Schon im 2./3. Jahrhundert n. Chr. hielten sich in Airolo Menschen auf, wie römische Gräber in Madrano belegen. Die Geschichte von Airolo war stets vom Verkehr über den Gotthard geprägt. Dadurch erlangten Gastgewerbe und Säumerei grosse wirtschaftliche Bedeutung.
Die ältesten urkundlichen Belege für den Ort als Oriolo, Ur(i)olo, Irorio stammen aus 1210, im 14. Jahrhundert erscheint er als Oriollo, Oirolo, Yroll(i)o, Airol(l)o, Ayrolio. Der Ortsname geht wahrscheinlich auf volkslateinisch*oriolu ‚schmaler Rand, Kante‘ zurück.[5]
Im 12. Jahrhundert, als die drei oberen Tessiner Täler der Mailänder Kirche gehörten, entstanden erste Institutionen der Bauern, die die Alpweiden gemeinsam nutzten. 1227 beschloss der Talrat der Leventina, die bis dahin zum ungeteilten kollektiven Besitz gehörenden Alpen den zehn Dorfgemeinschaften (vicinanze) des Tales abzutreten, so auch Airolo. Aus der Vicinanza entwickelte sich im 19. Jahrhundert das Patriziato. Dieses besteht, auf die Nutzung der Gemeingüter beschränkt, bis heute. Alle Bürger von Airolo, seit 1919 auch die Frauen, können mitbestimmen, selbst wenn sie nicht im Dorf wohnen.[9]
Die katholische Pfarrkirche Santi Nazario e Celso wurde im 12. Jahrhundert errichtet und erstmals 1224 zusammen mit der Pfarrei erwähnt.[10] Das heutige Gebäude wurde 1879 neu gebaut, nachdem es 1877 von einem Brand zerstört worden war, bei dem ein grosser Teil des Dorfes niederbrannte. Der Kirchturm, der von doppelreihigen Zwillingsarkaden bekrönt ist, stammt aus romanischer Zeit. Im Jahr 1799 überquerte die russische Armee von General Alexander Wassiljewitsch Suworow während des Schweizer Feldzugs den Gotthardpass und kämpfte in der Reussschlucht nördlich von Andermatt gegen die Franzosen, woran das auf der Felsoberfläche bei der Teufelsbrücke errichtete Denkmal erinnert.
1882 wurde der Gotthard-Eisenbahntunnel mit dem Südportal Airolo eingeweiht. Das Dorf war damals mit 3700 Einwohnern die zweitgrösste Gemeinde im Tessin.[11] Nahe dem Bahnhof steht das Denkmal für die Opfer des Gotthardtunnelbaus, ein von Vincenzo Vela (1820–1891) geschaffenes bronzenes Flachrelief. Zum militärischen Schutz der Gotthardstrasse und des Gotthardtunnels wurden als Teile des Waffenplatzes Airolo die GotthardfestungenMotto Bartola (1890), Forte Airolo (1890) und Fort Hospiz (1894) gebaut (heute: Caserma Bedrina).
Am 28. Dezember 1898 zerstörte ein Bergsturz einen Teil des Dorfes und forderte drei Tote.[12] Zum Schutz des Dorfes wurde die grosse Schutzmauer oberhalb der Häuser errichtet. Eine riesige Lawine forderte am 12. Februar 1951 zehn Tote. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche Lawinenverbauungen errichtet; eine Arbeit, welche in neuerer Zeit fortgesetzt wird.
Bereits 1890 erhielt Airolo eine elektrische Strassenbeleuchtung. Airolo war die erste Gemeinde des Kantons Tessin, die eine Kläranlage baute (1969).
1980 wurde der Gotthard-Strassentunnel mit dem Südportal Airolo eröffnet. Danach setzte endgültig ein Rückgang an Einwohnern und Arbeitsplätzen ein. So wurde 2007 das einst berühmte Hotel Motta an der Piazza Motta geschlossen.[13] Mit dem Bau der zweiten Röhre sollen ab 2022 wieder bis zu 300 zusätzliche Personen in Airolo leben.[14]
Die Landwirtschaft spielte lange eine wichtige Rolle, heute schafft sie jedoch nur noch wenige Arbeitsplätze. Durch den Bau 1995–1997 und Betrieb einer Schaukäserei (Caseificio dimostrativo del Gottardo) konnten die einheimischen Landwirtschaftprodukte besser vermarktet werden.[18] 2015 zählte die Schaukäserei über 77'000 Besucher, die vorwiegend aus der Schweiz, Deutschland, den Niederlanden und Italien stammten. Im ehemaligen Bahnhofsgebäude hat sich die Molkerei Agroval SA eingerichtet.[19]
Im Industriesektor nimmt das Baugewerbe den ersten Platz ein. Die einzige wichtige Fabrik von Airolo ist eine Metallverarbeitungsfirma, welche etwa 100 Personen beschäftigt.
