Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zur deutschen Schauspielerin, Sängerin, Musicaldarstellerin und Theaterautorin siehe Barbara Köhler (Schauspielerin).
Barbara Köhler wuchs im sächsischen Penig auf und besuchte in Plauen die Erweiterte Oberschule, an der sie auch ihr Abitur ablegte. Danach machte sie eine Ausbildung zur Facharbeiterin für textile Flächenherstellung, arbeitete dann in Karl-Marx-Stadt als Altenpflegerin und unter anderem als Beleuchterin am dortigen Theater. Zwischen 1985 und 1988 absolvierte Barbara Köhler ein Studium am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“. Zu dieser Zeit wohnte sie im Karl-Marx-Städter Stadtteil Kaßberg. Erste Werke Köhlers erschienen in Zeitschriften; zwei Jahre war sie am Bezirksliteraturzentrum Karl-Marx-Stadt wissenschaftlich tätig.
Nach der Wiedervereinigung begann Köhler ihre freie Autorschaft. Sie veröffentlichte 1991 ihren ersten Gedichtband Deutsches Roulette, es folgten Buchpublikationen in verschiedenen Verlagen, sie schrieb für Zeitungen und verfasste Essays sowie Katalogbeiträge zur bildenden Kunst.[2] Von 1994 bis zu ihrem Tod lebte Köhler in Duisburg.[3][4]
Barbara Köhler starb Anfang 2021 nach langer Krankheit im Alter von 61 Jahren.[7][8]
Positionen
Die formal unterschiedlichen Gedichte Köhlers lassen das Ich im sprachlichen Raum als übergeordnetes Thema erkennen. Seit 1996 erzeugte die Autorin auch Textinstallationen, beispielsweise im November 1997 die Ausstellung words for windows 2 im Landtag Nordrhein-Westfalen.
In Köhlers literarischem Ansatz könnte die Aufforderung Machen Sie Unterschiede auf ihrem Plakat SPRACHSPIEL als ein Motto gelesen werden. Ein zentrales Anliegen ihres Werkes ist es, weibliche Perspektiven – und ihr Verschwinden – in Denken und Grammatik sichtbar zu machen. So ist in ihrem Gedichtband Niemands Frau (2007) die Rede von Lücken, in denen Frauen verschwanden. Dieser Band schreibt die altgriechische Odyssee neu und stellt dabei auch die überlieferten Haltungen der weiblichen Figuren in Frage. Köhler, so Mirjam Bitter, ging es immer auch um Körper und nicht allein um Sprachspiele: Textur als Gewebefaserung und -struktur werde etwa in „NACHTSTÜCK: ARRHYTHMIE“ mit dem Körpergewebe Haut in Verbindung gebracht.[9]
In der Laudatio des Peter-Huchel-Preises wurde Barbara Köhler attestiert, dass sie ein „raffiniertes Netz von Sprachbildern und Bildsprache“ erschaffe, das „ganz selbstverständlich im Alltag auch die Wucht des Politischen“ einfange.[10]
Zitat
„Poesie ist vielleicht das Allerfeinste im Gespinst der Künste. Nichts wird leichter überhört, nichts verweht schneller. Und doch bleibt kaum etwas so lange im Sinn wie ein gelungenes Gedicht, das Schlaglicht einer lyrischen Wahrheit.“
– Nachruf: Der Spiegel, Nr. 3 vom 16. Januar 2021, S. 125.
Veröffentlichungen
Lyrik
Deutsches Roulette. Gedichte 1984–1989. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991.[11]
Blue Box. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995.
In Front der See. 1995.
cor responde. pict•im, Duisburg/Berlin 1998, mit Fotos von Ueli Michel, ISBN 3-932256-01-8
36 Ansichten des Berges Gorwetsch. Dörlemann, Zürich 2013.[12]
Istanbul, zusehends. Gedichte, Lichtbilder (Schriftenreihe der Kunststiftung NRW, Bd. 6). Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2015, ISBN 978-3-940357-48-9.
Neufundland. Schriften, teils bestimmt. Edition Korrespondenzen, Wien 2012.
42 Ansichten zu Warten auf den Fluss, Edition Korrespondenzen, Wien 2017, ISBN 978-3-902951-28-1. (44 Neunzeiler, entstanden im Sommer 2016 in Castrop-Rauxel auf der bewohnbaren Skulptur Warten auf den Fluss [namens Emscher] der Rotterdamer Künstlergruppe Observatorium)
Georgina Paul, Helmut Schmitz (Hrsg.): Entgegenkommen – dialogues with Barbara Köhler. Rodopi, Amsterdam und Atlanta 2000. ISBN 90-420-1382-6 (Inhaltsverzeichnis pdf)
Mirjam Bitter: Sprache, Macht, Geschlecht. Lyrik und Essayistik von Barbara Köhler. Trafo Verlag, Berlin 2007. ISBN 978-3-89626-412-1
Johann Reißer: Archäologie und Sampling – Die Neuordnung der Lyrik bei Rolf Dieter Brinkmann, Thomas Kling und Barbara Köhler. Kadmos, Berlin 2014. ISBN 978-3-86599-222-2.
Anne-Kathrin Reulecke/Johanna Zeisberg (Hrsg.), Mit den Toten sprechen. Jenseitsnarrative in Literatur und Kunst der Gegenwart. Köln 2021. S. 117–135.
↑Sandra Kegel: Ver-Dichtung an Hauswänden: Fassaden und Schwindel. In: FAZ.NET. ISSN0174-4909 (faz.net [abgerufen am 6. Mai 2021]).
↑Annett Gröschner zum Tod der Lyrikerin Barbara Köhler: Über das Herstellen von Textflächen. Deutschlandfunk Kultur, 11. Januar 2021, abgerufen am 12. Januar 2021.
↑Angela Gutzeit mit Michael Braun im Gespräch: Zum Tod der Lyrikerin Barbara Köhler. In: Büchermarkt. Deutschlandfunk Kultur, 11. Januar 2021, abgerufen am 12. Januar 2021.
↑Mirjam Bitter: Transpositionen von Text, Textil und Textur. Barbara Köhlers und Rosi Braidottis Entwürfe beweglicher, aber nicht haltloser Subjektivitäten. In: An Odyssey for our time. Barbara Köhler’s Niemands Frau. Hrsg. Georgina Paul. Rodopi, Amsterdam 2013, S. 117–138, S. 121. (Bitter liest Köhlers Lyrik Niemands Frau parallel mit Braidottis philosophischem Text Transpositions. On Nomadic Ethics, Polity Press, Cambridge, 2006, repr. 2012, ISBN 978-0-7456-3595-8. Inhaltsverzeichnis)