Beate war die Tochter des Historikers und Sozialpolitikers Ignaz Jastrow und der Lehrerin Anna Seligmann Jastrow (1858–1943). Beate ältere Schwester war die spätere Archäologin Elisabeth Jastrow. Nach Beates eigenem Bekunden war sie - kaum zweijährig – völlig fasziniert, als sie eines Tages im elterlichen Garten gelbe und lila Krokusse entdeckte.[1] Die Sehnsucht nach einem Garten, den sie zuletzt im Alter von fünf Jahren gesehen hatte, wurde später zur Triebfeder ihres Bemühens, möglichst vielen Kindern dieses Erleben in einem Garten zu vermitteln.[2]"Mit acht Jahren hatte ich mich entschieden, Gärtnerin zu werden. Ich habe meine Meinung dazu nie geändert und meine Entscheidung niemals bereut." [3]
Beate erhielt bei Privatlehrern Unterricht in Latein, Französisch und Englisch. im Alter von 15 Jahren legte sie gemeinsam mit Kindern eines Jugendheims einen Garten an. Nachdem sie die Hochschule für Gartenbau in Marienfelde und Berlin absolviert hatte, betreute sie einige Privatgärten.[4] Als sie 22 war, lehnte Beate das Angebot einer Dame, für sie als Obergärtnerin zu arbeiten, mehrfach ab. Schließlich schlug die Dame vor, selbst bei Beate Unterricht zu nehmen. Doch Beate erwiderte, dass sie nicht die Absicht habe, Damen der Berliner Gesellschaft zu unterrichten. Auf die Frage, warum sie denn nicht bei ihr eintreten wolle, meinte die Gärtnerin: "Weil mir Ihr Betrieb nicht gefällt." Als die Dame weiterfragte "Und wie muss ein Betrieb aussehen, der Ihnen gefällt, Beate?", antwortete diese: "Er muss eine glückliche Harmonie zeigen zwischen Obst, Gemüse und Leben im Garten." – "Dann werde ich eben meinen Garten Ihren Wünschen entsprechend umstellen" antwortete die Dame und tat es, vielleicht auch ein wenig der zukünftigen Schwiegertochter zuliebe.[5] Die von der jungen Gärtnerin angesprochene "glückliche Harmonie zwischen Obst, Gemüse und Leben im Garten" könnte ein versteckter Hinweis auf ein Interesse an der AnthroposophieRudolf Steiners sein.
Heirat und eigene Familie
Beate Jastrow heiratete am 11. September 1920 auf der Berliner Pfaueninsel den aus einer Berliner Industriellenfamilie stammenden Ingenieur Franz Hahn (1891–1933). Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor:
Von Ende 1922 bis Ende 1927 lebte Beate Hahn mit ihrem Mann und ihren Töchtern in Angermund. Dort bewohnte die Familie eine herrschaftliche Villa mit sechs Zimmern, drei Mansarden und Warmwasser-Zentralheizung. Zu dem Anwesen gehörte ein knapp 3.000 m² großer Garten sowie ein ca. 10.000 m² großer Obstgarten,[6] den Beate Hahn selbst bewirtschaftete.[7]
Tochter Charlotte erinnerte sich noch 2008 an den Umzug nach Angermund: We moved near Düsseldorf to a village, and we had a beautiful garden. The lawn was [full of] daisies. [As a small child] I kept picking the daisies and amusing myself in the garden. This is my first experience of remembering very clearly what I did in the garden.[8]
Die Familie Hahn war vermutlich nach Angermund gekommen, weil der selbständige Beratungsingenieur Franz Hahn bei der Expansion des zum Familienunternehmen Hahnsche Werke AG gehörenden Stahlwerks im nahen Großenbaum mitwirkte. In ihrer Angermunder Zeit legte Beate Hahn für die Arbeiterkinder in Großenbaum einen Lehrgarten an, in dem diese viermal in der Woche praktischen und theoretischen Gartenunterricht erhielten. Außerdem ließ Beate Hahn für das Stahlwerk ein Gärtnereigebäude mit einem Informationsraum und einer Bibliothek errichten. Die Gärtnerei betreute unter der Leitung eines Obergärtners die Gärten der Direktoren und Arbeiter. Außerdem zog sie Gemüse für die Werkskantine und das Hotel des Werks.[9]
Unter dem Titel Dem Gefährten - Dezember 1930 beschrieb Beate Hahn die Situation in Angermund während der Ruhrbesetzung durch französisch-belgische Truppen (1923–1925). Der handschriftliche, expressionistisch-abstrakt anmutende Text umfasst 16 handgeschriebene Seiten und ist unvollendet,[10] Er ist die einzig bekannte Schilderung der Geschehnisse in Angermund während der Besetzung und deshalb für die Ortsgeschichte von herausragender Bedeutung.[11] Zugleich wird darin auch Hahns Neigung zu eigenem kreativen Scheiben erkennbar.
