Antonius’ Partherfeldzug

Partherfeldzug des Marcus Antonius

Datum 36 v. Chr.
Ort Atropatene
Ausgang Rückzug der Truppen des Antonius
Folgen status quo ante bellum
Friedensschluss 20 v. Chr.
Konfliktparteien

Römisches Reich
Armenien
Galatien
Kappadokien
Pontos

Partherreich
Atropatene

Befehlshaber

Marcus Antonius
Oppius Statianus (†)
Artavasdes II. von Armenien
Polemon I. von Pontos

Phraates IV.
Artavasdes II. von Atropatene
Monaises

Truppenstärke

ca. 100.000 Mann

  • 12–16 Legionen (60.000 Mann)
  • 10.000 Mann iberische und keltische Kavallerie
  • 6.000 armenische Panzerreiter, 7.000 armenische Infanteristen
  • 23.000–24.000 Auxiliartruppen

ca. 24.000 Mann

Verluste

ca. 32.000 Mann

gering

Antonius’ Partherfeldzug war eine 36 v. Chr. von dem römischen Triumvirn Marcus Antonius unternommene erfolglose Militärexpedition gegen das von König Phraates IV. regierte Partherreich.

Mit militärischer Unterstützung mehrerer Klientelreiche, darunter Armenien, stellte Antonius eine starke Streitmacht von ungefähr 100.000 Soldaten zusammen und zog mit ihr an den Euphrat. Relativ spät, etwa im Sommer 36 v. Chr., eröffnete er den Feldzug. Er fiel nicht direkt ins Partherreich ein, sondern zog auf einem für seinen Kriegsgegner überraschenden Umweg gegen das mit Phraates IV. verbündete und von Truppen entblößte Media Atropatene. Nach dessen Eroberung hätte er das Partherreich von Norden her bedrohen können. In Media Atropatene stieß er rasch mit dem Großteil der Truppen gegen die Königsresidenz Phraaspa vor und belagerte sie; die Belagerungsmaschinen ließ er nachführen. Phraates IV. und sein Verbündeter, König Artavasdes von Media Atropatene, standen unterdessen mit ihren Truppen in Nord-Mesopotamien, wo sie den Vorstoß des Antonius erwartet hatten. Doch gelang ihnen ein schneller Vormarsch nach Phraaspa und die Vernichtung des römischen Trosses mit dem Belagerungsgerät, bevor dieser Antonius erreichte. Der Triumvir konnte ohne dieses Gerät Phraaspa nicht erobern und musste, ohne ins Partherreich selbst vorgedrungen zu sein, nach Armenien zurückkehren. Auf dem beschwerlichen Rückweg verlor er durch parthische Angriffe und Seuchen zahlreiche Männer.

Quellen und ihre Tendenzen

Mehrere bald nach Antonius’ Partherfeldzug entstandene historische Werke, in denen er behandelt war, sind verloren. So stellte Quintus Dellius dieses militärische Unternehmen, an dem er als Legat des Antonius selbst teilgenommen hatte, in einem Geschichtswerk dar.[1] Vom Bericht des Titus Livius im 130. Buch seiner römischen Geschichte ist nur eine sehr kurze Zusammenfassung überliefert.[2] Die ausführlichsten erhaltenen Darstellungen finden sich in der vom im frühen 2. Jahrhundert n. Chr. schreibenden Gelehrten Plutarch verfassten Biographie des Antonius und im Geschichtswerk des im frühen 3. Jahrhundert n. Chr. schreibenden Historikers Cassius Dio.[3] Daneben existieren zahlreiche kürzere Berichte, darunter im geographischen Werk des Strabon[4] und in der Sammlung von Kriegslisten des Sextus Iulius Frontinus.[5]

