Das unter dem Namen Arnolfini-Hochzeit bekannte Doppelporträt des flämischen Malers Jan van Eyck entstand 1434. Das signierte und datierte Tafelbild zeigt möglicherweise ein Mitglied der im 15. Jahrhundert in Brügge tätigen Kaufmannsfamilie Arnolfini und seine Gattin oder, so eine andere Annahme, Jan und Margarete van Eyck. Das Gemälde befindet sich heute in der National Gallery in London.
Bei dem Bild handelt es sich um das Doppelporträt eines Ehepaars. Das prächtig gekleidete Paar steht in einem mit einem Bett, einer Sitzbank, einem prächtigen Leuchter und einem runden Wandspiegel ausgestatteten und durch das große Fenster auf der linken Bildseite erhellten Zimmer. Der Mann und die Frau haben ihre Hände ineinander gelegt; seine Rechte ist erhoben, die linke Hand der Frau liegt auf ihrem stark gewölbten Bauch. Zu ihren Füßen befindet sich ein kleiner Hund, vermutlich ein Vorläufer eines Brüsseler Griffons. In dem vom Passionsszenen gerahmten Spiegel erkennt man zwei weitere Personen in einer Türöffnung; links neben dem Spiegel hängt ein Rosenkranz. Am Deckenleuchter brennt nur eine Kerze an der Seite des Mannes.
Personen
Weder die Dargestellten noch die Auftraggeber des Bildes sind sicher zu identifizieren. In einem Inventar der Margarete von Österreich 1523/1524 ist es als „Großes Tafelbild, Hernoult le Fin mit seiner Frau in einem Zimmer“ verzeichnet.[1] Seit der Interpretation des Namens „Hernoult le Fin“ bzw. „Arnoult le Fin“ in einem zweiten Inventar (früher gelegentlich durch einen Transkriptionsfehler[2] als „le Sin“ angegeben)[1] als französisierte Form des italienischen Namens „Arnolfini“ durch die Kunsthistoriker Joseph Archer Crowe und Giovanni Battista Cavalcaselle (1857)[3] wurde von der kunstwissenschaftlichen Forschung eine mögliche Identifizierung mit Giovanni di Arrigo Arnolfini, dessen Bruder Michele bzw. beider Cousin Giovanni di Nicolao Arnolfini[4][5] diskutiert. Die Arnolfini waren eine große Kaufmanns- und Bankiersfamilie, die im 15. Jahrhundert in Brügge ansässig waren.
In der Forschung wird seit dem 19. Jahrhundert auch die These vertreten, dass es sich um ein Selbstbildnis des Malers mit seiner Ehefrau Margarete van Eyck handeln könnte;[6][7] einen Überblick hierzu bietet Anna Simon.[8] Die unter anderem auf die Signatur und die Darstellung einer geschnitzten Holzstatuette der heiligen Margaretha neben dem Kopf der Frau gestützte Überlegung wurde auch in jüngerer Zeit wieder aufgegriffen.[9] Die Signatur des Malers befindet sich über dem Spiegel. Statt der auf anderen seiner Bilder verwendeten Formulierung Johannes de Eyck fecit („Jan van Eyck hat [es] gemacht“) ist hier Johannes de Eyck fuit hic 1434 („Jan van Eyck ist hier gewesen 1434“) zu lesen.
Die Meinung, hier sei eine Hochzeit oder eine Verlobung[10] dargestellt, gilt seit den Forschungen des britischen Kunsthistorikers Lorne Campbell (1998) als widerlegt.[4]
Jean-Baptist Bedaux: The Reality of Symbols. The Question of Disguised Symbolism in Jan van Eyck’s Arnolfini Portrait. In: Simiolus 16 (1986), S. 5–28.
Linda Seidel: Jan van Eyck’s Arnolfini Portrait. Business as Usual? In: Critical Inquiry 16 (1989), Nr. 1, S. 54–86.
Craig Harbison: Sexuality and Social Standing in Jan van Eyck’s Arnolfini Portrait. In: Renaissance Quarterly 43 (1990), Nr. 2, S. 249–291.
Margaret D. Carroll: „In the Name of God and Profit“. Jan van Eyck’s Arnolfini Portrait. In: Representations 44 (1993), S. 96–132.
Edwin Hall: The Arnolfini Betrothal. Medieval Marriage and the Enigma of van Eyck’s Double Portrait. University of California Press, Berkeley, Los Angeles 1994.
Yvonne Yiu: Jan van Eyck. Das Arnolfini-Doppelbildnis. Reflexionen über die Malerei. Stroemfeld, Frankfurt am Main/Basel 2001, ISBN 3-86109-151-8. (siehe hierzu auch die Rezension von Stephan Kemperdinck, sehepunkte, 2/6, 2002.)
Jean-Philippe Postel: Der Fall Arnolfini – Auf Spurensuche in einem Gemälde von Jan van Eyck. Oktaven 1. Auflage 2017, ISBN 978-3-7725-3003-6 (siehe hierzu auch die Rezension von Anna Simon, Journal für Kunstgeschichte 22/2, 2018, S. 148–156)
Neu ausgestelltes Gemälde von Van Eyck in der National-Gallerie zu London. In: Illustrirte Zeitung. Nr.15. J. J. Weber, Leipzig 7. Oktober 1843, S.233 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
↑ abMartin Davies: The National Gallery London. In: Les primitifs Flamands: I, Corpus de la peinture des anciens Pays-Bas méridionaux au quinzième siècle. Band3,2. Brüssel 1954, S.125–126.
↑Pierre-Michel Bertrand: Le portrait de Van Eyck. Hermann, Paris 1997, ISBN 2-7056-6340-1, S.20, Anm. 62.
↑Joseph Archer Crowe, Giovanni Battista Cavalcaselle: The Early Flemish Painters. Notices of their lives and works. Murray, London 1857, S.62–63.
↑ abLorne Campbell: NG 186: Portrait of Giovanni Arnolfini. In: Lorne Campbell (Hrsg.): The fifteenth century Netherlandish schools. National Gallery catalogues. National Gallery Publ., London 1998, ISBN 1-85709-171-X, S.174–211, hier insbes. S. 192ff.
↑Margaret L. Koster: The „Arnolfini double portrait“. A simple solution. In: Apollo. Nr.158, 2003, S.3–14.
↑Charles Lock Eastlake: Methods and materials of painting of the great schools and masters (1847). Band1. Dover Publ., New York 1960, ISBN 0-486-20718-8, S.185.
↑Léon de Laborde: La Renaissance des Arts à la cour de France. Études sur le seizième Siècle. Band1. Paris 1855, S.60–64.
↑Anna Simon: Rezension von: Jean-Philippe Postel, Der Fall Arnolfini : auf Spurensuche in einem Gemälde von Jan van Eyck, Stuttgart, Oktaven, 2017. In: Journal für Kunstgeschichte. Nr.22/2, 2018, S.148–156, hier S. 152–153.
↑Edwin Hall: The Arnolfini betrothal. Medieval marriage and the enigma of Van Eyck’s double portrait. University of California Press, Berkeley 1994, ISBN 0-520-08251-6.