Rückkehr nach Berlin
Nachdem Franz und Beate Hahn Ende 1927 nach Berlin zurückgekehrt waren, wohnte die Familie in einer Villa in Steinstücken, einer Ortslage in Berlin-Wannsee. Franz Hahn, der nach Studienaufenthalten in den USA mit seinen Erkenntnissen zur Analyse und Optimierung von Arbeitsabläufen im In - und Ausland auf großes Interesse stieß, brachte von einer seiner zahlreichen Reisen seinen Töchtern aus Rumänien handbestickte Trachtenblusen mit. Cornelia und Charlotte tragen diese auf einem Doppelportrait, das die Malerin Sabine Lepsius im Sommer 1932 von ihnen in der Villa in Steinstücken malte. Das Gemälde zeigt im Hintergrund das Kakteenfenster im Wintergarten des Hauses in Steinstücken und den Blick in den Garten. Die Originalblusen der Töchter und das Gemälde befinden sich heute im Jüdischen Museum Berlin. Im Januar 1933 kam Franz Hahn bei einem Ski-Unfall in den Schweizer Alpen ums Leben. Nach dem Tod ihres Mannes begann Beate wieder mit dem Schreiben und der gartenkundlichen Erziehung von Kindern. Sie schrieb erste Bücher und entwickelte Spiele, mit denen sie Kinder und Erwachsene für das Thema Gartenbau begeisterte.[12] Doch bald wurden ihr die Veröffentlichungen wegen ihrer jüdischen Herkunft verboten. Sie sah sich ständig zunehmenden Repressalien ausgesetzt.
Flucht vor dem Nationalsozialismus
Beate und ihr Mann hatten vor dessen Tod beschlossen, wegen des aufkommenden Nationalsozialismus in die USA auszuwandern. Durch Franz Hahns Tod noch vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten geriet die Auswanderungsidee zunächst ins Stocken.[13] Hatte Beate Hahn in den ersten Jahren der NS-Zeit noch versucht, mit ihren Kindern so normal wie möglich zu leben, floh sie kurz nach der Reichskristallnacht mit den Töchtern Cornelia und Charlotte in die USA. Dabei halfen ihr vor allem ihre Schwäger Kurt und Rudolf Hahn, die 1933 bzw. 1938 vor den Nazis nach England geflohen waren.[14] Bei ihrer Flucht musste Beate Hahn ihre behinderte Tochter Marianne, die in einer Einrichtung des Anthroposophischen Institut Lauenstein im nordhessischen Altefeld untergebracht war, zurücklassen. Im Februar 1939 kamen Beate, Charlotte und Cornelia Hahn auf der SS Queen Mary in New York an.[15] Marianne starb am 3. März 1939 in Altefeld.[16] Dass Mariannes Schicksal später von Beate und deren beiden anderen Töchtern nicht mehr erwähnt wurde, könnte durchaus Ausdruck eines Traumas sein. Aus den vorhandenen Quellen kann niemand ermessen, unter welchen dramatischen Umständen die Flucht in die USA ein knappes halbes Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkriegs stattgefunden haben muss.[17]
Leben in den USA