Die erhaltenen Quellen stimmen zwar in den wichtigsten Kernpunkten über den Ablauf des Feldzugs überein, weichen aber in zahlreichen Details voneinander ab und gehen daher höchstwahrscheinlich nicht auf eine einzige Primärquelle, etwa die Darstellung des Dellius, sondern mehrere frühere Gewährsmänner zurück. Im Einzelnen ist nicht feststellbar, welche konkreten Gewährsmänner in den erhaltenen Berichten herangezogen wurden. Abweichungen der Quellen gibt es bereits bezüglich der Zahl der Legionen, die Antonius am Beginn des Feldzugs zur Verfügung standen, sowie bezüglich der Höhe von deren Verlusten während des Kriegsverlaufs.[6] Ferner differieren Plutarch und Cassius Dio darin, ob die Römer auf dem Rückzug die Taktik der Schildkrötenformation zur Abwehr parthischer Angriff nur einmal oder mehrfach anwandten.[7] Während Plutarch hervorhebt, dass die römischen Truppen während des Rückzugs loyal zu Antonius gestanden hätten, behaupten Cassius Dio und insbesondere Orosius, dass viele Soldaten desertiert seien.[8] In Plutarchs Bericht finden sich Hinweise, dass er mehrere, einander in manchen Aspekten widersprechende Quellen benutzte. So gibt er etwa bezüglich der Ursache von Antonius’ Niederlage an einer Stelle an, dass Antonius seine Siegeschancen deshalb verspielt habe, weil er nicht in Armenien überwinterte und die Parther am Beginn des Folgejahrs – einem geeigneteren Zeitpunkt – angriff, sondern aus Sehnsucht nach Kleopatra mit seinen erschöpften Truppen noch zu später Jahreszeit in den Krieg zog.[9] An anderer Stelle sagt er hingegen, dass der ebenfalls den Namen Artavasdes führende, mit Antonius verbündete ArmenierKönig durch den Abzug mit seiner Reiterei in einem kritischen Moment dem Triumvirn die Möglichkeit zu einem entscheidenden Sieg genommen habe.[10]

In den Berichten über den Partherfeldzug scheinen viele Elemente der von Anhängern Octavians (des späteren Kaisers Augustus) gegen seinen innenpolitischen Hauptkonkurrenten Antonius verbreiteten Propaganda Eingang gefunden zu haben, in geringerem Umfang auch Fragmente von Antonius’ Gegenpropaganda. Beide Triumvirn erkannten die Bedeutung des Misserfolgs des Partherzugs hinsichtlich des Schadens, der Antonius’ Ruf als General dadurch drohte. Im überlieferten Charakterbild des Antonius finden sich etwa stereotype Züge tyrannischen Verhaltens, das dem Triumvirn schon von seinem erbitterten Gegner Cicero vorgeworfen worden war. So sei er bisweilen grausam verfahren und habe sich wegen seines Hanges zu Luxus – ein typischer Charakterzug eines Tyrannen – mit teuren Waren, z. B. goldenen Trinkbechern, auf den Feldzug begeben, was die Disziplin seiner Männer unterminierte. Ferner wird er bisweilen als prahlerischer und ruhmsüchtiger Feldherr dargestellt, der leicht von seinen Vertrauensleuten und Opponenten beeinflussbar und täuschbar gewesen sei. So wird etwa ausgeführt, dass Antonius stark unter dem Einfluss seiner Geliebten Kleopatra gestanden, ihr gegenüber sogar sehr unterwürfig gewesen sei. Laut Plutarch[11] sei er auf dem Rückzug nach Armenien dem Rat des Kriegstribunen Flavius Gallus gefolgt, diesem Kontingente für einen Angriff auf die den Römern folgenden Parther zu überlassen; und diese Attacke habe für die Römer in einem Fiasko geendet. Antonius habe sich auch durch seinen Kriegsgegner Phraates IV. täuschen lassen, indem er dessen Versicherung glaubte, dass er bei einem raschen Abzug von Phraaspa den Rückmarsch unbehelligt von parthischen Angriffen durchführen könne. Zum Konter negativer Propaganda ließ Antonius offenbar seine Sicht des Feldzugs verbreiten. Er gab dem Armenienkönig Artavasdes wegen dessen vorzeitigen Abzug mit den Hilfstruppen eine wesentliche Mitschuld am Misserfolg, wie in mehreren Quellen berichtet wird. In seinem nach Rom übermittelten Kriegsbericht verschleierte er laut Cassius Dio[12] seinen militärischen Fehlschlag, was sich in Plutarchs Schilderung[13] von 18 angeblichen Siegen in kleineren Gefechten gegen die Parther spiegelt. Vor allem in Plutarchs Darstellung findet sich an manchen Stellen das Porträt des Antonius als einen für seine Soldaten sorgenden und ihre Strapazen teilenden Heerführers. Ein solches Bild eines guten Feldherrn dürfte von Antonius’ Freunden entworfen worden sein.[14]

