Amorphes MaterialAls amorphes Material (altgriechisch μορφή morphé „Gestalt, Form“ mit vorgesetztem Alpha privativum a-, Sinn also etwa „ohne Gestalt“) bezeichnet man in Physik und Chemie einen Stoff, bei dem die Bausteine (Elemente oder Moleküle) keine sich periodisch wiederholenden Strukturen (Fernordnung) aufweisen. Dadurch unterscheiden sich amorphe Materialien von Materialien mit einer Kristallstruktur. Insbesondere sind Stoffe im Glaszustand amorphe Materialien, aber auch Materialien, die aus Bausteinen mit vielen uneinheitlichen Eigenschaften bestehen. Aufgrund der fehlenden Fernordnung sind amorphe Materialien ebenso wie Flüssigkeiten makroskopisch isotrop, besitzen also keine bevorzugten Raumrichtungen. Amorphes Material ist häufig instabil bzw. metastabil, da es sich nicht im thermodynamisch stabilsten Zustand befindet. Das trifft insbesondere auf unterkühlte Flüssigkeiten zu, die unter bestimmten Bedingungen auskristallisieren können. Amorphe Stoffe befinden sich aus Sicht der physikalischen Chemie im flüssigen Aggregatzustand. Amorph sind oft Stoffe, die aus großen Makromolekülen bestehen, die bereits in der Schmelze (bei hoher Temperatur) eine hohe Viskosität aufweisen und bei Abkühlung schließlich so unbeweglich werden, dass sie sich nicht mehr als Kristall anordnen können. Der wechselseitige Übergang zwischen dem in praktischer Sicht als „fest und glasartig“ (sehr hohe Viskosität und niedrige Duktilität) und dem konventionell als „flüssig“ (geringere Viskosität und höhere Duktilität) angesehenen Zustand bei Temperaturänderung erfolgt kontinuierlich. Auch andere physikalische Eigenschaften ändern sich bei diesem Vorgang nicht sprunghaft, sondern kontinuierlich;[1] meist allerdings nicht linear, siehe Glasübergang. Beim Schmelzen und Erstarren findet also kein Phasenübergang statt und es lässt sich keine Schmelztemperatur ermitteln. Einige amorphe Metalle werden auch als metallische Gläser bezeichnet. Diese können eine außergewöhnliche Festigkeit aufweisen und zugleich hochelastisch sein. HerstellungDie klassische Methode, um den amorphen Zustand zu erzeugen, ist das „schnelle“ Abkühlen einer Schmelze oder Flüssigkeit. Bedingung für den amorphen Zustand ist, dass sich die Atome bzw. Moleküle beim Abkühlen nicht regelmäßig anordnen können, das heißt, die Viskosität muss einen gewissen Wert überschreiten und es darf nicht zur Kristallisation kommen. Die kritische Abkühlrate, die nötig ist, um eine Kristallisation zu vermeiden, hängt vom Material ab. Klassische Gläser wie Fensterglas können auch relativ langsam (z. B. 1 K je Minute) abgekühlt werden. Die meisten amorphen Metalle benötigen dagegen eine Abkühlrate über 1000 K je Sekunde. Eine verwandte Methode ist das Aufdampfen auf ein Substrat durch chemische oder physikalische Gasphasenabscheidung. Auch dabei kühlt die Materie zu schnell ab, um sich nach dem Auftreffen auf das Substrat in eine geordnete Struktur zu bewegen. Ein anderer Weg ist die Herstellung durch Zerstören der kristallinen Ordnung durch eine starke mechanische Verformung (z. B. in der Kugelmühle), Beschuss durch Ionen oder eine starke Bestrahlung. Nicht jedes Material lässt sich in amorpher Form herstellen. Eigenschaften
Da die Atome eine geringe Packungsdichte aufweisen, hat der amorphe Stoff fast immer eine geringere Dichte als der gleiche Stoff in kristalliner Form.[6] Beispielsweise hat amorphes Silicium eine um etwa 2 % geringere Dichte als kristallines Silicium.[7] Abweichend davon bildet bspw. amorphes Eis Phasen mit einer zwischen 3 % und 34 % höheren Dichte als der von kristallinem Eis.[2][4][3][5] Der amorphe Zustand ist normalerweise metastabil. Beim Erhitzen eines amorphen Stoffes kann es zur spontanen Kristallisation und damit zur Umwandlung in einen stabileren Zustand kommen. Falls es nicht vorher zu Kristallisation kommt, gibt es einen direkten Übergang in die flüssige Phase, ohne einen klassischen Phasenübergang. Beispiele und AnwendungenGlas ist ein typisches amorphes Material. Quarzglas ist die amorphe Form von Siliziumdioxid (SiO2). Eine seiner kristallinen Formen heißt Quarz. Amorphe Metalle werden mit Hilfe der Rascherstarrungstechnik in Form von dünnen Folien industriell hergestellt. Hauptanwendungsgebiet sind hierbei Magnetwerkstoffe, weichmagnetische Legierungen (Fe, Ni, Co) und amorphe Lötfolie. Amorphes Silicium ist eine nichtkristalline Form des reinen Halbleiters Silicium und wird hauptsächlich für Dünnschicht-Solarzellen verwendet. Amorpher Kohlenstoff wird durch Verfahren der chemischen Gasphasenabscheidung gewonnen. Obsidian ist ein natürliches amorphes Material vulkanischen Ursprungs. Amorphe Thermoplaste (Kunststoffe) sind beispielsweise Polystyrol (PS), Polyvinylchlorid (PVC) oder Polycarbonat (PC). Viele Kunststoffe sind jedoch teilkristallin. Auch Honig kann in einem amorphen, kristallinen oder teilkristallinen Zustand vorliegen. Je nach Sorte und Bearbeitung kristallisiert er nach Erwärmung innerhalb weniger Tage oder Wochen wieder teilweise aus und bildet ein Kristallgitter. Siehe auchLiteratur
WeblinksWiktionary: amorph – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Einzelnachweise
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