Nach ihrer Ankunft in New York lebten Beate, Cornelia und Charlotte zunächst in Westchester County, NY, doch dann erwarb Beate Hahn in Wolfeboro, New Hampshire, 200 Acres Ackerland, das einst zur Farm von Governor John Wentworth (1737–1820) gehört hatte. Sie spezialisierte sich mit ihrem Gartenbaubetrieb auf biologisch-dynamischen Gemüsebau, der auf den Ideen Rudolf Steiners beruht. Sie veranstaltete Sommer Camps für Kinder, schrieb Artikel über und engagierte sich ehrenamtlich. Nachdem ihre Töchter geheiratet hatten, verließ Hahn von 1951 bis 1960 in den Wintermonaten ihr Haus in Wolfeboro und lebte vorwiegend im Hotel "Europäischer Hof" in Baden-Baden. Von dort aus unternahm sie zahlreiche Vortragsreisen nach England, Schottland, Frankreich Holland, Italien, Griechenland und Israel. Beate Hahn starb nach schwerer Krankheit am 9. Juni 1970 in Tarrytown.
Gartenpädagogin
Beate Hahn gehörte zu den Ersten, die im 20. Jahrhundert die Bedeutung von Gärten in der Kindererziehung anerkannten. Sie beschäftigte sich früh mit Friedrich Fröbel und dessen pädagogischen Konzepten zur frühkindlichen Förderung, insbesondere mit seiner Kindergarten-Idee beschäftigt. Als junge Frau schuf sie den Jugendgarten für die Arbeiter der Hahnschen Werke in Großenbaum. Schon vor der Auswanderung schrieb Hahn gartenpädagogische Bücher und entwickelte Spiele, die in Deutschland und der Schweiz verlegt wurden. Ab 1951 konnte sie an ihre erfolgreiche Autorentätigkeit während der Vorkriegszeit anknüpfen. Neuerscheinungen und Neuauflagen erschienen weiterhin im Verlag von Max Rascher, mit dem sie bereits vor der Emigration zusammengearbeitet hatte. Auf ihren zahlreichen Reisen durch Europa machte Hahn ihre gartenpädagogischen Ideen bei Vorlesungen, durch Teilnahme an Tagungen und durch Rundfunkvorträge international bekannt.
Weltanschauung
Beate Hahns Eltern waren assimilierte Juden, die der gehobenen Berliner Gesellschaft angehörten. In ihrem großbürgerlichen Elternhaus begegnete Beate schon als Kind Wissenschaftlern und Künstlern. Die Eltern legten großen Wert auf eine gute Ausbildung ihrer Töchter Elisabeth und Beate, die zudem die Chance erhielten, Begabungen zu nutzen und persönliche Neigungen zu verwirklichen. Dieses elterliche Erziehungsideal war prägend für Beates Persönlichkeit. In der Erinnerung ihrer Enkel war Beate aufgeschlossen, wissbegierig, tolerant, mutig, engagiert, beharrlich und dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Großmutter habe auch in widrigsten Lebenssituationen stets versucht, positive Veränderungen zu bewirken.
Wenngleich Beate Hahn durch Fröbel und Steiner beeinflusst war, vertrat sie keine besonderen philosophischen oder religiösen Ansichten. Ihre Lebensmaxime lautete Education is everything.
Veröffentlichungen (eine Auswahl)
Aufsätze (ab 1918)
Gemüseanbau im Treibhaus (1918)
Brauchen wir eine Hochschule für Gartenbau? (1918)
Wie man Kinder für den Garten begeistern kann. (1920)
Die Geschichte der Barbara Klink (Typoskript einer Novelle, 1937)[20]
unbetitelte Erinnerungen an das Haus Bergstraße 2 in Berlin-Wannsee.[21]
Bücher (ab 1935)Bücher (ab 1935)
Hurra, wir säen und ernten! Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1935.