In Airolo befinden sich Dienstleistungsbetriebe für Bahn- und Strassenverkehr sowie ein grosser Waffenplatz, in dem Sanitätstruppen der Schweizer Armee ausgebildet werden. Durch Sparmassnahmen beim Militär und den Bahnbetrieben gingen in Airolo zahlreiche Arbeitsplätze verloren, was zu einer sinkenden Bevölkerungszahl führte. Eine wichtige Rolle spielen darüber hinaus die Wasserkraftwerke. Im Jahre 1922 wurde von der Elektrizitätsgesellschaft der Gemeinde das Kraftwerk Calcaccia (691777 / 15271246.519428.63466) gebaut, in dem zuerst nur eine Pelton-Turbine mit einer Leistung von 440 kW eingebaut war. Das Hochdruck-Laufwasserkraftwerk verarbeitet das Wasser eines 400 m höher gelegenen Weihers.[20] Das in den 1940er-Jahren gebaute Lucendro-Kraftwerk gehört seit 2015 der Azienda Elettrica Ticinese (AET).[21]
Trotz der Belastungen durch den Transitverkehr ist Airolo ein viel besuchter Ferienort. Airolo war der erste Skisportort im Tessin und ist heute sehr wichtig. Das Skigebiet Pesciüm am Nordhang im Süden des Dorfes umfasst fünf Skilifte, eine Sesselbahn und zwei Seilbahnen und erschliesst 30 anspruchsvolle Pistenkilometer auf 1175 bis 2255 Meter über Meer.[22][23] Im Sommer ist Airolo ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen (Strada Alta, Sentiero degli Alpi).
Sasso San Gottardo: am 25. August 2012 wurde in der Festung Sasso da Pigna auf dem Gotthardpass die Ausstellung zur Festungs- und Themenwelt des Sasso San Gottardo eröffnet[32]
Fabio Beffa: Vocabolario fraseologico del dialetto di Airolo. Humilibus Consentientes, Bellinzona 1998.
Kunstgeschichte
Piero Bianconi, Arminio Janner: Airolo. In: Arte in Leventina. Istituto Editoriale Ticinese, Bellinzona 1939, S. 22, 29, 41.
Valeria Farinati: Centrali idroelettriche d’autore. In: «Arte&Storia», Il Ticino dell’acqua. Dalla formazione geologica del Cantone alle attività economiche. Edizioni Ticino Management, 12. Jahrgang, Nummer 54, April–Juli 2012, Lugano 2012.
Virgilio Gilardoni: Airolo. In: Il Romanico. Arte e monumenti della Lombardia prealpina. La Vesconta, Istituto grafico Casagrande, Bellinzona 1967, S. 30. 38, 40–43, 91, 176–178, 299, 342, 358, 476, 481, 484, 498, 509, Madrano S. 176, 251, 481, San Gottardo S. 543–544.
Simona Martinoli u. a.: Airolo. In: Guida d’arte della Svizzera italiana. Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Edizioni Casagrande, Bellinzona 2007, S. 113, 137, 142–148, 356.
Johann Rudolf Rahn: Airolo. In: I monumenti artistici del medio evo nel Cantone Ticino. Tipo-Litografia di Carlo Salvioni, Bellinzona 1894, S. 1 f. (Brugnasco S. 73, Madrano S. 194, San Gottardo S. 266, Stalvedro S. 278).
↑Anna Miller: Schöne Grüsse aus Airolo. Hat das Dorf am Gotthard-Südportal noch eine Zukunft? Das Magazin, Tamedia, Zürich 19. März 2016, S. 8–17.
↑J. Hardmeyer: Der Bergsturz von Airolo vom 27.–29. Dezember 1898. In: Die Schweiz. Schweizerische illustrierte Zeitschrift 2, 1898, doi:10.5169/seals-572466#523, S. 514–520.
↑Anna Miller: Schöne Grüsse aus Airolo. Hat das Dorf am Gotthard-Südportal noch eine Zukunft? Das Magazin, Tamedia, Zürich 19. März 2016, S. 8–17.
↑ abcdefghijklmSimona Martinoli und andere: Guida d’arte della Svizzera italiana. Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Edizioni Casagrande, Bellinzona 2007, ISBN 978-88-7713-482-0, S. 143–147.