Bahnstrecke Noyelles-sur-Mer–Cayeux-sur-Mer
Die Bahnstrecke Noyelles-sur-Mer–Cayeux-sur-Mer verbindet die Orte Noyelles-sur-Mer und Cayeux-sur-Mer im französischen Département Somme. Seit 1973 wird sie vom Verein Chemin de Fer de la Baie de Somme (CFBS) in Form einer Museumseisenbahn betrieben. Geschichte und BeschreibungNoyelles-sur-Mer erhielt 1847 an der Bahnverbindung von Paris nach Boulogne-sur-Mer (heutige Bahnstrecke Longueau–Boulogne-Ville) einen Bahnhof. Die Compagnie du chemin de fer d’Amiens à Boulogne, die die Strecke eröffnet hatte, ging 1852 in der Compagnie des chemins de fer du Nord (NORD) auf. Am 5. Juni 1858 eröffnete die NORD eine normalspurige, 5,6 km lange Zweigstrecke von Noyelles zum Bahnhof Saint-Valery-sur-Somme (jetzt Betriebsstelle Saint-Valery-Canal). Er wurde auf einem Damm am Canal de la Somme angelegt und beherbergt heute das Betriebswerk der Museumsbahn. Die Sumpflandschaft der Somme-Mündung und den Fluss Dien querte die Bahn auf einem 1367 m langen hölzernen Gerüstpfeilerviadukt, der 1911 durch einen Deich ersetzt wurde. 1859 wurde ihre Verlängerung zum Hafen (Bahnhof Saint-Valery-Port) genehmigt. Über eine Drehbrücke verlief das Gleis weiter bis zum neuen Endpunkt, wegen einer Kurve mit einem Radius von nur 50 m wurde dieser Endabschnitt bis 1885 als Pferdeeisenbahn betrieben. Im Anschluss an sämtliche Züge der Relation Paris–Boulogne gab es einen bedeutenden Personenverkehr zwischen Noyelles und Saint-Valery.[1] Nach dem Beschluss des Départements Somme, ergänzend zu den Strecken der NORD ein Netz aus Lokalbahnen zu realisieren, erfolgte am 17. Januar 1885 die Erklärung dessen Gemeinnützigkeit. Von Noyelles aus wurden aus Kostengründen zwei schmalspurige Strecken gebaut, deren Betrieb der Société générale des chemins de fer économiques (SE) übertragen wurde. Eine davon führte nach Le Crotoy am Nordufer der Mündung der Somme in den Ärmelkanal, die andere am Südufer dieser breiten Trichtermündung nach Saint-Valery. Im zweiten Fall wurde das Meterspurgleis innerhalb des vorhandenen Normalspurgleises verlegt, wodurch ein Vierschienengleis entstand. Der Normalspurbetrieb von Noyelles zum Hafen Saint-Valery ging von der NORD an die SE über. 1892 kam eine weitere Strecke von Noyelles nach Forest-l’Abbaye hinzu, die nördlich des Bahnhofs die Gleise der NORD auf einer Brücke überquerte.[1] Deren Personenverkehr endete 1951, im Zuckerrübenverkehr wurde sie bis 1965 betrieben. Das Lastenheft sah vor, dass ein minimaler Radius von 100 m nicht unterschritten werden durfte und Rampen nicht steiler als 20 ‰ sein sollten. Als Gewicht der Schienen wurde ein Wert von 15 kg/m festgelegt; um erhöhten Unterhaltsaufwand zu vermeiden, verlegte die SE aber Schienen von 20 kg/m.[1] Kurz vor dem Hafen Saint-Valery zweigt die Meterspur aus dem Vierschienengleis aus. Dort wurde der Bahnhof Saint-Valery-Ville angelegt, von dem aus am 6. September 1887 die Strecke bis Cayeux-sur-Mer verlängert wurde. Neben dem Personenverkehr für Einheimische und Feriengäste diente die Bahn dem Gütertransport, vor allem von Kies und Muscheln. Für die Abfuhr von aus Kies gewonnenem Siliciumdioxid gab es in Cayeux einen Gleisanschluss zum Werk der Société Silmer, bis 1965 existierte ein weiterer in Lanchères zu einer Zuckerrübenreiberei. Im Ersten Weltkrieg war Saint-Valery ein wichtiger Hafen für die britische Armee. Da die Bahnhöfe von Amiens und Longueau unter starkem Beschuss deutscher Geschütze standen, wurde im Frühjahr 1918 am Ortseingang von Saint-Valery ein normalspuriger Abzweig zur Bahnstrecke Beauvais–Le Tréport gebaut. Diese Strecke, die innerhalb von 100 Tagen[Anm. 1] fertiggestellt werden sollte, ging im August jenes Jahres in Betrieb. Aufgrund des veränderten Frontverlaufs wurde sie aber kaum genutzt und 1919 wieder abgebaut.