Anna Louisa KarschAnna Louisa Karsch, geborene Dürbach, genannt die Karschin (* 1. Dezember 1722 in Hammer, in der Nähe von Schwiebus; † 12. Oktober 1791 in Berlin), war eine deutsche Dichterin. Neben Sophie von La Roche gilt sie als erste finanziell unabhängige Berufsschriftstellerin in Deutschland.[1] Sie war die Mutter der Dichterin Caroline Louise von Klencke und die Großmutter der Dichterin Helmina von Chézy. LebenHerkunft und JugendAnna Louisa war die Tochter des Gastwirts Christian Dürbach. Ihre Mutter war eine geborene Kuchel. Nach dem Tod Dürbachs 1728 heiratete sie bald erneut. Anna Louisa kam zu einem Verwandten in Tirschtiegel, der ihr das Lesen und Schreiben sowie Grundkenntnisse in Latein beibrachte. 1732 holte ihre Mutter die ungeliebte Tochter zurück, da sie das Alter erreicht hatte, um ihr als Kindermädchen für die Stiefgeschwister, als Kuhhirtin und Magd von Nutzen zu sein. Im Jahre 1738 schloss Anna Louisa die Ehe mit dem Schwiebuser Tuchmacher Michael Hirsekorn, aus der vier Kinder hervorgingen. In dieser Zeit entstanden ihre ersten Gedichte, für die ihr gewalttätiger Mann kein Verständnis hatte. 1748 reichte er die Scheidung von seiner schwangeren Frau ein, weil sie ihren Pflichten im Haushalt nicht nachgekommen sei, und schickte sie ohne Unterstützung zu ihrer Mutter zurück. Beginn der dichterischen Tätigkeit1749 wurde sie von der Mutter mit dem Schneider Daniel Karsch aus Fraustadt verheiratet. Anna Louisa gebar weitere drei Kinder, aber auch diese Ehe war unglücklich, denn Karsch war ein Trinker. Neben der Erziehung der Kinder schrieb die Karschin Gedichte zu Familienfeierlichkeiten und erlangte so vor allem im benachbarten Schlesien Bekanntheit. Nach dem Umzug der Familie nach Glogau im Jahre 1755 schrieb die talentierte Poetin, deren Ruf sich immer mehr herumsprach, eine Vielzahl von Versen für familiäre Anlässe. Die nach dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges von ihr gedichteten Lobeshymnen auf Friedrich II. und Preußen fanden auf Flugschriften im ganzen Land Verbreitung und machten sie so in Berlin bekannt. Über befreundete Offiziere erreichte sie die Trennung von dem gewalttätigen Karsch durch dessen Einberufung zum Heer. Rudolf Gotthard von Kottwitz holte die Karschin schließlich 1761 nach Berlin, wo sie in den literarischen Salons für Aufsehen sorgte. Ihre Dichtkunst wurde von Gotthold Ephraim Lessing, Johann Georg Sulzer, Karl Wilhelm Ramler und Moses Mendelssohn gefördert. Am Höhepunkt des SchaffensJohann Wilhelm Ludwig Gleim erklärte sie zur deutschen Sappho und bereitete 1761 ihre feierliche Dichterkrönung in Halberstadt vor; ab 1785 las er Gedichte von ihr auch in der Literarischen Gesellschaft Halberstadt vor. Bis 1762 finanzierten Förderer das Leben der Karschin in Halberstadt und Magdeburg. Sie verkehrte am Hof der von ihrem Gatten Friedrich dem Großen getrennt lebenden Königin Elisabeth Christine von Preußen in Magdeburg und pflegte engen Kontakt mit Prinz Ferdinand von Braunschweig, Graf Heinrich Ernst zu Stolberg-Wernigerode und Graf Christian Friedrich zu Stolberg-Wernigerode. Sie schrieb Texte für Amalie von Preußen, der Äbtissin von Quedlinburg, die diese vertonte. 