Vorbereitungen

Büste des Triumvirn Marcus Antonius

Antonius legte seinen Feldzug gegen die Parther als Rachekrieg für die Niederlage des römischen Generals Marcus Licinius Crassus gegen sie in der Schlacht bei Carrhae (53 v. Chr.) an. Auch waren die Parther 40 v. Chr. in den Ostteil des Römischen Reichs eingefallen. Ein Sieg über die gefährlichen Romfeinde hätte seinen Ruf als großer Feldherr in der Nachfolge Caesars bestätigt und seine Position gegenüber seinem Rivalen Octavian gestärkt. Nach der erfolgreichen Abwehr des parthischen Einfalls ordnete er im Winter 37/36 v. Chr. zur Vorbereitung des geplanten Feldzugs gegen die Romfeinde eine politische Neuordnung des von ihm verwalteten Ostreichs an. Neben den unter direkter römischer Kontrolle stehenden Provinzialgebieten im westlichen Kleinasien und Nordsyrien setzte er fähige und loyale Klientelherrscher wie Herodes und Polemon ein, deren Gebiete er erweiterte, insbesondere jenes seiner Geliebten, der Ptolemäer-Königin Kleopatra. Diese Klientelherrscher sollten durch effiziente Verwaltung ihrer Territorien Antonius’ erhebliche Geld-, Material- und Truppenforderungen für die Militärexpedition erfüllen können. Gute Voraussetzungen für den Partherfeldzug schienen sich zu ergeben, als damals parthische Adlige vor dem neuen König Phraates IV. zu Antonius flohen, von dem sie die Rückführung in ihre Heimat unter einem neuen Herrscher erhofften. Zu ihnen gehörte vor allem Monaises, den Antonius gut aufnahm, ein Grenzgebiet zum Partherreich unterstellte und angeblich sogar nach einem erfolgreichen Feldzug den parthischen Thron versprach.[15]

In Antonius’ Winterlager fanden sich wohl mehrere Klientelherrscher, jedenfalls Kleopatra und Polemon, ein. Letzterer nahm dann ebenso wie der Armenierkönig Artavasdes persönlich am Feldzug des Triumvirn teil. Nach der Ansicht des Althistorikers Helmut Halfmann habe Antonius nicht das Ziel verfolgt, das Partherreich zu vernichten, sondern Genugtuung für Crassus’ Niederlage etwa durch Rückgabe erbeuteter Legionsadler erreichen und Phraates IV. zum Friedensschluss zwingen wollen, daneben auch einen von ihm abhängigen Klientelkönig in Media Atropatene, einem von Phraates abhängigen parthischen Grenzstaat, zu installieren beabsichtigt.[16] Phraates IV. schien beunruhigt und ließ Monaises ein Rückkehrangebot überbringen, das dieser annahm. Antonius gab Monaises römische Gesandte mit, die mit Phraates IV. Friedensverhandlungen einleiten sollten, worauf der Partherkönig nicht einging. Laut dem antiken Geschichtsschreiber Cassius Dio habe Antonius den Partherkönig durch sein Angebot täuschen und in falscher Sicherheit wiegen wollen.[17] Christoph Schäfer hält hingegen Antonius’ Verhandlungsangebot als eventuell durchaus ernst gemeint.[18]

Bei der strategischen Planung seines Feldzugs versuchte Antonius Lehren aus dem Scheitern des Crassus zu ziehen. Es empfahl sich nicht, wie Crassus bei Zeugma den Euphrat zu überschreiten und in östlicher Richtung direkt durch die nordmesopotamische Ebene ins Zentrum des Partherreichs vorstoßen zu wollen, da das dortige flache Terrain die parthische Reiterei und Bogenschützen begünstigte. Stattdessen plante Antonius, wohl auf den Rat des Armenierkönigs Artavasdes, zuerst Media Atropatene zu besetzen und von dort aus Parthien an dessen Nordgrenze zu bedrohen. Um sicher nach Media Atropatene zu gelangen, musste er zunächst nördlich nach Armenien ziehen, wo er sich Einheimischer als ortskundiger Führer bedienen konnte. Dabei folgte er eventuell einem Plan Caesars für dessen nicht mehr durchgeführte Partherexpedition. Von Zeugma aus beabsichtigte er nordwärts zu marschieren und danach wohl ostwärts auf einer Handelsroute durch Armenien über Erzurum vorzurücken, um anschließend in südöstlicher Richtung Media Atropatene zu erreichen. Der Armenierkönig Artavasdes war mit dem gleichnamigen Mederkönig tief verfeindet und konnte diesem durch einen Angriff der Römer schwächen. Antonius erhoffte sich wiederum durch die Befolgung des Rats des Armenierkönigs einen strategischen Vorteil bei der Offensive gegen das Partherreich und feierte seine Allianz durch die Prägung einer Silbermünze.[19]

