dass der demografische Wandel allein die Pflegeversicherung in den folgenden 30 Jahren mindestens 250 Milliarden Euro zusätzlich koste. Götz Hamann schrieb in der Wochenzeitung Die Zeit, dass „Raffelhüschens Auftritt [...] nicht bloß ein kleiner Beitrag zur Reformdebatte“ sei. Vielmehr wurde Raffelhüschens Studie Teil „einer auf Jahre angelegten politischen Strategie“ der INSM.[46][47]
Studie zur Krankenversicherung
In einer weiteren Studie im Auftrag der INSM rechnete Raffelhüschen im Jahr 2011 vor, dass die deutschen Sozialversicherungen jährlich 100 Milliarden Euro für versicherungsfremde Leistungen ausgäben. Die INSM nutzte die Studie, um zu argumentieren, dass die kostenlose Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung „grob ungerecht“, also zu beenden sei.[48]
Kritik an Lobbyarbeit
Kritisiert wurde, dass Raffelhüschen seine wissenschaftliche Tätigkeit, seine Politikberatung (Rürup-Kommission) und seine öffentlichen Auftritte als Wirtschaftsexperte mit Lobbyismus und gleichzeitigen Aufsichtsratsmandaten in der Versicherungswirtschaft verknüpft, ohne dies ausreichend kenntlich zu machen.[5][49]
2016 Die langfristigen Auswirkungen der Fluchtmigration auf die fiskalische Nachhaltigkeit in Deutschland, Bahnsen, L., Manthei, G. und B. Raffelhüschen, Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften, 14(4), 483–502.
2013 Long-Term Fiscal Effects of Public Pension Reform in Norway – A Generational Accounting Analysis, Hagist, C., B. Raffelhüschen, A.E. Risa und E. Vårdal, Nordic Journal of Political Economy, 38(2), 1–23.
2009 How Regional Differences in Taxes and Public Goods Distort Life Cycle Location Choices, Kotlikoff, L., B. Raffelhüschen und C. Hagist, Hacienda Pública Española/Revista de Economía Pública, 189(2), 47–80.
2004 Denn sie wussten, was sie taten: Zur Reform der Sozialen Pflegeversicherung, Häcker, J. und B. Raffelhüschen, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, 73(1), 158–174.
1999 Population Aging and Fiscal Policy in Europe and the United States, Gokhale, J. und B. Raffelhüschen, Economic Review, 35(4), 10–20.
1999 Generational Accounting in Europe, Raffelhüschen, B., The American Economic Review, Papers and Proceedings, 89(2), 167–170.
1996 Et generationsregnskab for Danmark, Jensen, S., P. Jacobsen, M. Junge und B. Raffelhüschen, Nationaløkonomisk Tidsskrift, 134(1), 39–60.
1994 Social security and intergenerational redistribution: A generational accounting perspective, Boll, S., B. Raffelhüschen und J. Walliser, Public Choice, 81(1), 79–100.
1992 Labor migration in Europe: Experiences from Germany after unification, Raffelhüschen, B., European Economic Review, 36(7), 1453–1471.
1989 Alterssicherung und Staatsverschuldung, Raffelhüschen, B., Finanzarchiv, 47(1), 60–76.
Festschrift
Christian Hagist u. a. (Hrsg.): Fiskalische Nachhaltigkeit. Von der ökonomischen Theorie zum politischen Leitbild : Festschrift für Bernd Raffelhüschen zum 65. Geburtstag. Vahlen, München 2022, ISBN 978-3-8006-7009-3.
↑John B. Williamson, Anna Rhodes: A critical assessment of generational accounting and its contribution to the generational equity debate. In: International Journal of Ageing and Later Life. Band6, Nr.1, 2011, ISSN1652-8670, S.33–57, doi:10.3384/ijal.1652-8670.116133 (ijal.se [abgerufen am 22. Februar 2024]).
↑Antonio Brettschneider: Paradigmenwechsel als Deutungskampf: Diskursstrategien im Umbau der deutschen Alterssicherung. In: Sozialer Fortschritt. Band58, Nr.9/10, 2009, ISSN0038-609X, S.193.
↑Jan Priewe: Schuldentragfähigkeit mit impliziten Staatsschulden – Leitbild oder Irrlicht? Band2023, Nr.3, 2023, S.198–204 (wirtschaftsdienst.eu [abgerufen am 5. März 2024]).
↑Philip Plickert: Staatsfinanzen: Der unsichtbare Schuldenberg. In: FAZ.NET. 26. April 2010, ISSN0174-4909 (faz.net [abgerufen am 9. März 2024]).
↑Politik: „Rentenniveau von 46 Prozent absurd“ Experte kritisiert SPD-Linke. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 25. Januar 2024]).
↑Vorschlag von Ökonomen: Höheres Rentenalter gegen Inflation? In: Die Tageszeitung: taz. 18. Mai 2022, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 25. Januar 2024]).
↑Quelle: Homburg, Stefan et al. (2014) : Staatsschuldenkrise: Zeitbombe für die Währungsunion?, ifo Schnelldienst, ISSN0018-974X, Vol. 67, Iss. 15, S. 3–30.
↑Marvin Oppong: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: Lobbyisten auf Sendung. In: Die Tageszeitung: taz. 24. Juli 2009, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 9. März 2024]).