1789 vertonte Carl Philipp Emanuel Bach ihre Passionskantate Die letzten Leiden des Erlösers. Nach ihrer Rückkehr nach Berlin musste sie ihren Lebensunterhalt wieder selbst finanzieren und litt bittere Not. Daniel Chodowiecki unterstützte sie in dieser Zeit mit der Gestaltung von Miniaturbildnissen, die sie mit Poesie vervollständigte. Gleim veranlasste die Veröffentlichung ihres ersten Gedichtbandes Auserlesene Gedichte, der ihr ein kleines Einkommen ermöglichte, aber von der Kritik vielfach verkannt und verrissen wurde. So finden sich darin neben gefälligen Gelegenheitsversen ergreifende Klagen über ihr schweres Leben und immer von Rückschlägen gefährdetes Schicksal, wie das Gedicht An den Domherrn v. Rochow. Meine Jugend war gedrückt von Sorgen. Alter und TodFriedrich II. sagte ihr am 11. August 1763, als er mit ihr ein längeres Gespräch über die Dichtkunst führte, ein Haus und eine jährliche Pension aus der Staatskasse zu, doch diese war wegen der Kriegskosten leer, so dass sie mit 50 Talern vorliebnehmen musste. In den folgenden Jahren erinnerte sie mehrfach an das Versprechen, wurde jedoch immer mit Geldspenden abgespeist. Ihr Problem war jedoch nicht das Geld, da sie durch das Erscheinen ihrer Auserlesenen Gedichte 1764 zu Wohlstand gekommen war, sondern die Tatsache, dass sie als getrennt lebende Frau (zeitgenössisch als Pupille bezeichnet) nach damaligem Recht nicht auf das Geld zugreifen durfte. Erst Friedrich Wilhelm II. machte 1789 das alte Versprechen seines Onkels wahr und schenkte der Karschin ein Haus an der Berliner Neuen Promenade.[2] Mit Goethe, der sie 1778 besuchte, pflegte die Karschin einen Briefwechsel. Ihre letzten Lebensjahre waren von Krankheit geprägt. Die Tochter Caroline Louise von Klencke lebte bis zum Tod ihrer Mutter im Oktober 1791 zusammen mit ihr in Berlin. 1792 veröffentlichte die Tochter eine Ausgabe ihrer Gedichte postum. Würdigungen und Nachwirkung1784 wurde ihr eine Sandsteinskulptur als erstes öffentliches Standbild für einen deutschsprachigen Dichter im Landschaftspark Spiegelsberge bei Halberstadt errichtet. Gestaltet wurde die Skulptur von dem Halberstädter Bildhauer J. C. Stubinitzky. Sie befindet sich heute im Gleimhaus in Halberstadt.[3] Ihr Grab befindet sich an der Sophienkirche in Berlin-Mitte. Eine 1802 von Johann Wilhelm Ludwig Gleim angeregte und finanzierte Tafel an der Kirche trägt die Inschrift: Kennst Du, Wandrer, sie nicht / So lerne sie kennen. Im Jahr 1991 fand eine Ausstellung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu ihrem 200. Todestag unter dem Titel Anna Louisa Karsch (1722–1791). Dichterin für Liebe, Brot und Vaterland in Berlin statt. In der Nähe ihres Hauses an der Neuen Promenade wurde ihr 2001 die Anna-Louisa-Karsch-Straße gewidmet.[4] Zudem wurde 2009 entschieden, eine neu angelegte Straße in Rheine als Anna-Louisa-Karsch-Ring zu widmen.[5] Anlässlich des 300. Geburtstags zeigte das Gleimhaus in Halberstadt vom 1. Dezember 2022 bis zum 20. April 2023 die Sonderausstellung Plötzlich Poetin!? zu Leben und Werk Karschs eröffnet.[6][7] Literarische BedeutungAnna Louisa Karsch konkurriert mit Sophie von La Roche um den Titel der ersten deutschen Berufsschriftellerin. Karschs Auserlesene Gedichte erschienen sieben Jahre vor La Roches Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Über die schriftstellerische Tätigkeit bezog Karsch ihr Haupteinkommen.