Verlauf

Angriff auf Phraaspa

Vor seinem Angriff auf Media Atropatene schickte Antonius seinen Legaten Publius Canidius Crassus gegen Ende des Winters 37/36 v. Chr. zur Unterwerfung der nordöstlich von Armenien wohnenden kriegerischen Kaukasus-Völker der Albaner und Iberer aus. Hierdurch wollte er präventiv seine linke Flanke beim Angriff auf den Mederkönig sichern. Canidius rückte wohl von Ostarmenien aus durch das Tal des Araxes nördlich in das Tal des Kyros vor und gelangte ins Stammesgebiet der Iberer in der Gegend des heutigen Tiflis. Nach dem Sieg über dieses Volk wandte er sich östlich gegen die am Kaspischen Meer siedelnden Albaner und unterwarf sie ebenfalls. Beide Stämme mussten sich Antonius anschließen und Hilfstruppen stellen.[20]

Antonius marschierte unterdessen mit seinen Streitkräften nach Zeugma am Euphrat, bis wohin Kleopatra ihn begleitete. Hier stand er an der Grenze zum Partherreich. Offenbar wollte er mit diesem Vorstoß vortäuschen, dass er wie einst Licinius Crassus über den Euphrat östlich ins parthische Gebiet einfallen werde. Dies erwartete Phraates IV. und hatte daher hier, östlich von Karrhae in Nordwest-Mesopotamien, mit starken Truppenverbänden Aufstellung genommen. Auch der mit ihm verbündete Mederkönig Artavasdes war mit einem Großteil seines Heers zu Phraates IV. gestoßen, sodass sein Reich weitgehend von Truppen entblößt war. Stattdessen brach Antonius anscheinend unbemerkt von den Parthern etwa im Mai 36 v. Chr. nördlich euphrataufwärts nach Armenien auf, womit sein Täuschungsmanöver erfolgreich war.[21] Joachim Brambach meint, dass der parthische Adlige Monaises möglicherweise nicht, wie von diesem behauptet, aus Furcht vor Phraates IV. zu Antonius geflüchtet war, sondern als Spion des Partherkönigs, doch habe der Triumvir ihn nicht in die Vorbereitungen seines Feldzugs eingeweiht, so dass Monaises nach seiner Rückkehr Phraates nicht die wahren römischen Angriffspläne habe mitteilten können. Damit habe Antonius auch in dieser Hinsicht seine Pläne den Parthern verschleiern können.[22]

Vermutlich in der Gegend des heutigen Erzurum musterte Antonius seine Truppen und erhielt Zuzug durch Kontingente von Klientelfürsten. Hierher kam wohl auch Canidius Crassus nach seinem erfolgreichen Feldzug gegen die Kaukasusvölker und vereinte seine Truppen mit Antonius’ Hauptarmee.[23] Die Zahl der dem Triumvir zur Verfügung stehenden Legionen wird unterschiedlich überliefert. Laut Livius habe Antonius den Feldzug mit 18 Legionen begonnen; Velleius Paterculus behauptet, dass die Zahl der Legionen anfangs 13 betragen habe.[24] Plutarch führt aus, dass Antonius über 60.000 römische Infanteristen verfügt habe, was 12 bis 16 Legionen entspricht. sowie über 10.000 gallische und iberische Reiter. Dazu kamen die Hilfstruppen der alliierten östlichen Herrscher, von denen der Armenierkönig das größte Kontingent, 6000 gepanzerte Reiter und 7000 Fußsoldaten, stellte. Die Gesamtzahl der von den Klientelfürsten zugeführten Auxiliartruppen beziffert Plutarch mit 30.000 Leichtbewaffneten und Kavalleristen.[25]

Strategisches Ziel des römischen Feldherrn war die Eroberung von Phraaspa, der königlichen Residenz von Media Atropatene, Diese bislang nicht genau lokalisierte Stadt lag wohl südöstlich des Urmiasees.[26] Antonius hatte zahlreiche für den Angriff auf Phraaspa nötige Belagerungsmaschinen mitgenommen, die auf 300 Wagen verteilt waren. Dazu gehörte ein etwa 24 m langer Widder. In Eilmärschen stieß Antonius mit dem Hauptteil seiner Streitkräfte auf einer nicht exakt bekannten Route gegen Phraaspa vor, während er seinen schwerfälligen Tross mit dem Belagerungsgerät von seinem Legaten Oppius Statianus unter Bedeckung von zwei Legionen langsamer nachführen ließ.[27] Eventuell wählte der Triumvir bei seinem Vormarsch einen kürzeren, aber beschwerlicheren Weg als sein Legat, indem er in südöstlicher Richtung über die heutigen Städte Doğubeyazıt und Maku nach Phraaspa eilte.[28]