[1] Während der Deutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg transportierte die Bahn Material für den Bau des Atlantikwalls. Es wurde in normalspurigen Güterwagen bis zum Hafen Saint-Valery gebracht und dort in schmalspurige der SE umgeladen. Die Organisation Todt ließ auf der Straße von Lanchères nach Ault ein Gleis verlegen und setzte auch Lokomotiven anderer Netze auf der Strecke ein. Im Mai 1944 zerstörte ein Feuer im Betriebswerk Saint-Valery zwei Triebwagen und eine Lokomotive. Am 1. September 1944 sprengten die Deutschen die Drehbrücke über den Kanal, die auch von Kraftfahrzeugen genutzt wurde, nachdem die daneben liegende Klappbrücke der Straße bereits 1940 zerstört worden war. Bis 1947 wurden das Betriebswerk und die Brücke wiederhergestellt.[1] In den 1950er Jahren wurde das Streckengleis erneuert, wobei schwerere Schienen verwendet wurden. Anfang der 1960er Jahre wurde die Société générale de chemins de fer et de transports automobiles (CFTA) Betreiber der Bahn. Am 31. Dezember 1972 endete der reguläre Verkehr auf der Strecke. Sie wurde von der Museumseisenbahn CFBS übernommen, die zu diesem Zeitpunkt bereits musealen Verkehr auf der Strecke von Noyelles nach Le Crotoy betrieb. Eine mit der SNCF getroffene Vereinbarung sah vor, dass jene den regelspurigen Betrieb zum Hafen Saint-Valery durchführte. Am 6. Februar 1989 endete der Güterverkehr.[1] FahrzeugeDie SE beschaffte für die Strecke meterspurige Tenderlokomotiven mit der Achsfolge C1, die in den Werkstätten der NORD im Pariser Stadtteil La Chapelle bzw. bei der Société Alsacienne de Constructions Mécaniques (SACM) in Belfort entstanden. Die Loks mit den Nummern 3519 bis 3523 waren mit Zug- und Stoßeinrichtungen für beide Systeme ausgestattet, um auch normalspurige Wagen ziehen zu können, und wiesen daher zusätzlich zu den Mittelpuffern seitliche Puffer auf. Stationiert waren sie im Betriebswerk Saint-Valery, für große Revisionen wurden sie auf Wagen der NORD zu den Werkstätten der SE nach Albert gebracht.[1] Die lackierten Wagenkästen der Reisezugwagen ruhten auf Drehgestellen, der Zugang erfolgte über die beiderseitigen Plattformen. Es gab reine Dritte-Klasse-Wagen und solche mit allen drei Wagenklassen und zusätzlichem Gepäckabteil. Hinzu kamen Packwagen sowie geschlossene, offene und flache Güterwagen, von denen einige ein Bremserhaus hatten.[1] Während ab 1932 bereits zahlreiche Sekundärbahnen stillgelegt wurden, setzte das Departement Somme in der Zwischenkriegszeit auf einen Ausbau der Eisenbahn-Infrastruktur. 1936 wurden einfache Triebwagen der Firma De Dion-Bouton mit 85 PS leistenden Motoren angeschafft. Die zweiachsigen Fahrzeuge mit nur einem Führerstand wurden am Fahrtende gedreht; sie legten die Strecke zwischen Noyelles und Cayeux in 27 Minuten zurück.[1] 1940 kam ein komfortablerer, vierachsiger Drehgestell-Triebwagen hinzu, der 1958 bei einem Brand in Cayeux zerstört wurde. In den Jahren 1957 und 1959 wurden gebrauchte Triebwagen von anderen Netzen beschafft. Ebenfalls aus zweiter Hand kamen 1957 und 1960 kleine Diesellokomotiven, die die bis zu 70 Jahre alten Dampfloks ersetzten. Im Herbst 1957 fuhren letztmals Dampflokomotiven, normalspurige Wagen wurden fortan mit Hilfe eines Pufferwagens befördert.[1] Stationen
GerüstpfeilerviaduktDas 1367 m lange Gerüstpfeilerviadukt wurde bei Hochwasser und gleichzeitigen starken Nordwestwinden überschwemmt. Dann mussten die Reisenden aussteigen und zu Fuß durch das Wasser zum anderen Ende der Brücke laufen, worauf der Zug ihnen leer dorthin folgte. Anfang des 20. Jahrhunderts wies das Bauwerk bereits beträchtliche Verfallserscheinungen auf. Im Jahr 1907 wurde beschlossen, die Brücke abzureißen und durch einen Damm zu ersetzen, der 1911 vollendet wurde.[1] MuseumseisenbahnDer Verein Chemin de Fer de la Baie de Somme (CFBS) ist seit 1973 Betreiber der Strecke. Die heute dort eingesetzten Fahrzeuge stammen aus verschiedenen, überwiegend französischen Netzen und Betrieben. Auch fremde Fahrzeuge sind gelegentlich zu Gast, so im Jahr 2016 die 99 6001 der Harzer Schmalspurbahnen.[3]
Anmerkungen
WeblinksEinzelnachweise
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