Alma Deutscher ist die Tochter der Literaturwissenschaftlerin Janie Deutscher (geb. Steen) und des israelischen Sprachwissenschaftlers Guy Deutscher.[1] Im Alter von zwei Jahren begann sie mit dem Klavierspiel, mit drei Jahren kam die Geige hinzu.[2] Sie konnte mit absolutem Gehör singen, bevor sie sprechen konnte, und Noten lesen, bevor sie lesen konnte.[3] Nach einem knappen Jahr Geigenspiel spielte sie mit vier Jahren die Sonaten von Händel[4] und begann, auf dem Klavier zu improvisieren und eigene Stücke zu komponieren.[5] Deutschers frühe musikalische Ausbildung konzentrierte sich auf kreative Improvisation und folgte der Lehrmethode der Partimenti.[6] Deutscher erlernte so zunächst die musikalische Grammatik der Musik des achtzehnten Jahrhunderts, die sie später als ihre musikalische „Muttersprache“ bezeichnete.[7]
Bis zu ihrem 16. Lebensjahr wurde sie zu Hause unterrichtet. Sie spricht fließend Englisch, Hebräisch und Deutsch.[8]
Deutscher wurde 2012 im Alter von sieben Jahren in den Medien bekannt, nachdem der britische Schriftsteller und Schauspieler Stephen Fry sie mit Mozart verglich. Im Jahr 2014 machten führende Persönlichkeiten aus der Welt der klassischen Musik, darunter der Dirigent Zubin Mehta und Sir Simon Rattle auf Deutscher aufmerksam, nachdem sie in der von dem Pianisten und Pädagogen Arie Vardi moderierten Fernsehsendung Intermezzo with Arik auftrat.[9]
Mit vier Jahren begann Deutscher auf dem Klavier zu improvisieren und mit fünf ihre eigenen Kompositionen aufzuschreiben. Diese ersten schriftlichen Notationen waren undeutlich, aber im Alter von sechs Jahren konnte sie klare Kompositionen schreiben und komponierte eine Klaviersonate, die 2013 auf CD veröffentlicht wurde.[16] Mit sieben Jahren komponierte sie eine Kurzoper, Der Traumfeger, nach einem Libretto von Elizabeth Adlington, basierend auf Neil Gaimans Geschichte The Sweeper of Dreams.[17] Die Uraufführung der Oper fand 2013 in Israel statt.[18][19]
Ihre zweite Oper Cinderella ist ein abendfüllendes Werk, das auf dem Märchen von Aschenputtel basiert. Eine Kammerversion der Oper wurde 2015 in Israel uraufgeführt.[21] Im darauffolgenden Jahr erweiterte sie die Oper und orchestrierte sie für ein Ensemble von zwanzig Musikern.[22] Diese Version wurde 2016 in Wien unter der musikalischen Leitung des Dirigenten Vinicius Kattah uraufgeführt.[23]Zubin Mehta übernahm die Schirmherrschaft der Produktion.[23] Eine weiter ausgearbeitete Fassung der Oper (mit großem Orchester, Chor, und Ballet) wurde 2017 in einer Produktion der Opera San José unter der Leitung von Dame Jane Glover in San José (Kalifornien) in englischer Sprache uraufgeführt.[24] Die Komponistin selbst trat als Solistin für Violine, Klavier und Orgel auf.[25] Eine Kinderfassung der Oper wurde von der Wiener Staatsoper in Auftrag gegeben und von Deutscher erstellt und 2018 aufgeführt.[26] Die neueste Fassung wurde 2022 in der Opera San José unter Deutschers Dirigat aufgeführt.[14]
Deutschers erste Sammlung von Klavierwerken wurde 2019 von Sony Classical veröffentlicht[29] und erschien 2020 beim Verlag G. Schirmer.[30] Im Jahr 2022 veröffentlichte sie ein pädagogisches Album mit Klavierstücken für junge Pianisten unter dem Titel Lieder für Klavier.[31]
Kompositionen
Klaviersonate in Es-Dur (2011).
Andante für Violine (2011).
Rondino (trio) in Es-Dur, für Viola und Klavier (2012).
The Sweeper of Dreams (Der Traumfeger, Libretto: Elizabeth Adlington), kurze Oper, (2012).
Quartettsatz in A-Dur (2012).
Sonate für Viola und Klavier in c-Moll (1. Satz), (2013).
Quartettsatz in G-Dur, Rondo (2013).
The Night Before Christmas, Lied für Singstimme(n) und Celesta auf ein Gedicht von Clement Clarke Moore, (2013, 2018 für Kammersänger Thomas Hampson überarbeitet).
Sonate für Violine und Klavier (1. Satz) (2013).
Trio für Violine, Viola, und Klavier in D-Dur (2014).
Violinkonzert Nr. 1 in g-Moll (2014, 2017 überarbeitet).
Dance of the Solent Mermaids (Tanz der Meerjungfrauen im Solent), für Symphonieorchester, (2014).
Cinderella (Aschenputtel), Oper (2015, dann 2016 und 2020 überarbeitet).
Klavierkonzert Nr. 1 in Es-Dur, (2017).
Nähe des Geliebten (Near the beloved) Lied für Singstimme und Klavier auf ein Gedicht von Goethe (2018).