Erfolglose Belagerung von Phraaspa

Antonius kam mit seinem großen Heer etwa im August 36 v. Chr. unbehelligt vor Phraaspa an, wo sich die Frauen und Kinder des Mederkönigs befanden, und begann die Belagerung der gut befestigten Stadt. Er ließ einen Wall gegen die Stadtmauer aufschütten und erste Angriffe ausführen, musste aber im Übrigen die Ankunft seines Trosses mit dem Belagerungsgerät abwarten. Inzwischen hatten Phraates IV. und der mit ihm verbündete Mederkönig von Antonius’ Manöver Kenntnis erhalten und zogen mit ihrem Hauptheer eilig in östlicher Richtung durch Nordmesopotamien gegen Phraaspa. Einer starken parthischen Reiterabteilung, die möglicherweise von Monaises kommandiert wurde, gelang es, den Tross des Oppius Statianus abzufangen, bevor dieser Antonius erreichen konnte. Seine Schutzwache wurde von den Parthern aufgerieben, und Oppius selbst fiel im Kampf. An seiner Seite war König Polemon von Pontos gewesen, der in Gefangenschaft geriet. Die Parther zerstörten auch das Belagerungsgerät. Der mit einer Armee herbeieilende Antonius kam zu spät und vermochte Oppius nicht mehr zu helfen, sondern musste sich mit Verlust seiner Belagerungsmaschinen abfinden. Der Armenierkönig Artavasdes hatte sich beim Angriff auf den Tross anscheinend in dessen Nähe befunden oder gar den Auftrag gehabt, diesen ebenfalls zu verteidigen. Er hatte nicht in die Kämpfe eingegriffen, sondern war auf die Kunde von der Katastrophe des Oppius Statianus mit seinem starken Kontingent an Reitern nach Armenien zurückgekehrt. Dies stellte einen weiteren Rückschlag für Antonius dar.[29] Artavasdes’ Verhalten wurde ihm später von Antonius als Verrat ausgelegt. An manchen Stellen der erhaltenen Quellen, die auf antoniusfreundliche Quellen zurückgehen, wird dem Armenierkönig daher die Hauptschuld am Misslingen von Antonius’ Feldzug gegeben. Artavasdes hatte aus seiner Sicht im Interesse seines Königreichs gehandelt; außerdem ist nicht bekannt, ob er sich gegenüber Antonius zu einem direkten Kampf gegen die Parther außerhalb seines Territoriums bereiterklärt hatte.[30]

Trotz der Rückschläge setzte Antonius zunächst die Belagerung von Phraaspa fort und versuchte wohl, einige neue Belagerungsmaschinen herstellen zu lassen. Doch musste er sich medischer Ausfälle aus der Stadt erwehren, während gleichzeitig das Partherheer seine Armee umzingelte und einzelne zum Fouragieren entsandte Trupps angriff. Der Triumvir intendierte daraufhin, die Feinde zur Annahme einer Feldschlacht zu verleiten, in der er sie entscheidend zu besiegen hoffte. Zu diesem Zweck rückte er mit etwa zwei Drittel seiner Streitkräfte einen Tagesmarsch weit zur Nachschubbeschaffung aus und erreichte damit wie geplant einen parthischen Angriff auf seine Truppen. In einem kombinierten Vorstoß seiner Kavallerie und Infanterie vermochte Antonius die parthischen Reiter in die Flucht zu schlagen. Diese ritten jedoch so schnell davon, dass die Römer nur wenige von ihnen gefangen nehmen konnten. Er kehrte mit seiner Armee ins Lager vor Phraaspa zurück, ohne dem Gegner wesentliche Verluste beigebracht zu haben. Inzwischen hatte die Besatzung von Phraaspa in einem Ausfall den von Antonius gegen die Stadt aufgeschütteten Erdhügel erobert und zerstört.[31]