[8] Zeitgenossen sprachen von ihr als „[d]ie unter den deutschen Dichtern einen vorzüglichen Rang behauptende Frau Karschin“;[9] auch hieß es von ihr: „Von einer Karschin, als Dichterinn, hat gewiß schon ein jeder von unsern Lesern, einen richtigen Begriff, und es wäre überflüßig, über ein Genie zu declamiren, das ganz Deutschland kennt.“[10] Chodowiecki fühlte den Unterschied, der die Karschin von vielen ihrer Zeit- und Stilgenossen trennte, als er schrieb: „Ramler ist gewohnt, wenn ihm ein Stammbuch vorgelegt wird, aus dem Wernike oder Logau abzuschreiben, die Madam Karschin schreibt aus ihrem Herzen.“ In der Tat berührt inmitten einer gekünstelten Anakreontik ihre kühne Fantasie und die Fähigkeit, volkstümlich und bildhaft ihren Einfällen Ausdruck zu verleihen. Dies wurde auch von Herder erkannt, der über sie meinte: „Wenn man die Gedichte der Madam Karschin auch nur als Gemälde der Einbildungskraft betrachtet, so haben sie wegen ihrer vielen originalen Züge mehr Verdienst um die Erweckung deutschen Genies als viele Oden nach regelmäßigem Schnitt.“ Das 19. Jahrhundert hat den früheren Ruhm der Karschin fast völlig der Vergessenheit, ja der Geringschätzung preisgegeben, sodass „deutsche Sappho“ als geschmacklose Ungeheuerlichkeit erschien, was als Ehrung der Originalität, nicht der Vollendung gedacht war. Wer die Gedichte der Karschin liest, findet darin oft einen zu Herzen gehenden Ton der Aufrichtigkeit, der in der formell zurechtgemachten Tändelei der Lyrik ihrer Zeit fast unbekannt ist. Die einzige größere Ausgabe ihrer Werke zu Lebzeiten, die von Gleim veranstaltete „Pränumerationsausgabe“ von 1764, bietet nicht unbedingt ihre besten Gedichte. Sie leidet daran, dass viele der Subskribenten, denen sie als Danksagung zuvor ein Gedicht übersandt hatte, „ihre“ Verse darin abgedruckt sehen wollten. Andererseits hat gerade Gleim keines der vielen Gedichte, welche die Karschin in ihre unzähligen Briefe an ihn eingestreut hatte, in die Ausgabe aufgenommen. Diese gehörten zu ihren besten, weil aus echtem, tiefem Gefühl empfunden. Es fehlt darin eines der berührendsten Beispiele von Liebeslyrik aus ihrer Feder: Den 22. Juni 1761. Morgens 7 Uhr. Freund, zeichne diesen Tag mit einem größern Strich! Auch keines der vielen Lieder, welche die Feldzüge Friedrichs des Großen besangen, die sie im Volk berühmt gemacht hatten, fand darin Aufnahme. In der Ausgabe, welche die Tochter nach ihrem Tod herausgab, fehlen die meisten dieser Gedichte ebenfalls, dafür finden sich viele leere, an Fürstlichkeiten gerichtete Lobpreisungen. Schon Herder wünschte eine „ihrer würdigere“ Ausgabe, die jedoch noch nicht erfolgt ist. WerkeEine historisch-kritische Gesamtausgabe der Briefe und literarischen Werke Anna Louisa Karschs steht noch aus. Neuere Werkausgaben
Zeitgenössische Veröffentlichungen
SekundärliteraturSammelbände und Ausstellungskataloge
Monografien
Wissenschaftliche Artikel
Lebensbeschreibungen
WeblinksCommons: Anna Louisa Karsch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Anna Louisa Karsch – Quellen und Volltexte
Wikiquote: Anna Luise Karsch – Zitate
Einzelnachweise
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