Die kritische Resonanz auf Deutschers Kompositionen in den ersten Jahren ihres öffentlichen Wirkens war vor allem auf ihr junges Alter und ihren Status als „Wunderkind“ zurückzuführen. Verschiedene prominente Musiker, wie die Geigerin Anne-Sophie Mutter, Komponist Jörg Widmann und die Dirigenten Zubin Mehta und Simon Rattle drückten ihre Verwunderung darüber aus, was sie in einem so jungen Alter erreicht hatte.[9][34][35] Rattle sagte der BBC: „Ich weiß nicht, ob ich schon einmal jemandem in diesem Alter begegnet bin, der über eine so erstaunliche Bandbreite an Begabungen verfügt.“
Der österreichische Kritiker Wilhelm Sinkovicz äußerte sich in einer Rezension von Deutschers Klavierkonzert erstaunt darüber, dass Deutschers Musik, obwohl sie „in romantischen Regionen irgendwo zwischen Mendelssohn’scher Stilistik und Grieg’scher Gefühlsregung angesiedelt ist (…,) voll ungemein origineller Einfälle und wirklicher Überraschungen“ steckt.[10]
Deutschers Oper Cinderella wurde mehrfach für den Reichtum und die Erfindungskraft ihrer Melodien bewundert. Die Wiener Zeitung bezeichnete Deutscher als „eine Melodikerin von hohen Gnaden“, deren Kantilenen „je nach Bedarf bodenlose Trauer oder überströmende Sehnsucht transportieren.“[26] Das Opernmagazin Orpheus erklärte, dass Deutschers Oper eine „Renaissance des deutschen Singspiels“ ankündige.[36]
Andererseits kritisieren Rezensenten, die der musikalischen Moderne verpflichtet sind, Deutschers Weigerung, sich auf die harten Dissonanzen einzulassen, die die zeitgenössische Kunstmusik kennzeichnen.[37] Deutschers Oper, Des Kaisers neue Walzer, die neben einer romantischen Komödie auch eine Satire auf die „melodienlose Welt der zeitgenössischen klassischen Musik“ enthält[38][39] hat viel Kritik auf sich gezogen.[40][41][42]
Ein Leitartikel in The Wall Street Journal bemerkte, dass Deutschers Musik von manchen Kritikern als provokant empfunden wird, die „ihre Musik aus demselben Grund ablehnen, aus dem das Publikum sie liebt. Sie beanstanden ihre traditionelle Tonalität, ihren direkten emotionalen Appell.“[43] 2022 befürwortete ein Leitartikel der Londoner The Times Deutschers Aufruf: „Sie hat sicherlich Recht damit, dass der sicherste Weg, ihre Generation an die Freuden der klassischen Musik heranzuführen, darin besteht, etwas Schönes anzubieten.“[44] Deutscher äußerte sich zu diesem Thema anlässlich einer Aufführung ihres Walzers Sirenenklänge in der Carnegie Hall: „Ich wollte schon immer schöne Musik schreiben, Musik, die aus dem Herzen kommt und direkt zu dem Herzen spricht. Aber manche Leute haben mir gesagt, dass Melodien und schöne Harmonien in der ernsthaften klassischen Musik heutzutage nicht mehr akzeptabel sind, weil Musik im 21. Jahrhundert die Hässlichkeit der modernen Welt widerspiegeln muss. Nun, in diesem Walzer habe ich statt zu versuchen, meine Musik künstlich hässlich zu machen, um die moderne Welt widerzuspiegeln, genau das Gegenteil getan. Ich habe einige hässliche Klänge aus der modernen Welt genommen und sie durch Musik in etwas Schöneres verwandelt.“[45]
Auszeichnungen
2019: Auszeichnung als einer der „Zwölf Helden von Morgen“ durch das Magazin Stern[46]
Violinkonzert in G-moll (Klavierauszug). Universal Edition UES106822-410.[55]
Dokumentarfilme
2017 war Deutscher das Thema eines einstündigen Dokumentarfilms des britischen BBC. Ein Dokumentarfilm des Nachrichtenmagazins CBS-60 Minutes über sie wurde 2017 ausgestrahlt und 2018 mit dem Emmy Award ausgezeichnet.[56]
↑Sally Williams: How 12-year-old Alma Deutscher became the world's 'little Mozart'. In: The Telegraph. 31. August 2017, ISSN0307-1235 (englisch, telegraph.co.uk [abgerufen am 13. März 2022]).
↑ abWunderkind: Alma spielt. In: Die Zeit. Nr.2, 2016 (zeit.de [abgerufen am 4. September 2018]).
↑Robert O. Gjerdingen: Child composers in the old conservatories: how orphans became elite musicians. Oxford University Press, New York, NY 2020, ISBN 978-0-19-065359-0.
↑Elizabeth Grice: An opera at seven, a concerto at nine: meet Britain’s reluctant heir to Mozart. In: The Telegraph. 25. Juni 2016 (englisch, telegraph.co.uk [abgerufen am 28. September 2018]).
↑Alma Deutscher. In: radioklassik.at. Archiviert vom Original am 28. Mai 2022; abgerufen am 17. März 2022.
↑Stephan Burianek: Alma Deutscher: Wunder gibt es immer wieder. Die Renaissance des deutschen Singspiels. In: Orpheus (Ö-Ton). März/April 2017. Der Theaterverlag, Berlin März 2017, S.60.
↑Barton Swaim: Opinion | A Girl Makes Music Without Irony or Ugliness. In: Wall Street Journal. 13. März 2020, ISSN0099-9660 (wsj.com [abgerufen am 15. Januar 2024]).
↑The Times Leading Articles: The Times view on Alma Deutscher’s call for beautiful music: Raise the Tone. 15. Januar 2024, ISSN0140-0460 (thetimes.co.uk [abgerufen am 15. Januar 2024]).