Trotz der wachsenden Verproviantierungsprobleme und Verluste belagerte Antonius weiterhin Phraaspa und ordnete auf erste Anzeichen nachlassender Aufmerksamkeit und Courage seiner Truppen die Hinrichtung jedes zehnten, durch Los ausgewählten Kriegers (Dezimation) an. Als es bereits etwa Oktober 36 v. Chr. geworden war, musste Phraates IV. den Wunsch seiner Armee nach Rückkehr in die Heimat einkalkulieren, da sie nicht für eine Fortsetzung des Kampfes unter winterlichen Verhältnissen gerüstet und dazu auch nicht bereit war. So bot er Antonius über Boten ungehinderten Abzug an, wenn er sofort mit seinen Truppen heimmarschiere, plante aber in Wirklichkeit, den Römern auf dem Rückweg durch pausenlose Angriffe möglichst große Verluste zuzufügen. Antonius forderte als Preis für seinen sofortigen Abzug die Auslieferung der seinerzeit von den Streitkräften des Licinius Crassus erbeuteten Feldzeichen. Dieses Anliegen beantwortete der Partherkönig abschlägig, machte Antonius jedoch Hoffnung auf einen später noch auszuhandelnden Friedensvertrag. Laut Cassius Dio habe Antonius sich von Phraates täuschen lassen. Jedenfalls entschied sich der Triumvir nun – wohl vor allem wegen der bereits winterlichen Verhältnisse und unsicheren Erfolgsaussichten der Belagerung – in der Tat, den Rückweg anzutreten. Trotz seiner sonstigen Redegewandtheit richtete er nicht selbst die übliche Ermunterungsrede an seine Soldaten, sondern übertrug diese Aufgabe Gnaeus Domitius Ahenobarbus.[32]

Verlustreicher Rückmarsch

Laut Plutarch soll Antonius nur auf den Rat eines landeskundigen Angehörigen des Volks der Marder, der sich schon in der verlorenen Schlacht des Oppius Statianus als zuverlässig erwiesen hatte, den Rückzug von Phraaspa nicht durch für parthische Angriff vorteilhaftes ebenes Gelände angetreten haben, sondern auf einem Umweg über östlich davon gelegenes und mehr Schutz bietendes Gebirgsland abmarschiert sein. Trotzdem wurde er bereits am dritten Marschtag von den Parthern attackiert. Die Römer vermochten sie indessen vor allem durch den Einsatz von Schleuderbleien mit großer Durchschlagskraft zurückzuwerfen. Die Parther griffen auch an den folgenden vier Tagen an. Am fünften Tag erhielt der Kriegstribun Flavius Gallus auf sein Verlangen von Antonius ein größeres Armeekontingent, stellte sich den anstürmenden Parthern entgegen und attackierte sie seinerseits, wagte sich dabei jedoch zu weit vor. Er wurde umzingelt und musste vom Hauptlager Unterstützung anfordern. Dort beging man den Fehler, dass dem Tribun keine ausreichend starken Heereseinheiten, sondern mehrmals nur kleine Trupps zu Hilfe geschickt wurden, die das Blatt nicht zu wenden vermochten. Erst Antonius schaffte Abhilfe, indem er durch die Fliehenden hindurch dem bedrängten Trupp des Gallus mit Legionären zu Hilfe eilte. Dreitausend Tote, darunter Gallus, und 5000 Verletzte mussten die Römer beklagen. Antonius zeigte sich in dieser schwierigen Situation als mitfühlender Feldherr, tröstete die Verletzten und versuchte sie zu ermutigen.[33]

Laut Plutarch war Antonius wegen seiner gerade in Notlagen gezeigten Fürsorglichkeit, Einfachheit und Großzügigkeit bei den Soldaten sehr beliebt, und sie standen sehr loyal zu ihm. Cassius Dio gibt hingegen an, dass viele Kombattanten wegen der zunehmend schwierigen Lage ans Desertieren dachten und nur wegen der Niedermetzlung aller Fliehenden durch die Parther davon abgehalten worden seien.[34] Jedenfalls zeigte der Triumvir Führungsstärke; seine Autorität stand trotz aller Entbehrungen nicht in Frage, und in den meisten Situationen bewies sein Heer einen hohen Grad an Disziplin.[35]

Bei einem der folgenden feindlichen Angriffe wandten die Antonius’ Streitkräfte die Taktik der Schildkrötenformation (Testudo) an, indem die Legionäre die Leicht-bewaffneten und Reiter in die Mitte nahmen und mit nach außen gekehrten Schilden nahezu alle Pfeile der Parther abwehrten. Diese kannten die römische Kampftaktik nicht und dachten, das römische Heer sei schon geschwächt und erschöpft. Daher stiegen die parthischen Reiter von ihren Pferden ab und näherten sich mit ihren Speeren zu Fuß, wurden aber von den plötzlich aufspringenden und in voller Rüstung gegen sie anstürmenden Römern attackiert, erlitten große Verluste und mussten fliehen. Während Cassius Dio behauptet, dass die Römer danach unbehelligt geblieben seien, mussten sie sich laut Plutarch auch weiterhin parthischer Angriffe erwehren, wobei sie noch mehrmals die Taktik der Schildkrötenformation anwandten.[36]