Die Gartenfibel für Kinder und Mütter. Verlag Max Rascher, Zürich 1935.
Der Kindergarten, ein Garten der Kinder – ein Gartenbuch für Eltern, Kindergärtnerinnen und Alle, die Kinder liebhaben. Verlag Max Rascher, Zürich 1936.
Hurra, wir säen und ernten! Verlag Max Rascher, Zürich 1939.
Die Gartenfibel für Kinder, Eltern und Großeltern. Ein ermunternder Führer durch die 12 Monate des Gärtnerjahres im Freiland, in der Zimmer- und Balkongärtnerei und ein Wegbereiter für spätere Abenteuer in der Gartenwelt. Verlag Max Rascher, Zürich 1948. 2. Auflage I., 1.–4. Tsd. der Schweizer Ausgabe
Dein Garten wächst mit dir. Verlag Otto Maier, Ravensburg 1952.
Gärten für die Jugend mit der Jugend. Ein Handbuch für Erzieher und Lehrer zur Neugestaltung des Gartenbauunterrichts in Kindergärten und Schulen. Verlag Max Rascher, Zürich 1960.
1953 Aufnahme in das Lexikon der Frau, 2 Bände Encyclios-Verlag Zürich 1953 und 1954.
1960 Aufnahme in die American Horticultural Society in "Anerkennung ihres aktiven Interesses am Fortschritt des Gartenbaus und seinen Beiträgen zur Kultur der Völker der Welt durch Wachstum, Entwicklung und Verbreitung der Kenntnisse der Gartenbauwissenschaften".
1962 Auszeichnung durch die Vereinigung der New Hampshire Garden Club für ihre herausragende Ausbildungs- und Erziehungsarbeit.
1962 Verleihung "Hortic White Ribbon Award" des US National Council of Garden Clubs.
2024 wurde eine Straße in einem Neubaugebiet in Berlin-Pankow nach Beate Hahn benannt.[24]
Christian F. Seidler: Die französische Besetzung der Bürgermeisterei Angermund im Jahr 1923. In: Düsseldorfer Jahrbuch Bd. 94, Herausgeber: Düsseldorfer Geschichtsverein, Klartext Verlag, Essen.
Horst A. Wessel, Die Hahnschen Werke in Duisburg - Zur Geschichte eines „arisierten“ Unternehmens. In: Jan Pieter Barbian (Hrsg.): Zeitalter der Aufklärung bis in die Gegenwart. Klartext Verlag Essen 1999, S. 441–461.
↑ Monique Humbert: Beate Hahn - Ein Leben für Gärten. Ausschnitt eines undatierten Artikels in der Weltwoche, Zürich ca. 1959, im Nachlass von Beate Hahn.
↑ Beate Hahn: Vorrede in Kindergarten - Ein Garten der Kinder, 1936.
↑ Beate Hahn in ihrem 1969 oder 1970 selbst verfassten maschinenschriftlichen Lebenslauf.Original im Archiv der Gartenbaubiblothek e.V.
↑ Beate Hahn, Handschrift, 1930. Original im Archiv der Deutschen Gartenbaubiblothek e.V.
↑ Beate Hahn, Writings 1937-1938. 56 leaves, Box 56, Folder 7. In: Elisabeth Jastrow Papers, 1870-1971. Research Library, The Getty Research Institute, Accession No. 920062.
↑ dto. (Hier lebten Beate Hahn und ihre Töchter bis zur Flucht 1938. Das Haus in der Colonie Alsen am linken Wannseeufer hatte einst Beates Schwiegereltern Oskar Hahn (1860-1907) und Charlotte Hahn geb. Landau (1865-1934) gehört.)