Zu den pausenlosen Angriffen der Parther stellte sich bei den römischen Soldaten Hunger ein, da ihnen Geräte zum Getreidemahlen fehlten. In ihrer Not aßen sie auch Gemüse sowie ihnen unbekannte Kräuter und Wurzeln, von denen einige giftig waren und viele Todesopfer forderten. Plutarch zufolge zeigten sich jetzt die Parther, da sie die Römer bisher nicht durch Angriffe hatten zerstreuen könne, wieder ihnen gegenüber freundlich und sagten, dass sie sich nun zurückzögen. Mit ihrem Manöver wollten sie die Römer dazu verleiten, den Weg durch eine Ebene zu nehmen, um sie dort leichter attackieren zu können. Antonius sei nur durch die Warnung eines von Monaises gesandten Vetters namens Mithridates dieser Falle der Parther entronnen. Er wählte daher den Weg durch die Berge, wurde aber dennoch wieder von den Parthern verfolgt und bedrängt, und einige seiner Soldaten tranken aus Durst giftiges Wasser. Da diese Episode frappant jener über die oben erwähnte Warnung des Marders ähnelt, könnte hier eine Dublette vorliegen. Möglicherweise war Plutarch (oder seiner Quelle) zwei verschiedene Überlieferungen über dasselbe Ereignis vorgelegen, ohne dass er dies erkannte.[37]

Unter den desaströsen Bedingungen brach kurzzeitig die Disziplin des römischen Heers zusammen. Ein Teil der Soldaten raubte sich gegenseitig aus, und schließlich wurde das kostbare Gepäck des Antonius geplündert. Im Heer verbreitete sich die Furcht, dass ein verheerender Überfall der Feinde erfolgt sei. Antonius soll einem Freigelassenen namens Rhamnus, der zu seiner Leibwache gehörte, befohlen haben, ihn auf seinen Befehl hin zu erstechen, damit er nicht dem Feind lebend in die Hände falle. Die Ursache des Tumults klärte sich rechtzeitig auf, und die Situation beruhigte sich. In der weiterhin prekären Situation wagte Antonius nicht die Verhängung der Strafe der Dezimation.[38]

Nach 27 Tagen qualvollen Rückmarsches durch Media Atropatene erreichte Antonius’ Armee schließlich den Fluss Araxes, der die Grenze zu Armenien bildete. Laut Plutarch hätten die Römer 18 siegreiche Schlachten gegen die Parther geschlagen; ihren Siegen habe aber die Vollständigkeit gefehlt, weil sie die Feinde nie weit und energisch genug verfolgten konnten. Daran sei der Armenierkönig Artavasdes wegen seines vorzeitigen Rückzugs mit seiner starken Reiterei schuld.[39] Diese Darstellung zeigt Anklänge an Antonius’ übertriebene Siegesberichte an den Senat.

Nach dem Übersetzen über den Araxes blieb Antonius von weiteren parthischen Angriffen verschont. Bei einer Musterung stellte er laut Plutarch den Tod von 20.000 Infanteristen und 4000 Reitern durch Kämpfe und Krankheiten fest. Obwohl er dem Armenierkönig die Verantwortung für das Misslingen seines Feldzugs gab, machte er ihm zunächst keine Vorwürfe und behandelte ihn weiterhin als wichtigen Verbündeten, da er auf Artavasdes’ Hilfe bei der Versorgung der römischen Armee auf ihrem Rückmarsch durch Armenien angewiesen war. Zwar sorgte Artavasdes für die Verproviantierung der römischen Streitkräfte, doch mussten diese Ende 36 v. Chr. noch hunderte Kilometer auf dem Weg durch das winterliche armenische Bergland nach Westen zurücklegen; 8000 Soldaten starben dabei an Kälte, Entkräftung und Krankheit. Mit einem kleinen Gefolge begab Antonius sich zur syrischen Mittelmeerküste und wartete in dem zwischen Sidon und Berytos gelegenen Dorf Leuke Kome auf Kleopatra, die nach ihrer Ankunft Kleidung und Geld für den Unterhalt der erschöpften Armee mitbrachte.[40]

Folgen

Während Antonius 36 v. Chr. eine Niederlage gegen die Parther einstecken musste, die damit wiederum ihre militärische Stärke bewiesen hatten, konnte Octavian im gleichen Jahr mit Hilfe seines überragenden Admirals Marcus Vipsanius Agrippa nach dreijährigen Kämpfen Sextus Pompeius besiegen und kurz danach auch den Triumvirn Marcus Aemilius Lepidus entmachten. Damit war er unumstrittener Herr des westlichen Teils des Römischen Reichs.[41] 34 v. Chr. marschierte Antonius in Armenien ein, nahm König Artavasdes gefangen und führte ihn im Triumph in Alexandria auf. In der 33/32 v. Chr. tobenden Propagandaschlacht zwischen Antonius und Octavian im Vorfeld ihres finalen Kriegs um die Vorherrschaft im Römischen Reich spielte die Nachbetrachtung von Antonius’ Partherfeldzug eine Rolle. Octavian konnte sich militärisch durchsetzen und wurde unter dem Namen Augustus erster römischer Kaiser.

Literatur

Anmerkungen

  1. Strabon, Geographika 11, p. 523.
  2. Livius, Ab urbe condita, Periocha 130.
  3. Plutarch, Antonius 37–51; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 24–31.
  4. Strabon, Geographika 11, 13, 4 f.; 11, 14, 9.
  5. Frontinus, Strategemata 2, 3, 15; 2, 13, 7; 4, 1, 37.
  6. Benjamin Kelly: Dellius, the Parthian Campaign, and the Image of Mark Antony. In: Studies in Latin Literature and Roman History, Bd. 14, Toronto 2008, S. 213–234, hier: S. 214 ff. und 233.
  7. Plutarch, Antonius 45, 2 ff.; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 29, 2 – 31, 1.
  8. Plutarch, Antonius 43, 2; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 29, 1; Orosius, Historiae adversus paganos 6, 19, 1.
  9. Plutarch, Antonius 37, 4 – 38, 1.
  10. Plutarch, Antonius 50.
  11. Plutarch, Antonius 42, 2 – 43, 1.
  12. Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 31, 1.
  13. Plutarch, Antonius 50, 2.
  14. Benjamin Kelly: Dellius, the Parthian Campaign, and the Image of Mark Antony, In: Studies in Latin Literature and Roman History, Bd. 14, Toronto 2008, S. 213–234, hier: S. 221–233.
  15. Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 147–152; Michael Grant, Kleopatra, 1977, S. 204 f.
  16. Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 153.
  17. Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 24, 3 ff.; vgl. Plutarch, Antonius 37, 2.
  18. Christoph Schäfer, Kleopatra, 2006, S. 162 f.
  19. Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 154 f. Michael Grant (Kleopatra, S. 205 f.) weicht in seinen Ansichten in manchen Punkten von Halfmann ab, etwa in dem er meint, dass Antonius allein Caesars Angriffsplan gefolgt sei und den Armenierkönig erst durch Beibringung einer militärischen Schlappe zum Anschluss an die Römer habe zwingen können.
  20. Plutarch, Antonius 34, 10; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 24, 1; Strabon, Geographika 11, 3, 5 p. 501; dazu Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 155 f.
  21. So Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 156 und Christoph Schäfer, Kleopatra, 2006, S. 163.
  22. Joachim Brambach: Kleopatra. Diederichs, München 1996, ISBN 3-424-01239-4, S. 243 f.; ähnlich Christoph Schäfer, Kleopatra, 2006, S. 163.
  23. Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 156.
  24. Livius, Ab urbe condita, periocha 130; Velleius Paterculus, Historia Romana 2, 82, 1.
  25. Plutarch, Antonius 37, 4.
  26. So Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 156.
  27. Plutarch, Antonius 38, 2 f.; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 25, 2.
  28. So Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 157.
  29. Plutarch, Antonius 38, 2 – 39, 1; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 25, 3 – 26, 1.
  30. Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 158; Christoph Schäfer, Kleopatra, 2006, S. 164.
  31. Plutarch, Antonius 39, 2–9; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 26, 4 f.
  32. Plutarch, Antonius 40; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 27, 3–5.
  33. Plutarch, Antonius 41, 1 – 43, 1.
  34. Plutarch, Antonius 43, 3–6; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 29, 1 f.
  35. Helmut Halfmann, Marcus Antonius, 2011, S. 160.
  36. Plutarch, Antonius 45, 1 ff, Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 29, 2 – 31, 1.
  37. Plutarch, Antonius 45, 4 – 47, 4; dazu Benjamin Kelly: Dellius, the Parthian Campaign, and the Image of Mark Antony, In: Studies in Latin Literature and Roman History, Bd. 14, Toronto 2008, S. 213–234, hier: S. 216 f.
  38. Plutarch, Antonius 48, 2–5.
  39. Plutarch, Antonius 50, 1 ff.
  40. Plutarch, Antonius 50, 5 und 51, 1 ff.; Cassius Dio, Römische Geschichte 49, 31, 1–4.
  41. Brambach, Kleopatra, 1996, S. 251.